Süddeutsche Zeitung

Basketball-Bundesliga:Ein verrücktes Jahr

Nach Engagements in China und Israel, einer Million Dollar und einer Taufe ist Deon Thompson zu den Bayern zurückgekehrt.

Von Philipp Schneider

Deon Thompsons Twitterauftritt sieht inzwischen so aus wie der eines gut organisierten Reiseveranstalters. Wühlt sich einer dort durch die Reihen von Bildern mit Basketbällen, Konfettiregen, Trikots und Pokalen, gibt es eine ganze Menge zu entdecken von der Welt: Thompson steht in Peking auf dem Platz des Himmlischen Friedens und lächelt. Thompson sitzt in Venedig neben seiner Mutter in einer Gondel, sie halten auf die Rialtobrücke zu. Thompson steigt an einem Strand auf Sansibar in ein wacklig aussehendes Holzschiffchen. Und natürlich: Thompson steht mit seinen Beinen in einem Fluss, er senkt den Kopf und Wasser tröpfelt aus seinen Haaren. Das Bild datiert vom 12. Juni, darunter steht: "So ein großartiger Tag, habe mich taufen lassen im Jordan!"

Mit den Liaoning Flying Leopards erreichte er die Finalserie

Elf Wochen später sitzt Deon Thompson in der gepflegten Gartenanlage eines feinen Hotels im norditalienischen Riva del Garda. Soeben hat er mit viel Hingabe von seinen Wochen in Israel erzählt, wo er mit Hapoel Jerusalem die erste Meisterschaft der Klubgeschichte gewann. Wo er sich mit einem Priester anfreundete, der ihm dann vorschlug, sich doch endlich taufen zu lassen. Und wo er "ganz großartiges Essen" kennenlernen durfte, das ganz anders schmeckte als das "ungewöhnliche Essen in China", wohin es ihn ja zunächst verschlagen hatte nach seinem Abschied aus München. Dann plumpst Thompson zurück in die Lehne, er sagt: "A crazy year!"

Für die Basketballer des FC Bayern München war das vergangenen Jahr etwas weniger verrückt. Dafür war es ärgerlich: Ohne ihren Power Forward Thompson, der auch auf der Position des Centers spielen kann, verlor die Mannschaft von Trainer Svetislav Pesic das Finale gegen Bamberg und damit den Titel des deutschen Meisters. Thompson hatte sich zuvor gegen einen Verbleib bei den Münchnern entschieden und war zu den Liaoning Flying Leopards in die erste chinesische Liga gewechselt. Von dort zog er nach Ende der Saison im März weiter nach Jerusalem. Aber jetzt ist er wieder zurück, der verlorene Sohn, im Trainingslager der Bayern am Gardasee. Er sagt: "Weil man spürt, dass hier alle viel vorhaben." Bestärkt wurde dieser Eindruck durch das 76:67 gegen den italienischen Erstligisten Dolomiti Trentino. Thompson war mit 13 Punkten drittbester Scorer der Bayern. Er zeigt also aufsteigende Form, auf die Frage, wann er denn Thompson zurückholen wollte, sagt Sportchef Marko Pesic: in dem Moment, "als Deon nicht zurückgekommen ist".

Wenn einer nicht zurückkommt, ist das meist trauriger, als wenn sich jemand verabschiedet und verschwindet. Weil es überraschender geschieht. Thompsons Weggang nach China war schon auch etwas überraschend, obwohl ihn der Spieler selbst als durchaus logisch empfindet: "China ist finanziell betrachtet nach den USA der beste Markt. Da gibt es ehemalige NBA-Profis, die verdienen eine Million Dollar". Und er, Thompson? "Ich auch. In vier Monaten".

Natürlich spricht es für die Ehrlichkeit des Sportmanns Thompson, dass er seine damaligen Motive so offen anspricht. Und auch die Gründe, weswegen er nun wieder da ist. Er hat festgestellt, dass "die chinesische Liga bei den Euroleague-Klubs nicht sonderlich angesehen ist". Es geht ihm also um seine sportliche Reputation. Und darum, sich den Ruf eines Söldners gar nicht erst zu verdienen. Sportchef Pesic sagt, er habe das ganze Jahr lang Kontakt zu ihm gehalten. Im Februar sei es fast schon zu einem vorzeitigen Wechsel gekommen. Weil sich aber Thompson auch in China für die Finalserie qualifizierte, war Anfang März die Wechselfrist der BBL überschritten.

Svetislav Pesic ist überzeugt von Thompsons Ehrgeiz und Trainingsfleiß. Oft schiebt der 26-Jährige aus Torrance, Kalifornien, Sonderschichten nach dem Mannschaftstraining - er bleibt dann in der Halle und wirft Ewigkeiten auf den Korb. Pesic schätzt das, aber er sagt: "Sein Problem ist, dass er ein bisschen ungeduldig ist. Er hat in einer Collegemannschaft gespielt, mit Spielern, die anschließend sehr viel Geld verdient haben in der NBA. Deshalb war es wichtig, dass er mal nach China gegangen ist, wo er sportlich nicht viel profitiert hat, aber den Unterschied kennengelernt hat zu Klubs wie dem FC Bayern."

"Er muss erst mal fit werden", sagt Sportchef Marko Pesic

Thompson hat 2009 mit den berühmten "Tar Heels" der University of North Carolina, für die einst auch Michael Jordan spielte, die NCAA-Meisterschaft gewonnen. Ein Jahr danach wechselte er im Gegensatz zu vielen seiner Mannschaftskollegen nach Griechenland, zum Athener Klub Ikaros Kallitheas. "Ich war der einzige aus der Starting Five, der keinen Vertrag in der NBA unterschrieb", sagt Thompson, und man hört raus, dass er diese Entwicklung nicht als Schicksal akzeptieren möchte.

Deon Thompsons lukratives Wanderjahr hat ihm sportlich kaum geschadet, vor allem ein Titelgewinn in Israel ist keine Selbstverständlichkeit. Okay, er wirkt derzeit noch etwas fleischig. "Er muss erst mal fit werden", sagt Marko Pesic: "Aber jeder Spieler muss in der Vorbereitung zwei bis drei Kilo abnehmen. Und man merkt, dass er muskulär kräftiger geworden ist." Auch stört es bei den Bayern, die für das kommende Jahr den Titel versprochen haben, niemanden, dass er sich nur für ein weiteres Jahr gebunden hat. "Mal sehen, wie das Jahr läuft", sagt Thompson. Er sei zwar erst 26, "aber in den nächsten zwei oder drei Jahren will ich einen Platz gefunden haben, wo ich mich niederlassen kann."

In der NBA? You know, "als Basketballprofi träumst du doch immer vom höheren Level".

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SZ vom 28.08.2015
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