Basketball-Bundestrainer Pesic im Gespräch:"Ich bin sicher, dass Nowitzki Lust bekommt"

Sechs Spiele, sechs Siege: Mit dem neuen Bundestrainer Svetislav Pesic schafften die deutschen Basketballer problemlos die Qualifikation zur EM im kommenden Jahr. Der gebürtige Serbe spricht über den veränderten Spielstil seiner Mannschaft und die Chancen auf eine Rückkehr von Dirk Nowitzki.

Jonas Beckenkamp

Svetislav Pesic und der deutsche Basketball haben eine lange, gemeinsame Geschichte: 1993 feierte die Nationalmannschaft unter seiner Regie ihren bisher größten Erfolg - in der Münchner Olympiahalle lagen sich plötzlich alle in den Armen, als die DBB-Auswahl im EM-Finale Russland besiegte. Seitdem verbinden viele in Deutschland mit dem Namen Pesic großen Erfolg im Basketball. Später arbeitete der gebürtige Serbe als Trainer bei Alba Berlin, wo er ebenfalls zahlreiche Titel holte. Neben seiner Tätigkeit als Vereinstrainer blieb der heute 63-Jährige auch seiner Heimat treu: Als Nationaltrainer Jugoslawiens triumphierte er 2002 bei der Basketball-WM.

Basketball EM Qualifikation Deutschland - Schweden

Engagiert, laut, emotional: Bundestrainer Pesic bei der Arbeit an der Seitenlinie. Er selbst sagt: "Vielleicht bin ich mit dem Alter etwas ruhiger geworden."

(Foto: dpa)

Pesic fungierte außerdem u.a. als Coach in Barcelona, Rom oder Moskau, wo er die besten Klubs Europas trainierte. Seit diesem Sommer ist er wieder zurück in seiner zweiten Heimat Deutschland: Als Nachfolger von Dirk Bauermann coacht er jetzt erneut das deutsche Nationalteam - daneben ist er weiterhin verantwortlich für Roter Stern Belgrad.

SZ.de: Sie sagten neulich, für Ihren Spieler Heiko Schaffartzik sei der Korb so groß wie ein Swimmingpool. Was meinten Sie damit?

Svetislav Pesic: Heiko ist ein Spieler, der immer meint, er könne treffen. Wenn er den Korb attackiert, ist der Korb für ihn nicht so klein wie in Wirklichkeit, sondern er fühlt sich riesengroß an. Das geht nicht immer gut.

Wie praktisch, dass es im Basketball nicht nur darauf ankommt, wie sicher man wirft.

Nein, so einfach ist es nicht. Da sind viele andere Faktoren: Taktik, Defensive, Rebounds - all das zählt genauso. Eine junge Mannschaft wie unsere muss darauf achten, nicht viele Fehler zu machen. Wenn das passiert, verliert sie Selbstvertrauen und dann geht das gute Gefühl für das Spiel verloren. Meine größte Aufgabe als Nationaltrainer war zunächst, eine Verteidigungsstrategie zu etablieren, die uns schnelle Angriffe ermöglicht.

Sie haben die EM-Qualifikation mit sechs Siegen in Serie problemlos geschafft. War ihre Mannschaft so stark oder hatten die Gegner einfach kein Topniveau?

Richtig überragend sind wir noch nicht. Wir haben in der Quali nicht an diese sechs Siege in Serie gedacht, sondern immer nur an den nächsten Erfolg. Diese Partien sind gefährlich, das zeigt sich auch in anderen Gruppen. Spitzenteams wie Serbien oder die Türkei stehen gerade sehr schlecht da, sie haben große Probleme, überhaupt Zweiter in ihrer Gruppe zu werden. Auch wir hatten eine unbequeme Gruppe. Unsere Gegner Bulgarien, Schweden oder Aserbaidschan haben nicht die Qualität wie Spanien oder Russland, aber sie sind erfahren. Aber mein Team hat das, was viele nicht haben: Es bringt Enthusiasmus mit. Meine Spieler wollen etwas gewinnen.

Auffällig ist, dass das Team seit Ihrem Amtsantritt schneller und variabler spielt. Warum dieser Stilwechsel?

Als Trainer muss ich mich einserseits meinen Spielern anpassen. Andererseits sollte der Coach auch seiner Philosophie treu bleiben. Der Königsweg liegt dazwischen. Als ich mit Jugoslawien Weltmeister wurde oder mit Alba Berlin Erfolge feierte, haben wir immer Basketball gespielt, bei dem es schnell nach vorne geht. Aber das klappt nur, wenn die Verteidigung perfekt funktioniert. Meine Mannschaft ist äußerst jung, da müssen wir quasi attackieren. Kontrolliertes, abwartendes Spiel passt nicht zur deutschen Mentalität.

Unter Dirk Bauermann, Ihrem Vorgänger, wirkte die Offensive oft statisch. Grenzen Sie Ihre Spielweise bewusst von ihm ab?

