Süddeutsche Zeitung

Basketball-Bundesliga:Erst Umbruch, dann Aufbruch

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Medi Bayreuth muss sich mit kleinerem Etat und einer neuen und sehr jungen Mannschaft neue Ziele setzen. Der erste Schritt ist der Klassenverbleib.

Von Christoph Leischwitz

Der Abschied nach dem ersten Wiedersehen fiel üppig aus. Raoul Korner umarmte alte Bekannte, er schüttelte viele Hände, gab nach dem Spiel Autogramme, winkte, winkte nochmal, dann erst verließ er die Oberfrankenhalle. Sechs Jahre war der Österreicher Trainer von Medi Bayreuth, ganz offensichtlich haben sie den 48-Jährigen dort in guter Erinnerung behalten. Und natürlich waren sie auch nicht allzu sauer, dass er mit seinem neuen Team, den Hamburg Towers, die Punkte mitgenommen hatte. Dieses 79:95 war eine erwartbare Niederlage am vergangenen Samstag, in Bayreuth haben sie in dieser Saison auch hochoffiziell überhaupt nicht eingeplant, die Playoffs zu erreichen. Und das war ja auch ein Grund, warum Korner gegangen war nach so langer Zeit: Weder die sportliche noch die wirtschaftliche noch die infrastrukturelle Perspektive hatte sich verbessert.

Deshalb ist es auch fair zu sagen, dass bei Medi Bayreuth jetzt erstmal das Tempo raus ist. Der Vierzehnte der Vorsaison steckt in einer Konsolidierungsphase, von der noch gar nicht absehbar ist, wie lange sie dauern wird. Der Haupt- und Namenssponsor hatte sich schon zurückgezogen, dann aber das Namenssponsoring verlängert, um den Verein nicht im Regen stehen zu lassen. "Die Erwartungen müssen runterkommen. Die Grundvoraussetzung ist, mit geringerem Budget die Klasse zu halten", sagte Bayreuths Geschäftsführer Johannes Feuerpfeil folglich vor dem Saisonstart. So wurde ein neuer Kader zusammengestellt, dem es womöglich gar nicht so sehr an Qualität, aber an Erfahrung mangelt: Vier der zwölf Kaderspieler sind erst im Jahr 2000 oder später geboren. Die Aufgabe lautet nun, den gegnerischen Spielfluss zu stören, also defensiv gut zu stehen, mit jugendlicher Dynamik selbst das Tempo hochzuhalten und so möglichst viele Spiele zu gewinnen.

Gegen Hamburg gelang es lediglich in kurzen Phasen, jenes schnelle Angriffsspiel zu unterbinden, das Raoul Korner gerne vorgibt. Weil jedoch die physische Präsenz fehlte, um Hamburg ernsthaft zu gefährden, fand Routinier Bastian Doreth nach dem Spiel deutliche Worte. Man habe es an "Intensität vermissen lassen", sagte er bei Magentasport, er nahm auch das Wort "Einstellung" in den Mund, diese müsse sich dringend ändern, wenn man am kommenden Samstag mal wieder etwas mitnehmen wolle. Da reisen die Oberfranken zum Mitteldeutschen BC, das Pokal-Achtelfinale steht dann an. "Wir müssen dieses Spiel als Motivation sehen, uns weiterzuentwickeln und aus diesen Fehlern zu lernen", befand auch Trainer Lars Masell. Er kennt Korners Spiel natürlich in- und auswendig, acht Jahre lange haben die beiden zusammengearbeitet; der 42-jährige Masell war Assistent, ihm fehlt noch die Erfahrung auf der Chefcoach-Position. Klar ist ihm aber auch: Wenn die Physis fehlt, wird es ganz schwer für Bayreuth, überhaupt nur den sportlichen Status quo zu halten, sich also zwischen Platz neun und Platz 15 zu etablieren.

Ein paar der neuen Spieler sind offensiv eine Bereicherung - allen voran Point Guard Brandon Childress

Immerhin, zum Saisonauftakt haben sie schon einmal gewonnen, gegen die Skyliners, mit 83:82 nach Verlängerung. Danach verloren sie in Oldenburg nur knapp 72:76. Es deutete sich bereits an, was nun schon als Gewissheit gelten darf: Ein paar der neuen Spieler sind offensiv eine Bereicherung. Allen voran Point Guard Brandon Childress, der in der Liga aktuell auf den fünftbesten Punkteschnitt kommt (20). Der 25-Jährige aus dem US-Bundesstaat Michigan kam aus der ersten estnischen Liga. Sein Trainer Masell findet, dort habe er bereits bewiesen, dass er eine unerfahrene Mannschaft anführen könne - obwohl er selbst gar nicht so viel Erfahrung mitbringt. Darüber hinaus kam Shooting Guard Ahmed Hill gegen Hamburg auf 18 Punkte. Vielsprechend ist auch, dass die Mannschaft im Schlussviertel immer noch einmal zulegen kann. Doch das Hauptproblem wurde ebenfalls sichtbar: Vieles im Spiel ist noch Stückwerk, punktemäßig mithalten kann die Mannschaft bislang nur dank vieler guter Einzelaktionen.

Ziel sei es, sagt Feuerpfeil, mit dem jungen Team eine "Aufbruchstimmung" zu erzeugen, um sich so in der Liga zu halten. Dem neuen Chefcoach Masell trauen sie diese Aufgabe natürlich zu, zumal ihm seine Hauptaufgabe der vergangenen Jahre nun zugute kommt: junge Spieler ausbilden. In drei bis fünf Jahren, schätzt und hofft der Geschäftsführer, könne man dann wieder "einen ernsthaften Anspruch erheben, um die Playoffs mitzuspielen". Das große Thema sei aber, in der Zwischenzeit den Standort zu verbessern. "Mittelfristig muss sich was tun in Sachen Infrastruktur", sagt Feuerpfeil. Die Sache mit der Aufbruchstimmung sollte also nicht auf die Mannschaft beschränkt bleiben.

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