Basketball:Chancen und Reserven schwinden

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Muskelbepackte Center unter sich: Jalen Reynolds (li.) gegen Istanbuls NBA-Nachverpflichtung Kyle O'Quinn. (Foto: Mladen Lackovic/Imago)

Der FC Bayern verliert nach großem Kampf gegen Fenerbahce Istanbul. Noch bleiben zwei Spiele, um die Euroleague-Playoffs sicher zu erreichen.

Von Ralf Tögel, München

Am späten Dienstagabend trug Jalen Reynolds zur Arbeit sein Haar offen. Immer wieder wirbelten seine Dreadlocks wild um seinen Kopf, der Münchner Center kämpfte, gab alles, aber es sollte nicht reichen. Die Basketballer des FC Bayern München verloren gegen die Gäste von Fenerbahce Istanbul mit 68:77 Punkten und rutschten nach 32 von 34 Hauptrundenspielen mit 19 Siegen und nun 13 Niederlagen vom fünften auf den sechsten Tabellenplatz. Ein Heimsieg gegen Zalgiris Kaunas am Donnerstag oder beim Tabellenführer Barcelona sieben Tage später reicht aber immer noch, um die Teilnahme an den Playoffs der besten Acht zu sichern. Die Bayern haben es nach wie vor selbst in der Hand, etwas zu schaffen, was nie zuvor einem deutschen Team gelungen ist.

Ein weiteres Mal hatten die Bayern einem der großen europäischen Klubs einen harten Kampf geliefert, doch dieses Mal waren die Spieler sichtbar am Ende ihrer Kräfte. Wie Jalen Reynolds. Der US-Center ist ein prägender Akteur im System von Trainer Andrea Trinchieri, einer, der oft mit spektakulären Aktionen die Kollegen mitreißt. Auch gegen Istanbul hämmerte er den Ball per Dunking durch den Ring, blockte Würfe, schnappte sich Rebounds und rieb sich unter dem Korb auf.

Die Bayern kommen ans Ende ihrer Kräfte, das zeigt sich in ungewohnten Fehlern und Verletzungen

Aber ihm unterliefen auch ungewohnte Patzer, Ballverluste, Schrittfehler, Fehlpässe - Ausdruck fehlender Energie. Aber auf diesem Niveau wird jedes kleine Missgeschick gnadenlos bestraft. Reynolds war schlichtweg platt, das erkannte auch Trinchieri, der den muskelbepackten Modellathleten ungewöhnlich oft auf die Bank beorderte. Auch Vladimir Lucic ließ nach einem furiosen Start, in dem er mit den ersten acht seiner insgesamt elf Punkte sein Team zu einem schnellen 10:3-Vorsprung führte, spürbar nach. Spielmacher Wade Baldwin fand spät in die Partie, steigerte sich in der zweiten Halbzeit und war mit 20 Punkten erneut Topscorer, aber die Aufholjagd nach zwischenzeitlich zweistelligem Rückstand kam zu spät.

Fenerbahce hat sich nach holprigem Saisonstart mit zwei Nachverpflichtungen aus der NBA verstärkt

Was in der Hauptsache am Gegner lag. Fenerbahce ist ein edel besetztes Spitzenteam, das Verpassen der Playoffs nicht akzeptabel. Daher hatte der Klub nach einem holprigen Saisonstart so reagiert, wie es Vereine dieser Kategorie üblicherweise tun und sich mit zwei Nachverpflichtungen aus der amerikanischen Profiliga NBA verstärkt. Guard Marko Guduric, der von den Memphis Grizzlies kam, war mit 18 Punkten maßgeblich am Sieg beteiligt. Und Center Kyle O'Quinn, zuletzt bei den Philadelphia 76ers, räumte unter dem Korb auf. Zudem verfügen die Türken ohnehin über Spitzenkräfte wie Spielmacher Nando De Colo (21 Punkte) oder Center Jan Vesely (15), so konnten die Gäste die harte Arbeit auf viele Schultern verteilen. "Wir haben unsere lange Bank genutzt", erklärte Danilo Barthel ins Mikrofon des übertragenden Senders Magentasport. Barthel hatte die Bayern ja vor der Saison in Richtung Fenerbahce verlassen, zu einem Klub mit Final-Four-Garantie: Die Türken erreichten die Endrunde zuletzt fünfmal nacheinander, 2017 gelang der Titelgewinn. Istanbul war bestens vorbereitet, wie Barthel noch verriet: Mit einer bissigen Defensive sollten leichte Punkte verhindert werden, und "wir wollten vor allem den drei Top-Spielern Baldwin, Lucic und Reynolds ihre Stärken nehmen".

Nichts passiert, sagt Trainer Andrea Trinchieri: "Ein Sieg und wir sind in der Spur"

Was nach Wunsch gelang, auch weil die Münchner seit Wochen auf Reserve spielen. Die fordernde Saison und vor allem die vergangene Woche mit Niederlagen in Valencia und in der Bundesliga in Hamburg hat Tribut gefordert. Immer wieder fehlen Akteure wegen Blessuren, zuletzt hatte sich Nick Weiler-Babb im Training verletzt, Trinchieri musste gegen Istanbul auf seinen wichtigsten Defensivspieler verzichten. Vielleicht ist es ein Fehler, dass der Trainer seine strapazierten Kräfte meist auch in der Bundesliga schuften lässt, in Hamburg etwa hatte nur Lucic eine Pause bekommen.

Es war schon eine halbe Stunde vor Mitternacht, als Trinchieri abgekämpft den Presseraum betrat. Er hatte sich ein paar Minuten genommen, um diese Niederlage zu verdauen. Einen Vorwurf wollte er dem Team nicht machen, wie auch? Einstellung und Kampfgeist waren tadellos. In der Offensive wurden zu viele Chancen vergeben, erklärte er. Nun bleibt die Partie gegen Kaunas am Donnerstag (20.30 Uhr, Magentasport). Die Niederlage nahm er nicht weiter tragisch, "wir haben dieselbe Ausgangssituation: Ein Sieg - und wir sind in der Spur". Bleibt die Frage, wo seine Spieler die Energie für selbigen hernehmen sollen? Trinchieri überlegte kurz, dann zuckte er mit den Schultern.

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