Süddeutsche Zeitung

Basketball:Alte Liebe trifft

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Großer Teamgeist und deutliche Siege - die deutschen Basketballer bestätigen im Supercup die These, dass sie diesmal bei der WM eine Medaille gewinnen können.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Seinen Sohn Dennis Malick nahm er nach der Schlusssirene sofort wieder auf den Arm. Dennis Schröder, 25, sagt, er sei nun mal "ein Familienmensch". Und ein bisschen ist das auch so beim Nationalteam, auch da fühlt sich der Basketball-Profi von Oklahoma City Thunder in diesen Tagen sichtlich wohl - als Korbleger, Dirigent und Ansprechpartner. Zieht man die jüngsten Spiele heran, so ist bei der Weltmeisterschaft in China (ab 31. August) eine Menge von den Deutschen um Schröder zu erwarten. Den Supercup in Hamburg gewannen sie trotz Schwächephasen souverän. Mit dem 83:63 gegen Ungarn, dem 87:68 gegen WM-Teilnehmer Tschechien und schließlich auch einem 92:84-Sieg im letzten Cup-Spiel am Sonntag gegen Polen hat das Team bestätigt, dass es zu den Medaillenkandidaten zählen könnte, was auch Ex-Bundestrainer Svetislav Pesic und DBB-Präsident Ingo Weiß festgestellt haben.

Besonders die Partie gegen Tschechien am Samstagabend schürte die Vorfreude auf das Turnier. Selten hatte eine deutsche Auswahl auch auf dem Parkett so gut gezeigt, dass die "Chemie stimmt", wie Schröder feststellte. Der beste tschechische Spieler Tomas Satoransky, der von Ismet Akpinar und Maodo Lo bestens in Schach gehalten wurde, sprach vom "physisch stärksten Gegner" der vergangenen Monate. Auch Schröder war angetan vom Probelauf in Hamburg. Man habe einen guten Job gemacht, befand er. Man habe gemeinsam verteidigt "und auch in der Offensive alles zusammen gemacht".

Bundestrainer Henrik Rödl ist jedenfalls "total begeistert, mit welcher Einstellung" Schröder zum Team gestoßen sei. Das betreffe auch seine Art, auf dem Feld zu agieren: "Was mir am meisten Spaß macht, dass er auch konstant verteidigt." Das war nicht immer so. Um Schröder, der seine bislang letzten Spiele vor drei Monaten absolvierte, noch mehr in Form zu bringen, hatte Rödl beschlossen, ihn in jedem der drei Supercup-Partien etwa 30 Minuten auf dem Feld zu beschäftigen - mit Abstand am meisten von allen Spielern.

Natürlich hat der Aufwind auch damit zu tun, dass noch nie so viele deutsche NBA-Profis im Nationalteam vereint waren, derzeit sind es fünf. Co-Trainer Patrick Femerling sagt: "Umso besser seine Mitspieler sind, umso besser ist auch Dennis." Das sei schon bei Dirk Nowitzki so gewesen. Und Maximilian Kleber, der wie bisher Nowitzki bei den Dallas Mavericks spielt, fühlte sich mal wieder bestätigt in seiner Einschätzung der Führungskraft Schröder: "Er zieht die ganze Aufmerksamkeit auf sich, dadurch ist mehr Platz für die alle anderen und wir kriegen mehr freie Würfe."

Der beste Partner Schröders in Hamburg war einer, mit dem er schon in der Jugend und in den Anfangsjahren als Profi in Braunschweig zusammenspielte: Daniel Theis. Die Zusammenführung mit dem inzwischen bei den Boston Celtics angestellten Power Forward, der bei der WM-Qualifikation wegen einer Verletzung gefehlt hatte, war so, als habe er seine alte Liebe wiedergetroffen. Schon vor zwei Jahren geriet ihr ehemaliger Jugendtrainer und Förderer, Liviu Calin, im Spiegel ins Schwärmen über das instinktive Verständnis der beiden bei der EM: "Es war unglaublich. Daniel hat sich sehr intelligent bewegt, und Dennis fand immer einen Weg, ihn zu bedienen - meistens spektakulär."

So war das nun auch gegen Tschechien, als Schröder zwar mit 21 Punkten wieder die meisten verbuchte, aber Theis ihm mit 17 Zählern kaum nachstand. Etliche Assists, auch für einige krachende Dunkings, kamen dabei vom alten Kumpel. Aber auch andere Mitspieler sammelten Pluspunkte - etwa der zum FC Bayern gewechselte frühere NBA-Profi Paul Zipser und sein neuer Klubkollege Danilo Barthel. Auch die Point Guards Akpinar (in seiner Heimatstadt) und Lo überzeugten ebenso wie Maximilan Kleber, der im ersten Spiel wegen einer Erkältung geschont wurde.

Dass Kapitän Robin Benzing wegen einer Knieverletzung, die er sich im Training zugezogen hatte, nicht dabei sein konnte, merkte man kaum. Als letzten der noch verbliebenen 13 potenziellen WM-Fahrer strich Rödl am Sonntagabend NBA-Profi Moritz Wagner, 22, aus dem Turnierkader, der nur zwölf Spieler enthalten darf. Bundestrainer Rödl sagte: "Solche Entscheidungen sind superschwierig, ich glaube, dass Moritz die Zukunft gehört." Zur weiteren Vorbereitung geht es am Mittwoch nach Tokio und von dort aus weiter nach China zur Weltmeisterschaft. In der Vorrunde trifft das Team zunächst am 1. September in Shenzhen auf Frankreich, danach auf die Außenseiter Dominikanische Republik (3.

9.) und Jordanien (5. 9.). Die Familien dürfen in China übrigens dabei sein, also ganz im Sinne des Familienmenschen Schröder. Auch Henrik Rödl hat sich offenbar darauf eingestellt, eine Art Familien-Bundestrainer zu sein. "Er ist immer da, besucht uns und hört zu", schwärmte Paul Zipser vom Nachfolger des Bundestrainers Chris Fleming. Der frühere Assistent Rödl wiederum hält noch immer Kontakt zu seinem früheren Chef - wie zu einem guten Onkel, der immer mal wieder mit Tipps aushelfen kann.

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SZ vom 19.08.2019
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