Die Baseball-Saison ist ja noch nicht ganz vorbei, aber es gibt sehr viel, worüber man ausführlich reden kann. Am übernächsten Wochenende beginnt die Europameisterschaft, Deutschland reist für die ersten Gruppenspiele nach Rotterdam. Und man kann sich gut vorstellen, wie dann, zum Beispiel, Shawn Larry von den Heidenheim Heideköpfen und Simon Bäumer von den Guggenberger Legionären aus Regensburg noch einmal Revue passieren lassen, was am vergangenen Wochenende alles passiert ist. Larry wird Bäumer trösten müssen und ihm etwas sagen wie: Gemeinsam sind wir noch stärker.
„Baseball ist ein Spiel der Zentimeter“, sagt Regensburgs Trainer Matt Vance. Eigentlich sagt er das auf Englisch und benutzt die Längeneinheit „Inches“, aber wenn es um den vergangenen Sonntag geht, darf man gerne weiter zuspitzen. Dann das vierte Spiel im Finale um die deutsche Meisterschaft hatte so viele knappe Entscheidungen, dass der Headcoach gar keine einzelne mehr im Kopf hat, die ihn quält, das gesamte Spiel sei „eine Tortur“ gewesen.
Nur ein Beispiel: Die Regensburger führten in Heidenheim im neunten und vermeintlich letzten Durchgang mit 6:5, zwei Läufer hatte ihr Pitcher Joe Cedano de Leon schon ins Aus geworfen. Noch ein Aus, und die Regensburger hätten sich erfolgreich zum entscheidenden fünften Spiel im eigenen Stadion geschlagen. Dann aber warf Cedano, ebenfalls deutscher Nationalspieler, den Ball nur ein klein wenig näher an die Home Plate heran als bei seinen vorigen erfolgreichen Würfen, Heidenheims Schlagmann William Germaine nutzte die zentimeterkleine Schwäche – klock! Lange war der Ball in der Luft, er steuerte den Trennungspfahl an. Würde der Ball links dieses Pfahls vorbeifliegen, wäre nichts passiert, würde er rechts vorbeifliegen, gäbe es Verlängerung. Er flog rechts vorbei, und zwar so knapp, dass man selbst im Livestream nicht genau sehen konnte, wie knapp.
Im zehnten Inning dann gingen die Regensburger 9:6 in Führung, nur, um ihre eigene Tragödie noch zu vergrößern, denn sie verloren 9:10. Und sind nun schon seit zwölf Jahren ohne Meistertitel. „Der Sonntagnachmittag war herzzerreißend“, sagt Vance, der jetzt, zwei Tage nach seinem ersten Jahr als Cheftrainer, zusammenfasst: „Ich habe sehr viel gelernt.“ Nur: Was er in der Finalserie gegen Heidenheim hätte besser machen können, dazu fällt ihm immer noch nicht viel ein.
General Manager Tomas Bison ist schon zur EM abgereist – als Nationaltrainer Italiens
Der 39-Jährige hat auch am Dienstagmorgen gut hörbar diese bittere Niederlage noch nicht überwunden. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass er schon so lange dabei ist in Regensburg, dass er gewissermaßen die personifizierte Sehnsucht nach einem neuen Meistertitel darstellt. Der Vorstand war zur gleichen Zeit ein Stück weiter. „Ich zwinge mich schon nach einer halben Stunde, auch das Positive zu sehen“, sagte Armin Zimmermann, auch wenn es ihm diesmal unglaublich schwergefallen ist. „Aber wir standen das erste Mal seit vielen Jahren wieder im Finale“, und die Finalserie habe „alles gehabt, was Baseball so ausmacht, bis zur letzten Sekunde“.
Vor allem aber bereut auch niemand das Wagnis, das sie eingegangen sind, als sie einen ehemaligen Spieler zum Cheftrainer machten. „Matt hat die Erwartungen übererfüllt. Er hat den Teamgeist entfacht, die Mannschaft ist für die Fans wieder nahbarer geworden“, schwärmt Zimmermann. Man gehe im Vorstand auch davon aus, dass das Trainerteam in dieser Konstellation weiterarbeiten werde. Gespräche finden aber erst einmal noch nicht statt, weil Regensburgs General Manager Tomas Bison schon zur EM abgereist ist – als Nationaltrainer Italiens.
Doch Vance scheint ein bisschen zu zweifeln. Er sagt, das habe nichts mit dem Frusterlebnis zu tun. Ob er weitermache, das müsse er erst einmal mit seiner Familie besprechen, die habe er nämlich kaum noch gesehen. Doch je länger er spricht, umso zuversichtlicher klingt er. Zum Beispiel, wenn es darum geht, dass er so schnell nicht aufgeben werde, und dass nach zwölf Jahren Durstrecke ja vielleicht „die glückliche Nummer 13“ ansteht. Er erwähnt zudem, dass man sich auf einigen Positionen im Roster verstärken wolle.
In die tiefere Analyse sei er noch nicht gegangen, etwa auf die Suche nach dem Grund, dass sich die Legionäre im Halbfinale gegen die Hamburg Stealers deutlich schwerer getan hatten als erwartet. Und das letzte Spiel gegen Heidenheim, das wolle er sich bis auf Weiteres sowieso nicht nochmal ansehen: „Ich will mich nicht mehr foltern als nötig. Wenn wir nächstes Jahr in einer ähnlichen Situation stecken sollten, kann ich es ja noch einmal rausholen.“ Auch das klingt, als ob Vance weitermacht. Aber insgesamt scheint es schon auch noch ein paar Personalien zu besprechen zu geben, bevor sie im November den nächsten Versuch beginnen, die Meisterschaft endlich wieder in die Oberpfalz zu holen.

