Basketball-Bundesliga:Sehnsucht nach Kreativität

Auf Bambergs entlassenen Sportdirektor Ginas Rutkauskas könnte Spieler Nikos Zisis folgen.

Von Matthias Schmid

Den dreieinhalbtägigen Kurzurlaub nach dem Pokalsieg gegen Alba Berlin haben die Spieler von Brose Bamberg auf unterschiedliche Weise ausgekostet. Bryce Taylor zum Beispiel ist mit seiner Freundin nach Österreich gefahren, in einem Wellnesshotel erholte sich der Amerikaner von den ausgiebigen Feierlichkeiten. Tyrese Rice wiederum, der mit 20 Punkten bester Werfer des Finales gegen Berlin war, schnappte sich seine Teamkollegen Patrick Heckmann und Cliff Alexander, um mit ihnen gemeinsam London zu erkunden. Und Nikos Zisis, der das Endspiel mit einem Distanzwurf 2,4 Sekunden vor dem Ende entschieden hatte, flog mit seiner Familie heim nach Thessaloniki. Erst an diesem Donnerstagnachmittag hat Cheftrainer Federico Perego seine Profis zum nächsten Training einbestellt.

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„Das wird ein wichtiger Sommer für mich und meine Familie.“ – Nikos Zisis (re., im Pokalfinale gegen Berlins Martin Hermansson) muss sich entscheiden, ob er noch weiter spielen will oder Sportdirektor wird.

(Foto: Jan Huebner/imago)

Während die Spieler also Zerstreuung suchten, arbeiteten hinter den Kulissen Management und Aufsichtsrat einige Themen ab. Die aufsehenerregendste Entscheidung war dabei die Trennung von Sportdirektor Ginas Rutkauskas - nur zwei Tage nach dem sechsten Pokalsieg der Vereinsgeschichte. Der Zeitpunkt kommt zwar überraschend, aber die Trennung hatte sich seit Längerem angedeutet. Aufsichtsratschef Michael Stoschek war zuletzt der Frage ausgewichen, ob er noch Vertrauen in die Arbeit des Litauers habe. In Bamberg wurde generell bemängelt, dass Rutkauskas bei der Kaderplanung nicht so kreativ war wie sein Vorgänger Daniele Baiesi, der mittlerweile beim deutschen Meister FC Bayern München sein Gespür für entwicklungsfähige Spieler anwendet. Auch die Bamberger wollen daran anknüpfen, was sie einst ausgezeichnet und ihnen die Bewunderung der Branche eingebracht hat. "Wir wollen gezielt zurück zu unserer Identität", teilte Geschäftsführer Arne Dirks in einem am Dienstagabend verbreiteten Kommuniqué mit, "zum Bamberger Weg, in dessen Zentrum die Entwicklung junger Spieler steht." Obwohl die Oberfranken nun mit Ü30-Veteranen wie Nikos Zisis, 35, Ricky Hickman, 33, Bryce Taylor, 32, und Tyrese Rice, 31, den Pokal gewinnen konnten, denken sie fast wehmütig an die Zeiten zurück, in denen sie bis dahin wenig beachtete Spieler wie Kyle Hines, Brad Wanamaker oder Daniel Theis entdeckt und so ausgebildet haben, dass diese von europäischen Topvereinen oder Klubs der amerikanische Profiliga NBA weggeholt worden sind. In Bamberg waren sie der Meinung, dass Rutkauskas wenig anfangen kann mit diesem anstrengenden Konzept, erst nach hoffnungsvollen Talenten im In- und Ausland fahnden zu müssen. "Bei den laufenden Planungen für die kommende Saison hat sich gezeigt, dass er und wir unterschiedlicher Auffassung über die Mannschaftszusammenstellung sind", erläuterte Dirks nun. Mit dem Abschied von Rutkauskas ist innerhalb weniger Wochen die dritte Schlüsselposition neu besetzt worden. Zunächst musste Geschäftsführer Rolf Beyer gehen, dann Cheftrainer Ainars Bagatskis, nun traf es als Letzten noch Rutkauskas. Bei der Suche nach einem neuen Sportdirektor hat Stoschek eine interne Lösung nicht ausgeschlossen. Dass der Spielmacher Zisis die Aufgabe im Sommer übernimmt, ist jedenfalls durchaus eine Option. Der Grieche selbst ist noch unentschlossen, er weiß nicht, ob er nach zwanzig Profijahren aufhören oder sich beruflich neu orientieren soll. "Ich bin für alles offen", sagte er zuletzt der Internet-Plattform Magenta Sport, auf der die Spiele der Basketball-Bundesligsten übertragen werden: "Das wird ein wichtiger Sommer für mich und meine Familie." Zisis hat als Basketballer alle wichtigen Titel in Europa errungen, er fühlt sich wohl in Bamberg, will sich bei seiner Entscheidung allerdings nicht drängen lassen. Neben der Frage, wer neuer Sportdirektor wird, ist auch ungeklärt, ob Federico Perego über die laufenden Spielzeit hinaus Cheftrainer bleibt. Einigkeit herrscht im Verein bisher nur darüber, dass er die Mannschaft bis Saisonende betreuen darf. "Ich möchte noch gar nichts zu seinem Vertrag sagen", betonte Dirks am Sonntag nach dem Pokalsieg und fügte hinzu: "Wir haben ihm jetzt das Vertrauen geschenkt, und er zahlt voll zurück."

10 09 2017 Basketball Saison 2017 2018 Pressekonferenz Saisonauftakt Brose Baskets Bamberg

Fast 20 Jahre lang war Ginas Rutkauskas bei Zalgiris Kaunas tätig, danach als Präsident von Dynamo Moskau und Generaldirektor der russischen Profiliga. 2017 kam er nach Bamberg.

(Foto: imago)

Mit dem Pokalsieg hat Perego jedenfalls seine Verhandlungsposition gestärkt. Der Italiener ist ein Jahr jünger als Zisis, der in höchsten Tönen von ihm schwärmt: "Er ist sehr intelligent und hat bei Andrea Trinchieri viel gelernt." Vielleicht hat Nikos Zisis tatsächlich Lust, Bamberg in eine neue Dekade zu führen. Nicht mehr in Sportklamotten, sondern fortan im edlen Zwirn. Daheim in Thessaloniki, am Thermaischen Golf der Ägäis, hat er sich darüber bestimmt schon ein paar Gedanken gemacht.

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