Baseball:Optische Täuschung

Gerrit Cole

Ein Four-Seam-Fastball, mehr sei das nicht. Gerrit Cole ist bescheiden, seine Würfe aber sind gefürchtet.

(Foto: John Bazemore/AP)

Gerrit Cole, Pitcher der Pittsburgh Pirates, ist der faszinierendste Werfer in der NBL - weil er seinen Wurfstil geändert hat.

Von Jürgen Schmieder, Pittburgh/Los Angeles

Es gibt ja immer wieder nette Diskussionen im Internet über Bilder und Videos - oder vielmehr darüber, was die Menschen auf diesen Bildern erkennen wollen: Ob dieses Kleid etwa blau-schwarz ist oder doch weiß-gold, oder ob da Albert Einstein zu sehen ist oder Marilyn Monroe. Für ein wenig Aufregung sorgt derzeit auch Gerrit Cole. Der Pitcher der Pittsburgh Pirates hat während der Partie gegen die Chicago White Sox einen Ball geworfen, der zunächst zu sinken scheint und kurz vor dem Fänger wieder ansteigt. Die Fans fragten sich: Ist so etwas überhaupt möglich?

Baseball ist in den Vereinigten Staaten mindestens genauso viel Wissenschaft wie Sport, also war die Frage schnell geklärt: Nein, der Ball stieg nicht an. Insgesamt sank er auf seinem Weg von Coles Hand bis zum Handschuh des Fängers um exakt 22,6 Zentimeter, die Geschwindigkeit betrug 159,9 Kilometer pro Stunde. Aufgrund des starken Rückwärtsdralls und der hohen Geschwindigkeit sank er nur langsamer als ein gewöhnlich geworfener Fastball und wurde deshalb zur optischen Täuschung - für Zuschauer gleichermaßen wie für die Schlagmänner.

Es ist ein Four-Seam-Fastball, der hoch durch die Strikezone fliegt

"Ich weiß jetzt auch nicht so genau, warum sich alle so sehr mit diesem einen Wurf beschäftigen", sagt der 24 Jahre alte Cole: "Ich habe ihn schon öfter verwendet - es ist ein Four-Seam-Fastball, bei dem ich versuche, den Ball möglichst hoch durch die Strikezone zu schicken. Mehr ist das nicht. Wir spielen derzeit als Einheit und verteidigen sehr, sehr ordentlich. Ich bin mir nicht sicher, ob das was mit meinen Auftritten zu tun hat."

Nun, da ist schon ein bisschen mehr - und natürlich hat es mit Coles Auftritten zu tun, dass die Pirates die zweitbeste Bilanz (41:32) der National League Central vorweisen und gute Chance auf eine Teilnahme an den Playoffs haben. Cole ist der faszinierendste Werfer in der nordamerikanischen Baseballliga MLB. Seine Siegquote (elf bei 14 Starts) ist ligaweit führend, er liegt bei den Strikeouts (102) auf Platz fünf, bei der durchschnittlichen Anzahl gegnerischer Punkte über neun Innings hinweg (ERA: 2,16) auf Platz sechs.

Noch faszinierender als die Statistiken und der scheinbar steigende Ball ist seine Entstehung: Cole wurde im Jahr 2011 als erster Spieler seines Jahrgangs von den Pirates gewählt. Er wurde zunächst - das ist im Baseball üblich - in Nachwuchsteams ausgebildet. Er warf ordentlich, aber auch nicht überragend, vor allem aber gelangen ihm zu wenige Strikeouts. Klar, er konnte härter werfen (bis zu 164 Kilometer pro Stunde) als die meisten anderen, doch mangelte es ihm an Präzision, Abwechslung und Geduld.

Man muss auch mal die Bälle absichtlich außerhalb platzieren

Vor seiner Beförderung in die MLB arbeitete er zunächst an Varianten wie dem Curveball oder dem Slider, zudem lernte er, dass auch ein Fehlwurf zur langfristigen Strategie gehören kann. "Man muss Bälle auch mal außerhalb der Strikezone platzieren, damit die Schlagmänner danach jagen - das führt zu mehr Strikeouts", sagt Cole: "Ich musste mich nur daran gewöhnen, diese Würfe absichtlich einzustreuen, weil sie einem auf lange Sicht helfen." Es half, doch in der vergangenen Saison lag sein ERA dennoch bei 3,65, noch immer schaffte er zu wenig Strikeouts.

Also arbeitete er in der Winterpause an dieser Wurfvariante, die in weniger spektakulärer, jedoch effizienterer Form Justin Verlander zu einem der besten Werfer der Geschichte werden ließ. Statt 20 Umdrehungen pro Sekunde wie bei einem gewöhnlichen Fastball erreicht Cole bis zu fünf Umdrehungen mehr, ohne Geschwindigkeit zu verlieren. Dadurch sinkt der Ball langsamer und täuscht die Schlagmänner. Die stehen bisweilen verzweifelt am Schlagmal und schicken Stoßgebete zum Himmel wie etwa die Spieler der San Francisco.

"Ich habe dadurch mehr Möglichkeiten bekommen, den Ball zu platzieren und für Verwirrung zu sorgen - das führt dann zu mehr Strikeouts." Cole verfügt nun über diesen verblüffenden Fastball, der vom Werfer aus gesehen nach oben rechts auszubrechen scheint. Oft streut er einen Slider ein, der nach links unten bricht - und seltener eine Variante, bei der der Ball steil nach unten sinkt. So wurde er quasi über die Winterpause zum faszinierendsten Werfer der Liga.

"Ach, diese Siege zeigen doch eher dass wir als Team funktionieren und bei jedem einzelnen Wurf konzentriert arbeiten", sagt Cole: "Die Jungs fühlen sich anscheinend wohl, wenn ich da oben auf dem Wurfmal stehe." Kein Wunder, wenn da ein Werfer seine Arbeit verrichtet, der den Ball nicht nur auf knapp 160 Kilometer pro Stunde beschleunigen kann, sondern auch für optische Täuschungen sorgt.

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