Süddeutsche Zeitung

Basketball-Bundesliga:Der Krieger

Felix Hoffmann ist gebürtiger Würzburger und spielt schon jahrelang in der Basketball-Bundesliga - doch meist wurde er in der Öffentlichkeit nur als Integrationsbeauftragter wahrgenommen. Erst jetzt hat er seine Rolle auf dem Parkett gefunden.

Von Sebastian Leisgang

Dass die Vorhölle ein Platz mit Parkettboden, zwei Körben und einer großen Uhr ist, das hat Felix Hoffmann am vergangenen Wochenende erkannt. Samstagabend, Basketball-Bundesliga, Hoffmanns Würzburger spielten in Oldenburg und wurden derart vorgeführt, dass sie schon zur Halbzeit aussichtslos zurücklagen. Am Ende stand ein 84:124, es war eine Demütigung, eine Erniedrigung. Nach dem Spiel trat der junge Joshua Obiesie vor die Kameras, die Locken an den Seiten abrasiert, ein rotes Handtuch um den Hals gelegt. Bevor Obiesie, 20, etwas sagte, zuckte er mit den Schultern, dann meinte er: "Passiert. Wir sind jung. Gehört dazu."

Wenn man jetzt, ein paar Tage später, Felix Hoffmann auf Oldenburg anspricht, dann sagt er nicht: "Passiert." Er sagt auch nicht: "Gehört dazu." Felix Hoffmann, 31, sagt dann: "Mit vierzig Punkten zu verlieren, das kratzt am Stolz." Gerade bei einem wie ihm, den sie Würzburg Warrior nennen, Krieger.

Viereinhalb Jahre ist es her, dass Hoffmanns Bundesliga-Karriere ihren Anfang nahm. Damals, Hoffmann erzählt es, als sei es erst vor ein paar Tagen gewesen, damals kam er aus einem Thailand-Urlaub nach Hause und erhielt einen Anruf von Douglas Spradley, dem damaligen Würzburger Trainer. Hoffmann war eigentlich für die zweite Mannschaft vorgesehen, am Telefon sagte Spradley aber: "Felix, wir brauchen dich. Wir haben viele Verletzte."

Hoffmann erzählt die Geschichte mit einem gewissen Amüsement, er weiß ja, wie sie ausgeht: dass er, die Aushilfe von einst, inzwischen der Kapitän des Teams ist. Ein Aufstieg, der darauf gründet, dass er eben nicht sagt: "Passiert."

Hoffmann habe "schon immer den Laden zusammengehalten", sagt Trainer Denis Wucherer

Hoffmann habe "schon immer den Laden zusammengehalten", sagt Spradleys Nach-Nachfolger Denis Wucherer. Er meint: Hoffmann, der gebürtige Würzburger und Publikumsliebling, sorgt sich ums große Ganze. Er zeigt neuen Spielern die Stadt, stellt Kontakte her, organisiert Mannschaftsabende. Lange Zeit ist Hoffmann in der Öffentlichkeit auch nur in dieser Rolle wahrgenommen worden. Als Integrationsbeauftragter, als Mann fürs Miteinander.

"Mittlerweile", sagt Wucherer, "ist Felix aber auch auf dem Parkett sehr wichtig für uns - gerade in der Verteidigung, wenn's um Einsatz geht, um Einstellung, ums Dagegenhalten." Es gebe oft Spiele, betont Würzburgs Trainer, da falle auf den ersten Blick gar nicht auf, wie wertvoll Hoffmann sei. Wucherer erinnert sich an Bonn, jenen Gegner, gegen den seine Mannschaft vor knapp vier Wochen gewonnen hat. Vier Würzburger trafen zweistellig, in Hoffmanns Statistik standen nach fast 27 Minuten Einsatzzeit nur vier Punkte; wenn Wucherer jetzt aber über das Spiel nachdenkt, daran, welche Energie und welche Leidenschaft Hoffmann eingebracht hat, an all das, was sich in Zahlen gar nicht erfassen lässt, dann sagt er: "Felix war der beste Mann."

"Als Kind war ich Fan, da habe ich bei den Spielen in der Halle zugeschaut."

Es ist nicht immer leicht, in einer Gruppe seinen Platz zu finden. Manche Spieler kommen und haben ihn auf Anhieb, manche, gerade im Basketball, kommen und gehen wieder, ohne ihren Platz jemals gefunden zu haben. Und manche, siehe Hoffmann, kommen und finden ihren Platz erst später. "Als Kind war ich Fan", erzählt Hoffmann, "da habe ich bei den Bundesligaspielen in der Halle zugeschaut - jetzt habe ich eine tragende Rolle in dieser Mannschaft." Kurze Pause, dann schickt er hinterher: "Und das nicht nur, weil ich gut für die Chemie bin. Ich habe meine Rolle mittlerweile gefunden und verstehe es jetzt, der Mannschaft zu helfen."

In dieser Saison hat Hoffmann den größten Schritt gemacht. Er, der die anderen all die Jahre auf ihrem Weg begleitet hat, geht jetzt selbst voran. Hoffmann ist jetzt ein Anführer.

An diesem Mittwoch trifft Würzburg auf den FC Bayern. Es ist das erste von drei Heimspielen in sieben Tagen. Vierzig Minuten, die vor dem Hintergrund des vergangenen Wochenendes wie geschaffen sind für einen wie Hoffmann. Dieses 84:124 am Samstagabend in Oldenburg, es war eine verheerende Niederlage, die höchste, die Würzburg jemals in einer Bundesliga-Hauptrunde anerkennen musste. Und jetzt kommen die Bayern, "eine der acht besten Mannschaften, die es in Europa momentan gibt", sagt Wucherer.

Sein Team wird sich also ganz schön steigern müssen, gerade in der Verteidigung, in jener Zone, in der es um Einsatz geht, um Einstellung, ums Dagegenhalten.

Er habe sich vorgenommen, sagt Hoffmann, in den ersten Minuten des Spiels ein Zeichen zu setzen. Sowas wie in Oldenburg, als es die Mannschaft am Ende über sich ergehen ließ, das dürfe schließlich nicht noch einmal passieren. Das Spiel gegen den FC Bayern ist ja auch das: eine günstige Gelegenheit, die Schmach von Oldenburg vergessen zu machen.

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