Süddeutsche Zeitung

Baseball-Finale vor Publikum:Plötzlich ist es wieder unfassbar laut

Die Finalserie der MLB ist bislang spannend und spektakulär. Es sind Zuschauer erlaubt - und das feiern viele gerade, als wäre jeden Abend Nationalfeiertag.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Am Ende wurde es noch einmal richtig laut in diesem Stadion in Arlington im US-Bundesstaat Texas. Die Los Angeles Dodgers hatten die Chance, die Partie gegen die Tampa Bay Rays noch zu drehen, und es war dem Rays-Werfer Pete Fairbanks anzumerken, dass ihn der Lärm noch nervöser machte. Trainer Kevin Cash reagierte sofort, er nahm Fairbanks vom Feld, Kollege Aaron Loop verhinderte dann, dass der Dodgers-Schlagmann Cody Bellinger für die Führung seines Teams sorgte. Ein Homerun hätte zum 7:6 für die Dodgers geführt, so aber blieb es beim 6:4 für die Rays, die in der Best-of-seven-Serie zum 1:1 ausglichen. Das erste Spiel der World Series, der Finalserie der Baseballliga MLB, hatten sie 3:8 verloren. Spiel drei findet in der Nacht auf Samstag statt.

"Es ist sehr, sehr laut - als wäre die Hütte voll", sagt Chris Roberts, der beim Fernsehsender Fox für die Sicherheit in diesem neuen Stadion verantwortlich ist, am Telefon zur SZ: "Am Wochenende soll es regnen, sie werden das Dach schließen, dann dürfte es noch lauter werden." Die Finalserie ist bislang spannend und spektakulär, sie bietet eine Abkehr vom eher langweiligen Strikeout-Homerun-Baseball der vergangenen Jahre. Akteure wie Dodgers-Schlagmann Mookie Betts jagen um die Bases, es gibt packende Defensivaktionen wie zum Beispiel den Fang von Rays-Verteidiger Joey Wendle im zweiten Spiel.

Die Fans werden als erster Schritt zurück zu so etwas wie Normalität interpretiert

Die für die Amerikaner mindestens ebenso wichtigen Momente finden allerdings abseits des Rasens statt: Die MLB lässt jeweils 11 500 Zuschauer zu den Spielen, und das feiern viele gerade, als wäre jeden Abend Nationalfeiertag: In Großaufnahme gezeigt wird der Fan, der den von Dodgers-Schlagmann Chris Taylor auf die Tribüne geknüppelten Ball fängt. Und die drei Liter Käsesauce, die sie in Texas nun mal in den Kübel mit Chili darin kippen, ehe sie ein Pfund Zwiebeln zugeben. Und die Rays-Anhänger, die erst ein paar Stunden davor im 4.-Juli-Nationalfeiertags-Outfit aus Florida nach Texas gekommen waren.

Basketball und Eishockey haben ihre Spielzeiten jeweils in sogenannten Bubbles ohne Fans (und ohne positiven Corona-Test) beendet, aber die wirklich amerikanischen Sportarten laufen noch, und der Umgang mit den Fans wird von vielen Leuten in diesem Land als erster Schritt zurück zu so etwas wie Normalität interpretiert. Beim Football dürfen maximal 25 Prozent der Stadien gefüllt werden, in manchen Bundesstaaten wie Kalifornien aber auch gar nicht - weshalb zumindest leise über Wettbewerbsverzerrung geredet wird. Beim Baseball sind nun eben 11 500 Leute erlaubt, und auch wenn die offiziell 11 388 Zuschauer bei der ersten Partie am Dienstag die wenigsten seit Spiel sechs der World Series 1909 (10 535 bei Detroit gegen Pittsburgh) waren, so werten viele diese Serie als akzeptablen Kompromiss.

Die auf 60 Partien pro Verein verkürzte Spielzeit hatte ja desaströs begonnen. Die Klubs trugen ihre Heimspiele in ihren Stadien aus und reisten munter durch die Vereinigten Staaten, kurz nach Saisonbeginn gab es 21 positive Tests bei den Miami Marlins und 15 bei den St. Louis Cardinals; das Experiment stand kurz vor dem Abbruch. Die Liga änderte schnell die Regeln für die Spieler, und sie beschloss, die Playoffs in nur zwei Bundesstaaten abzuhalten: Kalifornien und Texas. Das hat bislang geklappt, Freitag dürfte der 50. Tag nacheinander ohne positiven Test werden. Die Entscheidung, das Stadion in Arlington zu 28 Prozent zu füllen, wird kontrovers diskutiert, weil die Finalserie (es wird fast jeden Tag eine Partie ausgetragen) vorbei sein könnte, bis es erste positive Tests geben könnte. Sie wird aber auch als Experiment gesehen, wie das aussehen könnte mit Fans in den Arenen im kommenden Jahr.

Die Finalserie ist jedenfalls sehenswert, ob im Stadion in Arlington, vor dem Fernseher oder wie in Los Angeles auf dem Parkplatz des Dodger Stadiums auf dem legendären Hügel im Stadtzentrum, wo sie eine Art Autokino errichtet haben. Am Wochenende werden die Spiele vier und fünf ausgetragen. Unfassbar laut soll es dann sein in dieser 1,2-Milliarden-Dollar-Arena, wenn sie das Dach schließen müssten. Es wäre dann ein Event in der Halle, also drinnen, solche Veranstaltungen sind in Texas derzeit aufgrund steigender Corona-Zahlen auf 100 Leute begrenzt. Für Profisport gibt es jedoch eine Ausnahme, es dürften auch bei Regen 11 500 Leute ins Stadion. Die Show muss ja weitergehen.

Anmerkung vom 23. Oktober: In einer früheren Version des Artikels hieß es, dass jeden Tag eine Partie ausgetragen werde und dass Spiel drei in der Nacht auf Freitag stattfinde. In der Nacht auf Freitag wurde jedoch nicht gespielt.

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Quelle:
SZ vom 23.10.2020/sonn
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