Süddeutsche Zeitung

Basketball:Rein ins Schaufenster, aber ohne Zuschauer

Die Basketball-Bundesliga darf ihre Saison mit einem Turnier in München fortsetzen. Die Funktionäre ermuntern andere Sportarten, es ihnen nachzumachen.

Von Joachim Mölter

Die Basketball-Bundesliga (BBL) darf ihre im März wegen der Corona-Pandemie unterbrochene Saison fortsetzen und im Juni bei einem Turnier in München ihren Meister auf sportlichem Weg ermitteln. Entsprechende Pläne der BBL wurden am Dienstag vom zuständigen bayerischen Kabinett genehmigt. Florian Herrmann, der Leiter der Staatskanzlei, lobte die Liga dabei für "ein sehr überzeugendes Hygienekonzept" und erklärte: "Deshalb konnte man bei der aktuellen positiven Entwicklung mit Überzeugung Ja sagen."

Ein "Nein" wäre auch schwierig zu vermitteln gewesen. Denn das Konzept der BBL basiert auf dem der Deutschen Fußball Liga (DFL), die ihren Betrieb ja bereits wieder anlaufen lassen durfte. Es geht sogar noch darüber hinaus: Geplant ist, die zuvor umfangreich getesteten Mannschaften während des Turniers in einem Münchner Hotel abzuschotten, und da sie in dieser Zeit keinen Kontakt zu Außenstehenden haben sollen, nicht mal zum Hotelpersonal, kann sich theoretisch niemand mit dem Coronavirus anstecken.

Da sind die Kicker bei ihren ständigen Reisen durch die Republik deutlich größeren Risiken ausgesetzt. BBL-Präsident Alexander Reil appellierte in diesem Zusammenhang bereits an Spieler, Trainer und Betreuer: "Diese besondere Situation erfordert jetzt von allen Beteiligten ein hohes Maß an Bereitschaft und Disziplin."

Die Situation sei "sehr weit weg von einem Optimum", sagt Alba-Manager Baldi

In der Basketball-Szene war die Freude über den positiven Bescheid groß. "Wir sind sehr glücklich, dass sich die viele Arbeit gelohnt hat. Alle haben zusammen wochenlang dafür gekämpft, dass der Basketball in Deutschland eine Plattform erhält, um den Fortbestand unseres Sports zu sichern", sagte Marko Pesic, der Geschäftsführer des ausrichtenden FC Bayern München. Sein Bamberger Kollege Arne Dirks sagte: "Wenn es jetzt eine Möglichkeit gibt, die Saison sportlich zu beenden, ist das eine hervorragende Sache." Marco Baldi, der Manager von Pokalsieger Alba Berlin, hatte bereits vor der Entscheidung von einer "filigranen Brücke in die nächste Saison" und einem "wichtigen Schritt in die Zukunft" gesprochen. Er räumte jedoch ein: "Wir wissen, dass die Durchführung eines solchen Turniers, an einem einzigen Ort und ohne Zuschauer in der Halle, sehr weit weg von einem Optimum ist."

Wie bei den Fußballern dürfen auch bei den Begegnungen der Basketballer keine Zuschauer in die Arena. Alle Spiele werden im Internet von Magentasport übertragen, dem TV-Partner der Basketballer; einige ausgewählte sind auch frei empfangbar beim Fernsehsender Sport 1 zu sehen. Im Gegensatz zur DFL strebt die BBL bei ihrer Saisonfortsetzung allerdings nicht danach, noch etliche Millionen Euro an TV-Einnahmen zu sichern, die sind bei den Basketballern dafür viel zu gering. Sie betreiben da eher Schadensbegrenzung, indem sie Regressforderungen ihrer Sponsoren vermeiden. In erster Linie geht es den Basketballern freilich darum, "nicht komplett von der Bildfläche zu verschwinden", wie es Crailsheims Geschäftsführer Martin Romig neulich in einem Podcast von Magentasport formulierte.

BBL-Geschäftsführer Stefan Holz erklärte unlängst in einer Videokonferenz mit Medienvertretern die Strategie der Liga damit, man wolle nicht um Jahre in der zuletzt erfreulichen Entwicklung zurückgeworfen werden. Angesichts der Omnipräsenz des Fußballs sieht er zudem "eine Möglichkeit, mit unserem Re-Start eine andere Sportart daneben zu stellen". Er wolle "die BBL ein Stück weit ins Schaufenster stellen, auch ohne Zuschauer in der Halle".

Holz versteht das Engagement der BBL explizit auch als Ermunterung für weitere Sportarten. Eishockey, Handball und Volleyball, die anderen großen Teamsportarten hierzulande, haben ihren Spielbetrieb ja allesamt abgebrochen wegen der Corona-Pandemie. Da jedoch damit zu rechnen ist, dass auch in der nächsten Saison zunächst noch keine Zuschauer in die Hallen gelassen werden, verstehen die Basketballer ihr Titel-Turnier samt Sicherheitskonzept auch als Blaupause für einen künftigen Geisterspielbetrieb. Die Erfahrungen, die sie jetzt sammeln, wollen sie jedenfalls nutzen als die "filigrane Brücke in die nächste Saison", von der Baldi sprach. So gesehen ist das Münchner Turnier eine Investition in die Zukunft - "das wird eine Million sein oder mehr", schätzt Holz.

Um den Spielbetrieb wieder aufzunehmen, fehlt den Klubs freilich noch die Erlaubnis der örtlichen Gesundheitsämter, ins Mannschaftstraining einsteigen zu dürfen. Bislang hielten sich die Profis individuell fit, an einigen Standorten waren die Hallen bis vor Kurzem noch geschlossen, an anderen durften Spieler zumindest in Kleingruppen trainieren. Einige Klubs warten auch noch auf die Rückkehr von ausländischen Spielern, die im Laufe dieser Woche eintreffen und umgehend auf eine Corona-Infektion getestet werden sollen.

In den nächsten Tagen soll auch der genaue Spielplan des Turniers veröffentlicht werden, vorgesehen ist, dieses zwischen dem 6. und dem 28. Juni abzuwickeln. Zehn Bundesligisten machen mit, sieben haben auf die Teilnahme verzichtet und ihre Saison beendet; sie werden später ans Ende des Klassements versetzt. Die teilnehmenden Teams sind in zwei Gruppen aufgeteilt: In der einen treffen Titelverteidiger FC Bayern, Crailsheim, Oldenburg, Göttingen und Ulm aufeinander, in der anderen Pokalsieger Alba Berlin, Ludwigsburg, Vechta, Bamberg und Frankfurt. Nach der Vorrunde folgen drei K.-o.-Runden, Viertelfinale, Halbfinale, Finale, jeweils mit Hin- und Rückspiel.

Dabei sollen zwei Partien pro Tag im Audi Dome ausgetragen werden und alle Mannschaften mindestens einen Tag Pause zwischen den Einsätzen haben. Das ganze Format ist neu und ungewohnt und der Corona-Krise geschuldet. Aber Berlins Trainer Aito Garcia Reneses, 73, findet: "Es ist besser, diesen Wettbewerb zu spielen, als gar keinen."

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SZ vom 20.05.2020/ebc
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