Süddeutsche Zeitung

Baseball-EM in Regensburg:Disput zur Unzeit

Die Baseball-EM beginnt, die deutsche Mannschaft ist so gut wie nie. Doch der Verband steht vor Reformen - und gegen den Präsidenten läuft ein Ermitlungsverfahren wegen Crystal-Meth-Konsums. Es ist der SPD-Abgeordnete Michael Hartmann.

Von Johannes Knuth

Der beste deutsche Spieler wird die Baseball-Europameisterschaft verpassen, und das ist gut so. Donald Lutz hilft derzeit bei den Cincinnati Reds aus, in der Major League Baseball (MLB), der größten Baseball-Liga der Welt. Vor rund eineinhalb Jahren hatte Lutz als erster Deutscher kurz in der MLB debütiert. Nun darf der 25-Jährige erneut auf der großen Bühne vorsprechen, die EM auf dem Baseball-Schwellenkontinent Europa muss Lutz schwänzen.

Auch US-Profi Max Kepler-Rozycki (Minnesota Twins), der sich in die dritthöchste Liga unterhalb der MLB vorgearbeitet hat, erhält von seinem Arbeitgeber keine Freigabe. Wenn an diesem Freitag in der Regensburger Armin-Wolf-Arena die Vorrunde der Baseball-EM beginnt, müssen die Deutschen auf ihre zwei potentesten Kräfte verzichten.

Bundestrainer Greg Frady wird wohl trotzdem nicht in schwere Depressionen verfallen. Zum einen wünschen sie sich im Deutschen Baseball- und Softball-Verband (DBV) seit Jahren einen deutschen MLB-Repräsentanten. Zum anderen kann Frady in Maik Ehmcke (Arizone Diamondbacks), Daniel Thieben (Seattle Mariners) und Markus Solbach (Hillsboro Hops) Spieler aufbieten, die ebenfalls in den unterklassigen US-Profiligen arbeiten, wenn auch nicht auf dem Niveau von Lutz und Kepler.

Seit einigen Jahren exportieren vor allem die Regensburg Legionäre regelmäßig Talente aus ihrem Internat in den größten Baseball-Profibetrieb der Welt. Davon profitiert auch die Nationalmannschaft. Am 18. September zieht die EM nach der Vorrunde in Regensburg ins tschechische Brno um, die deutsche Mannschaft verfolgt dort einen klaren Arbeitsauftrag. "Unser Ziel ist mindestens Platz drei", sagt Jürgen Elsishans, der für die Abteilung Leistungssport zuständige DBV-Vizepräsident.

Der Reifeprozess der deutschen Baseballer ist durchaus beachtlich. 2010 gewann die Nationalmannschaft Bronze, die erste EM-Medaille seit 1957. Vor rund einem Jahrzehnt dienten die Deutschen den Marktführern aus Italien und den Niederlanden als Sparringspartner, mittlerweile, sagt Elsishans, "sind wir an ihnen dran". Das Niveau der Bundesliga hat sich gebessert, die Klubs investieren Geld in Spieler, Trainer, Internate, Online-Fernsehsender.

Doch der Qualitätssprung schadet dem Sport in Deutschland teilweise mehr, als dass er ihm nützt. Die 15 Bundesliga-Klubs bilden derzeit eine geschlossene Gesellschaft. Aus der zweiten Liga drängen kaum Vereine nach - teils wegen Ausländerregelungen, die restriktiver sind als in der Bundesliga, teils, weil vielen Klubs Ausdauer und Geld fehlen, um die wachsende Kluft zwischen erster und zweiter Liga zu überwinden.

Talente, die in einem kleinen Klub heranreifen, siedeln noch schneller zu einem großen um, das treibt Spitze und Basis weiter auseinander. Der Mitgliederbestand des DBV ist seit der Jahrtausendwende von rund 28 000 auf 23 700 geschrumpft. DBV-Vorstand Elsishans beteuert, dass der Verband die Klubs unterstütze, letztere für die Entwicklungsarbeit aber selbst zuständig seien. Die Klubs wiederum meckern, dass der DBV den Leistungssport bevorzuge, im Leuchtturm sitze, die Aussicht genieße und das schlechte Wetter unter den Wolken ignoriere.

Einigkeit herrscht darüber, dass sich etwas ändern muss. Derjenige, der diese Veränderung maßgeblich anschieben könnte, hat derzeit allerdings andere Sorgen. DBV-Präsident Michael Hartmann, hauptberuflich SPD-Abgeordneter im Bundestag, gab Anfang Juli zu, die gefährliche Droge Crystal Meth gekauft und im Herbst 2013 für einen Monat konsumiert zu haben. Hartmann ist weiter Mitglied des Bundestags, sein Amt als innenpolitischer Sprecher der SPD gab er ab, ein Ermittlungsverfahren gegen ihn läuft. So lange dies der Fall ist, "lässt er sein Amt als DBV-Präsident ruhen", sagt Elsishans, darauf habe man sich im Vorstand geeinigt.

Offiziell bleibt Hartmann aber Präsident eines knapp 24 000 Mitglieder starken Sportverbandes. Inwieweit das vertretbar sei? Dazu wolle er gerade nichts sagen, so Elsishans. Wobei man eigentlich nur das Schreiben studieren muss, das Hartmanns Anwalt nach dem Drogen-Geständnis verbreitete, um die Frage zu beantworten: "Ohne sein Fehlverhalten entschuldigen zu wollen", heißt es da, "erklärt er es damit, dass er seinerzeit hoffte, nach Drogenkonsum leistungsfähiger zu sein."

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SZ vom 11.09.2014
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