Süddeutsche Zeitung

Basketball-Bundesliga:Grenzen verschieben

Nach einer mäßigen Vorsaison ist bei Würzburg die Leichtigkeit ins Spiel zurückgekehrt - und damit auch der Erfolg.

Von Sebastian Leisgang

Es war ein vielsagenderes Bild, als in diesem Moment klar war. Hinterher meint man ja oft, dass man eigentlich schon früher hätte draufkommen können, wie die Sache am Ende ausgeht. Der vergangene Freitagabend, die Halle im Würzburger Süden, die Basketballer hatten es in ihrem ersten Heimspiel der neuen Bundesliga-Saison mit Oldenburg zu tun. Es liefen die letzten Minuten, als Denis Wucherer an der Seitenlinie stand und sich nichts anmerken ließ. Seine Mannschaft lag 80:83 zurück, die zweite Saisonniederlage nahm allmählich Konturen an, doch da stand ein Mann, der in sich ruhte und die Dinge auf dem Spielfeld geschehen ließ. Würzburgs Trainer hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben und schaute einfach vor sich hin.

Ein Bild ist gerade dann kraftvoll, wenn es etwas zu sagen hat, wenn es sich deuten lässt, wenn es über den Augenblick hinausreicht und eben nicht bloß eine Momentaufnahme ist.

Wucherer gefasst, beinahe stoisch, auch kurz vor Ende des Spiels im Wissen, dass es das noch nicht gewesen sein muss: Das war es, was sich am Freitagabend beim Anblick des Würzburgers Trainer rauslesen ließ und auch Tage später noch relevant ist. Das Bild sagt ja nicht nur über Wucherer eine Menge aus, sondern auch über seine gesamte Mannschaft.

Ein Gespräch zu Wochenbeginn. Wucherer sagt: "Ich bin sehr zufrieden, wie es bis jetzt gelaufen ist." Beim Saisonauftakt gegen Crailsheim hat sein Team zwar verloren, doch der 97:78-Sieg im Pokalspiel gegen den Mitteldeutschen BC stimmt Würzburgs Coach ebenso zuversichtlich wie der 90:88-Coup am Freitag gegen Oldenburg.

Trainer Wucherer hat wieder ein Team, das er nicht verwalten muss, sondern verbessern kann

Wer sich jetzt mit Wucherer austauscht, merkt schon nach ein paar Minuten, dass sich bei ihm etwas verändert hat, dass er, wie er dann auch selbst sagt, "wieder gerne" zur Arbeit geht. Seine Mannschaft hat nur noch wenig mit der gemein, die den Anhängern in der vergangenen Saison nur selten Freude bereitet hat. "Wir haben jetzt Jungs, die wissen, wo der Korb hängt", sagt Wucherer und nennt das Vorjahr in seinem nächsten Satz auch deshalb "schwierig", weil es da nicht allzu lange gedauert hat, ehe Würzburg an Grenzen stieß. "Im Leistungssport will jeder jeden Tag besser werden", sagt Wucherer, "letztes Jahr wusste ich aber schon acht Wochen vor Saisonende, dass wir nicht mehr besser werden. Da ging es nur noch darum, irgendwie ein, zwei Spiele zu gewinnen." Das gelang zwar, Wucherer ist aber froh, in diesem Jahr Spieler um sich zu haben, die ihn wieder zu dem machen, was er ist: ein Coach.

Wucherer, 48, verwaltet jetzt nicht mehr nur, er verbessert. Und, das ist es, was das Bild des Freitagsabends so kraftvoll werden lässt: Nicht nur der Coach, sondern auch seine Mannschaft hat dieses Jahr eine gewisse Lockerheit an sich.

"In der Offensive ist unser Spiel nicht mehr so konstruiert wie letztes Jahr", weiß Wucherer, "einer hat einfach mal eine gute Idee. Diese Leichtigkeit macht es aus." Und diese Leichtigkeit lässt Würzburgs Trainer mittlerweile auch darüber hinwegsehen, dass sein Team bei der Niederlage gegen Crailsheim im dritten Viertel derart schwach war, dass am Ende ein 84:111 stand. "Scheinbar ist das doch nicht Teil unserer DNA, was wir in diesen zehn Minuten gezeigt haben", sagt Wucherer, räumt mit Blick auf das Gesamtkonstrukt aber ein: "Wir müssen noch eine Verteidigung finden, die zu uns passt. Im Angriff sieht es schon ganz gut aus."

Unter dem gegnerischen Korb ist auf Desi Rodriguez ebenso Verlass wie auf William Buford. Beide hat es erst vor dieser Saison nach Unterfranken verschlagen, beide sind aber schon jetzt erstaunlich präsent im Würzburger Spiel. Und weil dann auch noch Cameron Hunt einen Schritt weiter ist als im Vorjahr, kann es Wucherers Mannschaft auf einmal mit Gegnern wie Oldenburg aufnehmen, einem Team, von dem Würzburg in der vergangenen Saison einmal mit vierzig, einmal gar mit fünfzig Punkten Unterschied gedemütigt wurde.

Sowas soll in dieser Saison nicht mehr vorkommen. Weil die Lockerheit zurück ist. Weil Würzburg mit seiner neuen Mannschaft Grenzen verschieben und nicht so schnell erreichen will. Und, das ist das Entscheidende: Weil Wucherer die Spieler wieder verbessert und nicht bloß den Ist-Zustand verwaltet.

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