Süddeutsche Zeitung

Basketball:Hoffnung im Tal der Tränen

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Der Trainerwechsel bei Brose Bamberg zeitigt langsam Ergebnisse: Wichtiger als der späte Sprung in die Playoffs ist dabei die positive Entwicklung unter dem neuen Coach Oren Amiel.

Von Ralf Tögel

Wenn man die nackten Zahlen zu Rate zieht, ist das Wirken von Oren Amiel nicht viel besser als das seines Vorgängers Johan Roijakkers. Zur Erinnerung: Den Holländer hatten die Bamberger Basketballer Ende November vom Hof gejagt, zu unstet agierte das Team, zu heftig waren die Ausschläge in der Leistungskurve nach unten. Erst die verpasste Qualifikation in der Champions League, dann vier Niederlagen in fünf Spielen. Insgesamt fünf Siege und vier Niederlagen standen für den Trainer nun zu Buche, die 80:100-Heimpleite gegen Bonn, die Geschäftsführer Philipp Galewski als "peinlichen Offenbarungseid", bezeichnete, war zu viel - er zog die Reißleine.

Orien Amiels Bilanz lautet: 13 Siege und 12 Niederlagen. Keine signifikante Verbesserung, aber von den letzten fünf Spielen wurden vier gewonnen. Der ehemalige Serienmeister schaffte noch den Sprung in die Playoffs, der Supergau war abgewendet. Aber was hat sich nun genau geändert? "Wir stellen eine Mentalitätsentwicklung fest", erklärt Galewski, beim jüngsten 77:67-Erfolg gegen die Hamburg Towers sei der Funke vom Publikum auf die Mannschaft übergesprungen wie zu besten Bamberger Zeiten: "Das wieder Freak City, die Halle hat gebebt", fand Galewski. Eine Entwicklung, die dem Trainer zugeschrieben wird: "Oren ist Teamplayer, er versucht mit der Mannschaft eine Identität aufzubauen, die Fans lieben ihn."

Der neue Trainer findet den richtigen Ton zu den Spielern, vor allem Prewitt und Robinson blühen auf

Der Trainer selbst bleibt bescheiden, viel habe er nicht geändert: "Ich habe eine Spielphilosophie, die mit einer guten Verteidigung beginnt und vorne den freien Mann sucht. Es hat etwas gedauert, bis wir meine Vorstellungen umsetzen konnten." Das war der Plan, Bamberg sucht nach einer enormen Fluktuation auf der Trainerposition wieder nach Beständigkeit. Dabei missriet der Start, erzählt Galewski: "Das war nicht immer schön anzusehen, die Mannschaft hat uns oft ins Tal der Tränen geschickt". Nun aber hätten die Spieler Amiels Philosophie verinnerlicht, was die traditionell verwöhnten Zuschauer honorieren: "In den letzten Wochen ist ein Band zwischen den Fans und uns entstanden, das sehr eng geworden ist", sagt Amiel. "Sie sind großartig und wir versuchen alles, um ihnen etwas für ihre Unterstützung zurückzugeben."

Augenfällig sind vor allem Leistungssteigerungen bei Führungsspielern. Bei Flügelspieler Omar Prewitt etwa, einer der förmlich explodieren und so ein Team mitreißen kann - unter Roijakkers war er oft unauffällig. Oder bei Spielmacher Justin Robinson, auch er blüht auf. "Man muss die Spieler kitzeln, muss sie fordern und fördern. Da mache ich bei keinem eine Ausnahme. Prewitt ist ein unglaublicher Spieler, der heiß laufen kann, wenn er das nötige Selbstvertrauen hat. Das haben wir versucht, ihm zurückzugeben. Bei Justin ist es ähnlich. Wir haben seine Rolle etwas verändert, lassen ihn von der Bank kommen. Das gibt ihm mehr Kraft in den entscheidenden Phasen. Dass er werfen kann, das weiß mittlerweile die ganze Liga."

Zu Amiels Amtsantritt hatte Galewski das Erreichen der Playoffs als Ziel ausgegeben, das ist abgehakt, eine Vertragsverlängerung, auch wenn Galewski die Playoffs abwarten will, sehr wahrscheinlich. Erste Weichen in die Zukunft sind bereits gestellt, mit Kapitän Christian Sengfelder wurde bis 2025 verlängert, um den National-Center soll ein neues Team aufgebaut werden. Dabei dürfte sich auch Amiel einbringen, der ja das Team des Vorgängers übernehmen musste. Roijakkers hatte völlig freie Hand, das soll sich in der kommenden Saison ändern. Es werde einen Budget geben, ei dem "Oren sportlich entscheiden wird", sagt Galewski, "aber im Austausch mit dem Verein." Der gibt den wirtschaftlichen Rahmen vor. Mehr gebe es jetzt nicht mitzuteilen, am Wochenende startet Brose mit zwei Spielen in Berlin in die Best-of-five-Serie (Freitag, 19 Uhr, Sonntag, 18 Uhr) des Viertelfinals um den deutschen Titel. Mit einem guten Gefühl, wenngleich Bamberg beim Meister und Vorrunden-Primus Außenseiter ist. Galewski sagt: "Jetzt ist alles möglich."

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