Da wäre zum Beispiel die Sache mit den Aufklebern, Friedrich Hartung erwähnt sie nur nebenbei, in einem Halbsatz. Wenn es dahinfließt, wenn der Geschäftsführer der Bayreuther Basketballer ins Reden kommt, kann so eine beiläufige Bemerkung schon mal untergehen, weil alles, was Hartung sagt, druckreif ist. Doch die Aufkleber sind wichtig, weil sie nicht nur Aufkleber sind. Die Aufkleber sind ein Symbol. Für Endlichkeit, für die Grenzen, an die Bayreuth in der Oberfrankenhalle stößt. Oder, um es gleich mal etwas höher einzuhängen: für das große Ganze, um das es gerade geht.
Ein Vormittag in dieser Woche, Hartung, 29, spricht über die Herausforderungen, mit denen sein Klub zu tun hat. 2023 ist Bayreuth nach 13 Bundesliga-Jahren abgestiegen. In der vergangenen Saison wurden die Oberfranken Elfter, und jetzt, nach den ersten fünf Spielen der neuen Runde, da hat die Mannschaft exakt null Punkte.
Zerbricht da also gerade was? Droht der Sturz ins Bodenlose?
Bei dieser Frage kommt Hartung nach einiger Zeit auch auf die Aufkleber zu sprechen. Sponsoren gäben sich nicht damit zufrieden, wenn ihr Logo bloß auf dem Parkett der Oberfrankenhalle klebt, sagt Bayreuths Geschäftsführer. Sie hätten gerne eigene Stände und Flächen, um mit den Fans in Kontakt zu kommen, aber das gibt die Oberfrankenhalle nicht her. Deshalb sagt Hartung jetzt: „Für die Pro A haben wir eine super Spielstätte, aber diesen Satz kann ich in fünf Jahren wahrscheinlich nicht mehr so aussprechen, weil sich die Liga rasant entwickelt.“ Und in Bayreuth, an diesem langjährigen Bundesliga-Standort, tut sich kaum etwas: „Ich habe Verständnis für die Stadt, aber was ich vermisse, sind Gespräche und Lösungsvorschläge, die in der Zukunft funktionieren können.“ Aber die gibt es nicht.
Bayreuth ist eine Beamtenstadt – das sagte schon der mittlerweile ausgeschiedene Alleingesellschafter Carl Steiner
Ein Schwenk in die Bayreuther Innenstadt, in dieses Café, in dem Carl Steiner vor rund eineinhalb Jahren saß. Schon damals waren es düstere Zeiten, der Klub steckte im Abstiegskampf der Bundesliga, und Steiner, der Alleingesellschafter, hatte seinen Rückzug nach knapp vier Jahrzehnten angekündigt. Er wirkte nicht amtsmüde im Café, im Gegenteil: Steiner war voller Energie, er wollte das Ruder vor seinem Abschied noch mal herumreißen – als es um das Umfeld ging, klang aber doch eine gewisse Resignation durch. Eine überschaubare Industrie-Landschaft, kaum Unterstützung der Politik, Bayreuth sei eine Beamtenstadt, meinte Steiner an jenem Tag im Café. Und ist damit eigentlich nicht schon alles gesagt?
Hartung entgegnet: „Ich werde Carl Steiner definitiv nicht widersprechen, sagen wir es mal so.“ Kurze Pause, dann formuliert er noch diesen einen Satz, der ziemlich tief blicken lässt: „Man fragt sich schon, wenn man die rasante Entwicklung an anderen Standorten sieht, was passiert, wenn wir den Weckruf nicht wahrnehmen.“
Der Weckruf, das sind all die Fortschritte, die andere Vereine machen, während Bayreuth immer wieder in Sackgassen hineinläuft. „Die Trainingsbedingungen entsprechen eher einem Regionalligisten als einem Bundesligisten“, sagt Hartung und räumt damit offen ein: Bayreuth, dieser Klub, der mal so groß war, hat den Anschluss verpasst.
1988 hielten die Oberfranken den Pokal in den Händen, ein Jahr später verteidigten sie ihn nicht nur – sie gewannen auch die Meisterschaft. Und in der jüngeren Vergangenheit, 2017, wurde Bayreuth in der Hauptrunde der BBL Vierter, 2018 Sechster. Beide Male war zwar im Viertelfinale der Playoffs Schluss, doch die Oberfranken waren wieder wer.
Bayreuths Geschichte ist allerdings eine von Aufstieg und Fall, eine, die auch von tiefen Tälern und Turbulenzen erzählt. 1999 war Basket Bayreuth insolvent, 2002 wurde der Verein aufgelöst. Mittlerweile hat sich nicht nur Steiner zurückgezogen, sondern auch große und potente Geldgeber. Brose steht nicht mehr auf dem Trikot, Medi gibt dem Klub nicht mehr seinen Namen. Bis heute fehlt Bayreuth ein Sponsor aus dem obersten Regal – dabei hat der Basketball doch eine solch lange Geschichte in der Stadt. Er ist fest verankert, aber auf Sicht dürfte das allein nicht mehr genügen.
Es geht erst mal um weiche Faktoren in Bayreuth, um Verbundenheit, ums Herz
„Am Ende des Tages ist zentral, dass die Begeisterung für Basketball da ist“, sagt Hartung, „das ist eine Basis, um sich als Klub finanzieren zu können. Das reicht aber nicht, um alles zu überspielen.“ Die Sache mit der Oberfrankenhalle und den Aufklebern zum Beispiel. Und dass es andernorts im Eiltempo vorangeht.
Es geht also erst mal um weiche Faktoren in Bayreuth, um Verbundenheit, ums Herz, wenn man so will. Doch das alleine ist auf Dauer nicht genug, um sich in der großen und oft auch harten Welt da draußen durchzuschlagen. Es braucht was Handfestes, echte Fortschritte, Bewegung in großen Fragen, aber das ist in der Beamtenstadt Bayreuth alles andere als leicht.
Hartung spricht jetzt noch über den Alltag, die fünf Niederlagen in den ersten fünf Spielen und das Spannungsfeld, in dem sich der Klub bewegt – die große Geschichte auf der einen Seite und die graue Gegenwart auf der anderen. „Wenn die Fans noch im Hinterkopf haben, dass wir vor nicht allzu langer Zeit in der BBL gespielt haben, ist der Klassenerhalt als Ziel schwer zu vermitteln“, sagt Hartung.
Eigentlich wollte Bayreuth um die Playoffs mitspielen; weil das Budget allerdings nicht so hoch ist, dass das selbstverständlich wäre, „muss alles zusammenpassen“, sagt Hartung. Die Realität ist aber: Bislang passt kaum etwas zusammen.