Baseball:Alle gegen die Yankees

MLB: ALDS-Cleveland Indians at New York Yankees

Yankees-Schlagmann Frazier will im entscheidenden Spiel gegen Cleveland wieder brillieren.

(Foto: USA Today Sports)
  • Im Viertelfinale der Baseball-Playoffs spielen die New York Yankees am Mittwoch das entscheidende fünfte Spiel bei den Rekordverlierern der Cleveland Indians.
  • So ziemlich jeder Sportfan in Amerika gönnt Cleveland den Triumph, es gilt den Fluch des Rocky Colavito zu durchbrechen.
  • Die Anhänger der Yankees reagieren sarkastisch mit gesenkten Daumen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Wer sich wundert, warum die 47 000 Zuschauer im Stadion der New York Yankees am Montagabend ihre Daumen senkten, obwohl ihre Mannschaft 7:3 gegen die Cleveland Indians gewonnen und damit ein Entscheidungsspiel erzwungen hatte: So bejubelt der Klub seit geraumer Zeit erfolgreiche Spielzüge und Siege. Ein gegnerischer Fan war vor einigen Wochen dabei gefilmt worden, wie er mit dieser resignierenden Geste auf einen über den Zaun geschlagenen Ball von Yankees-Schlagmann Todd Frazier reagiert hatte.

Nun haben die Fans der Yankees die Geste übernommen, auch als sarkastische Reaktion darauf, dass ihnen in dieser Viertelfinalserie der Baseball-Profiliga MLB vermutlich jeder eine Niederlage wünscht. Die Yankees spielen ja gegen die Cleveland Indians, und für deren von der Geschichte gebeutelte Baseballer schlagen nun mal die Herzen aller neutralen Fans.

Es gibt in den USA kein Wort für den deutschen Begriff Schadenfreude, es scheint ohnehin eine eher deutsche Eigenschaft zu sein, sich am Leid anderer zu ergötzen. Es würde hier niemand die jahrzehntelange Durststrecke eines Sportunternehmens mit hämischen Rufen ("Ihr werdet nie deutscher Meister!") begleiten.

Im Gegenteil: Die Anhänger erfolgloser US-Mannschaften dürfen ihre Melancholie zelebrieren. Es gibt Filme (" Major League " über die Cleveland Indians), Lieder ("Someday We'll Go All the Way" über die Chicago Cubs) und Erzählungen über den Fluch ganzer Städte; San Diego hat zum Beispiel noch nie einen Titel in einer der vier bedeutsamen Sportarten gewonnen. Und wenn ein Team dann doch Meister wird wie die Cubs im vergangenen Jahr nach 108 Jahren ohne Titel, dann reden die Menschen noch Monate darüber, wie wunderbar dieser Moment gewesen sei.

Nach zwei Siegen der Cleveland Indians kommen die Yankees zurück

Der Gegner im Finale vor einem Jahr waren übrigens: die Cleveland Indians, deren letzter Titel nun 69 Jahre zurückliegt. Vor der Saison hatte es geheißen, dass der Verein nun endlich alle Puzzleteile habe, damit es im Oktober ein Meisterschaftsfoto ergeben könnte. Gegen Ende der Hauptrunde, gerade zum richtigen Zeitpunkt also, da legten die Indians einen unfasslichen Lauf hin und gewannen 22 Partien nacheinander; es ist die nach den 26 Siegen der New York Giants (1916) zweitlängste Siegesserie in der Geschichte der MLB.

Zu Beginn der Playoffs schafften die Indians dann auch zwei Siege gegen die New York Yankees, im zweiten Spiel holten sie einen 3:8-Rückstand auf. Einige Spieler sprachen gar davon, dass diese Saison gesegnet sei und der Fluch der Erfolglosigkeit endlich besiegt. Nun allerdings, nach zwei Siegen der Yankees, treten beide am heutigen Mittwoch zum Entscheidungsspiel in Cleveland an - und Yankees-Trainer Joe Girardi sagt gar: "Das dürfte lustig werden. Ich kann nur sagen, dass unsere Umkleidekabine nach Selbstbewusstsein riecht."

Der Fluch des Rocky Colavito

Das ist eine erstaunliche Wende in diesen Playoffs, die doch das sentimentalste Halbfinale in der Geschichte dieses Sports hervorbringen sollen, nämlich das der vier besonders lange erfolglosen Klubs. Die Houston Astros (seit Vereinsgründung im Jahr 1962 ohne Titel) gewannen die Serie gegen die Boston Red Sox am Ende doch recht souverän, die Los Angeles Dodgers (letzte Meisterschaft: 1988) fertigten die Arizona Diamondbacks locker ab. Die favorisierten Washington Nationals (seit Gründung im Jahr 1969 gar ohne Finalteilnahme) liegen gegen die Chicago Cubs mit 1:2 Spielen zurück; die vierte Partie wird am späten Mittwochabend ausgetragen.

Bleiben die Cleveland Indians. Deren Misere liegt angeblich der Fluch von Rocky Colavito zugrunde, dem populären Schlagmann, den der Verein 1960 zu den Detroit Tigers geschickt hatte - und unter dessen Prophezeiung, dass sie fortan keinen Titel mehr holen würden, die Indians bis heute leiden. Herzzerreißend waren die Niederlagen in der World Series: Nach der Finalniederlage 1995 hatte Cleveland zwei Jahre später im letzten Spielabschnitt der entscheidenden Partie geführt und noch verloren. Im vergangenen Jahr lagen die Indians in der Finalserie sogar mit 3:1-Spielen vorne und verloren drei Partien nacheinander, die entscheidende nach Regenunterbrechung und Verlängerung.

Nun kommt es zum Showdown gegen die Yankees, den mit 27 Titeln erfolgreichsten Klub der Liga. Die entscheidende Partie am Mittwoch dürfte zum Nervenspiel der beiden herausragenden Werfer Corey Kluber (Indians) und CC Sabathia (Yankees) werden, die im vierten Spiel geschont worden sind. "Wir haben es verdient", sagt Schlagmann Jay Bruce - und wer keine Yankees-Mütze besitzt, der denkt ähnlich. Sollten die Yankees am Mittwoch gewinnen, dann dürfte es zwar gesenkte Daumen geben, aber eines keinesfalls: Schadenfreude.

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