Süddeutsche Zeitung

Basketball:Auf der Suche nach dem letzten Tropfen Energie

Die Niederlage im ersten Playoff-Finalspiel gegen Berlin verdeutlicht, dass die Bayern-Basketballer ein Kraft- und Ausdauerproblem haben. Sollte Alba am Dienstag wieder gewinnen, kann der Titelverteidiger den Champagner kühlen.

Von Sebastian Winter, Berlin/München

Natürlich hatten Münchens Basketballer diese Szene vom Freitagabend noch im Kopf: wie ihr US-Shooting-Guard Nick Weiler-Babb Alba Berlins Yovel Zoosman hinterherlief, gleichzeitig mit dem Israeli absprang, die rechte Hand nach oben reckte - und Zoosmans Korbleger mit einem Monsterblock verhinderte. Die Social-Media-Abteilung des FC Bayern hat den Videoschnipsel dieser Szene gleich dafür verwendet, um ein bisschen Werbung zu machen vor dem zweiten Spiel der Finalserie gegen Berlin am Dienstag (19 Uhr) in München, das am Sonntag noch nicht ausverkauft war.

"High and higher. It's the Finals!", dichteten sie dazu. Was in dem Ausschnitt kaum zu sehen war: Wie Vladmir Lucic, der Co-Kapitän der Münchner, ziemlich ausgepumpt hinterherhechelte. Er fand nicht mal mehr die Kraft, Weiler-Babb zu dessen Kunstgriff zu beglückwünschen. Lucic atmete einfach nur durch, in gebeugter Haltung, seine Mimik verriet: Leute, es geht nicht mehr.

Die 73:86-Niederlage des FC Bayern im ersten Spiel dieser Best-of-five-Serie hat Spuren hinterlassen, nicht nur bei Lucic. Sie waren ja ebenbürtig gewesen in den ersten drei Vierteln, 20:22, 43:40, 62:61, so lauteten die Pausenstände aus Sicht der Münchner. Es war ein hochwertiges Duell, die Dreier fielen in einer atemberaubenden Frequenz, es gab Spektakel vor den mehr als 10 000 Zuschauern in Berlins Arena am Ostbahnhof, Gäste-Trainer Andrea Trinchieri erhielt ein technisches Foul, weil er sich zu sehr über die Schiedsrichter aufgeregt hatte.

Das vierte Viertel war dann allerdings eines, das den Bayern zu denken geben muss. Nachdem sie ihren Vorsprung auf 65:61 ausgedehnt hatten und die Berliner konterten, fielen die Münchner binnen fünf, sechs Minuten vollkommen in sich zusammen. Mit einem 18:3-Lauf setzte sich der Titelverteidiger auf 79:68 ab, das Spiel war verloren für Trinchieris Team. Das zeigte erneut, dass die Münchner gerade ein Kraft- und Ausdauerproblem haben. Oder, wie es Alba-Forward Louis Olinde später formulierte: "Wir schaffen es im Moment, 40 Minuten auf einem konstanten Level zu spielen. Da fällt es anderen Teams schwer, auf dem gleichen Level zu bleiben."

Diese Konstanz fehlte den Bayern schon in einigen Spielen dieser Saison, auch in der aufreibenden Halbfinalserie gegen Bonn, die die Münchner erst im fünften und letzten Duell entschieden, war das so. Drei Corona-Ausbrüche haben sie seit dem vergangenen Herbst im Kader erlebt, Schlüsselspieler wie Darrun Hilliard und Corey Walden zählen zur Kategorie Langzeitverletzte.

"Wir müssen alles unternehmen, dass wir gut regenerieren und die angeschlagenen Spieler so gut wie möglich pflegen", sagt Bayern-Geschäftsführer Marko Pesic

Und während Berlins Trainer Israel Gonzalez am Freitag mit allen zwölf Spielern rotierte, setzte Trinchieri nur zehn Akteure ein. So kommt auch eine nicht ganz unwichtige Statistik zustande: Der ehemalige Münchner Maodo Lo war bei Alba am längsten auf dem Parkett, spielte aber nur 22 Minuten. Bei den Bayern hingegen hatten Weiler-Babb, der bislang eine hinreißende Playoff-Form zeigt, und Lucic jeweils mehr als 28 Minuten Dienstzeit auf dem Feld - was auch Lucics fehlende Kraft im erwähnten Videoschnipsel erklärt. Außerdem hatten die Bayern allein im vierten Viertel indiskutable sechs Ballverluste, Alba entschied zugleich das Rebound-Duell mit 31:22 für sich. All das sind untrügliche Zeichen für fehlende Konzentration und Widerstandskraft. "Wir waren 33, 34 Minuten vorne, aber dann ist uns die Energie ausgegangen. Ich denke, wir haben insgesamt kein gutes Spiel gemacht. Wir haben den Rebound nicht kontrollieren können und eine schwache Defense gespielt", sagte Trinchieri.

Bei Berlin bestimmten in der letzten Phase des Spiels Profis wie Zoosman, den Weiler-Babbs Block nicht nachhaltig beeindrucken konnte, Spielmacher Tamir Blatt und der eingewechselte Center Jean-Marc Christ Koumadje das Geschehen. Letzterer, der je nach Quelle einen 2,21 bis 2,24 Meter langen Körper hat, wurde im letzten Viertel zu einem Schlüssel in Berlins Verteidigung; er frustrierte die Bayern außerdem mit zwei Dunks fast aus dem Stand.

Alba ist am Freitag nun der 18. Sieg in Serie gelungen, eine fast unheimlich klingende Bilanz, gegen die die Münchner am Dienstag ebenfalls ankämpfen. Die übergreifende Statistik hält aber nach wie vor zu den Bayern: Von den vier bisherigen Meisterschafts-Finalserien gegen Berlin haben sie jene aus den Jahren 2014, 2018, 2019 gewonnen, nur 2021 zog Alba als Sieger von dannen. Außerdem hat Trinchieris Mannschaft drei der bisherigen fünf Saisonspiele gegen Berlin für sich entschieden, die jüngsten allerdings beiden verloren.

"Wir müssen alles unternehmen, dass wir gut regenerieren und die angeschlagenen Spieler so gut wie möglich pflegen", sagte Bayern-Geschäftsführer Marko Pesic am Sonntag. Auch er weiß, dass ein 0:2-Rückstand gegen dieses kompromisslose Berlin kaum mehr aufzuholen sein würde.

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