Nein, so ist es nicht. Man kann mit kontrollierter Offensive genauso gewinnen wie mit Tempospiel. Entscheidend ist, wie ein Trainer diesen Sport erlebt. Ich war selbst 17 Jahre lang als Spielmacher auf Spitzenniveau aktiv und mir hat es immer gefallen, wenn es zügig nach vorne ging. Basketball ist natürlich kein Eishockey, wo es ständig in vollem Tempo auf und ab geht. Unser Spiel ist ein Rhythmuswechselsport, wo die Balance zwischen Kontrolle und Geschwindigkeit zum Erfolg führt.

Es heißt, der deutsche Basketball sei eine Herzensangelegenheit für Sie.

Ich verbrachte meine 13 besten Jahre in Deutschland. Sechs Jahre als Nationaltrainer und sieben Jahre bei Alba haben mich geprägt. Ich hatte immer das Gefühl, hier Teil der Basketball-Entwicklung zu sein. Es wäre überheblich zu sagen, dass ich mich verpflichtet fühle, aber meine Vergangenheit in diesem Land spielt eben eine Rolle. Außerdem lebt meine ganze Familie in Deutschland - mein Sohn Marko ist bekanntlich in München (er arbeitet als Sportdirektor der Bayern-Basketballer, d. Red.).

"Ich bin sicher, dass Nowitzki wieder Lust bekommt"

1993 wurde Deutschland mit Ihnen als Coach Europameister. Waren die Körbe damals auch groß wie Swimmingpools?

Ja, es wirkte für uns damals so. Aber so überraschend kam das gar nicht: Wir hatten mit der Generation um Henning Harnisch, Henrik Rödl, Mike Koch, Stephan Baeck, Gunther Behnke oder Hansi Gnad und vielen anderen auch vorher schon Erfolg. Bei der hochkarätig besetzten Universiade in Duisburg spielten wir gegen Amerikaner, Russen und gewann letztlich Bronze gegen Kanada. 1992 haben wir uns für Olympia in Barcelona qualifiziert. Dann schafften wir es 1993 zur EM, obwohl nach den politischen Veränderungen schon in der Ausscheidungsrunde viele neue Mannschaften aus Jugoslawien oder dem Baltikum dazukamen. Ich hatte vor der EM bereits ein gutes Gefühl. Für mich war der Titelgewinn dann gar keine so große Sensation.

Wie tickt im Vergleich zu damals die heutige Spieler-Generation?

Diese Jungs brauchen einfach Zeit, um sich zu entwickeln. Aber das Potenzial für Spitzenbasketball ist da. Der große Unterschied zu früher ist, dass damals pro Team nur zwei ausländische Spieler erlaubt waren. Dadurch die Nationalspieler schon lange Führungsarbeit gewohnt. Diese Typen wussten, wie enge Partien zu gewinnen sind. Außerdem hatten die Spieler schon Meisterschaften gewonnen. Das ist heute anders, weil meine Spieler es trotz allem Talent noch nicht gewohnt sind, selbst in entscheidenden Situationen Verantwortung zu übernehmen.

Warum tun sich deutsche Spieler international so schwer?

Wenn du Spitzenniveau erreichen willst, musst du Spiele selbst entscheiden wollen. Das tun in vielen Klubs immer noch zu häufig ausländische Spieler. Wer nicht in der finalen Phase auf dem Feld lernt, der verbessert sich kaum. Die heutige Generation bekommt in den deutschen Vereinen nicht genug Einsatzzeit - es fehlt oft das Vertrauen der Trainer. Aber es braucht natürlich auch die Leistungsbereitschaft der Profis. Sie müssen sich durchbeißen und immer wieder anbieten.

Was trauen Sie vielversprechenden Akteuren wie Tibor Pleiß oder Robin Benzing zu?

Sie werden eines Tages zu den besten in Europa gehören, davon bin ich überzeugt.

Viele Menschen wünschen sich immer noch eine Rückkehr von Dirk Nowitzki in die Nationalmannschaft. Sollte der deutsche Basketball nicht langsam ohne ihn auskommen?

Ja natürlich, wir stehen jetzt an einem Neuanfang. Die aktuelle Generation hat in diesem Sommer ihr Können gezeigt. Wir sind im Spitzensport, da bieten sich immer wieder jüngere Spieler an. Ich bin aber sicher, dass auch Nowitzki wieder Lust bekommt, wenn er sieht, was sich bei uns entwickelt. Grundsätzlich ist er sehr willkommen bei uns.

Sie könnten ihn also problemlos integrieren? Nach diesem Umbruch?

Klar. Dirk ist ein Gewinner. Er will immer besser werden und arbeitet hart an sich. Ich glaube schon, dass er noch hungrig ist - solche Spieler brauchen wir.

Haben Sie mit ihm gesprochen?

Noch nicht. Ich habe mit Holger Geschwindner (Nowitzkis Berater, d. Red.) gesprochen, der mit Nowitzki in Mallorca Urlaub macht. Bestimmt finden wir bald Zeit füreinander.

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