Süddeutsche Zeitung

French Open:Eine spezielle Grand-Slam-Siegerin

  • Ashleigh Barty gewinnt das Finale der French Open gegen Marketa Vondrousova - und braucht dafür nur 70 Minuten.
  • Die Australierin ist eine, die in der Fachwelt des Tennissports höchste Anerkennung genießt.
  • Sie besitzt außergewöhnliches Ball- und Bewegungstalent, aber keine Allüren.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Die Blumen wurden von einem Balljungen auf den Court Philippe Chatrier gebracht, Chris Evert aus den USA, die früher so einmalige Spielerin mit dem eleganten Schlagstil, schritt nach vorne, Applaus brandete auf. Höflicher, respektvoller, aber kein ekstatischer. Es hatte ja keine Französin dieses Turnier gewonnen, und auch nicht die in Paris durchaus verehrte Serena Williams, die sich in der dritten Runde verabschiedet hatte und eine merkwürdige Episode um einen Pressekonferenzraum hinterlassen hatte. Marketa Vondrousova wurde als Erste aufgerufen. Die 19-Jährige lächelte, sie konnte sich doch freuen, trotz der Niederlage. Als 38. der Weltrangliste einfach mal ein Finale eines Grand-Slam-Turniers zu erreichen, ist nicht so verkehrt.

Und dann fiel der Name Ashleigh Barty. Die Australierin, 23 Jahre alt, die schon mal mit Tennis aufgehört und stattdessen professionell Cricket gespielt hatte in ihrer Heimat, hatte immer noch feuchte Augen. Und sie sollten auch eine Weile so bleiben, vor allem als ihr Evert erst den Pokal gab, den Suzanne-Lenglen-Cup, und auch noch die Hymne ihres Landes ertönte. Barty ist jetzt ein Champion, wie sie das im Tennis sagen. Sie ließ ihrer Gegnerin beim 6:1, 6:3 in 70 Minuten keine Chance.

"Du hast mir eine Lektion erteilt"

"Du hast mir eine Lektion erteilt", zollte Vondrousova ehrlich Respekt und resümierte: "Du hast verdient den Titel gewonnen." Das hatte Barty in der Tat, die vielleicht nicht die selbstbewusste Aura einer Diva wie Williams ausstrahlt (wer tut das schon?) und sich auch nicht wie die Spanierin Garbine Muguruza ständig für Modemagazine ablichten lässt. Aber Barty ist eine, die in der Fachwelt des Tennissports höchste Anerkennung genießt. Als die immer noch bezaubernde Gabriela Sabatini vor ein paar Tagen in Paris vorbeischaute, um eine Ehrung entgegenzunehmen, sprach sie auch über Spielerinnen, die ihr besonders gefallen. "Also, ich mag Barty, die australische Spielerin", sagte die 49-jährige Argentinierin, "ich mag sie sehr. Ich sah sie in Miami" - dort hatte Barty das große Turnier im März gewonnen - "ich denke, sie ist eine sehr strategische Spielerin." Und damit eben doch sehr anders als die meisten Konkurrentinnen. Viele agieren immer im gleichen Schlagrhythmus von der Grundlinie aus.

Wie es ihre Art ist, hat Barty keine lange Rede gehalten, sie betonte, das sei ein Erfolg auch des Teams, alle hätten hart gearbeitet, und man könnte dazu neigen zu sagen: Phrasenalarm! Aber Barty meint das genau so. Sie ist eine Leistungssportlerin und verfügt über die entsprechende Einstellung ohne Allüren.

Was ihren ersten Grand-Slam-Triumph so speziell macht, ist der Umstand, dass sie Ende 2014 merkte, sich im Tennis und den Begleiterscheinungen nicht mehr wohl zu fühlen. Sie wagte den Ausstieg - und den Einstieg bei den Brisbane Heat in der Cricket-Liga. Anfang 2016 kehrte sie zurück, die australische Profikollegin Casey Dellacqua hatte sie dazu animiert.

Dass Barty so mühelos zwischen den Disziplinen wechseln konnte, zeigte auch, welches außergewöhnliches Ball- und Bewegungstalent sie besitzt. Es gibt im Tennis wenige, die so natürliche Abläufe zustanden bringen, etwa beim Aufschlag oder beim Wechsel von Topspin auf Slice und zurück. Sie volliert auch ausgezeichnet. Selbstverständlich ist Rod Laver, der legendäre Australier, der in Paris weilt, ein Fan von ihr. In einem Twittertweet nannte er sie "Rocket", Rakete.

In der Weltrangliste steigt Barty vom achten auf den zweiten Platz, nur noch Naomi Osaka aus Japan ist vor ihr. 2,3 Millionen Euro erhält sie als Preisgeld. "Dieses Mädchen hat mir und jeder anderen in den Allerwertesten getreten", schrieb Andrea Petkovic am Samstagabend im Internet und veröffentlichte dazu ein Foto, auf dem eine ganz junge Barty zu sehen war, mit einem Pokal und einem viel zu großen Schläger in der Hand. Sie war ja so klein damals. Die 31-Jährige aus Darmstadt hatte in der dritten Runde mit 3:6, 1:6 gegen Barty verloren. "Ditto zum In-den-Hintern-treten-Part", kommentierte ergänzend dazu die Amerikanerin Madison Keys, die im Viertelfinale mit 3:6, 5:7 unterlegen war.

Das schwerste Match bestritt Barty im Halbfinale gegen die erst 17-jährige Amerikanerin Amanda Anisimova. Barty hatte 5:0 und 40:15 geführt und den ersten Satz noch 6:7 verloren. Dann lag sie 0:3 im zweiten Satz zurück - und drehte auf, 6:3, 6:3. Sie weiß sich auch mit Kampfgeist zu wehren.

"Ich habe ein perfektes Match gespielt, das waren unglaubliche zwei Wochen", sagte Barty nach der Partie gegen Vondrousova, und dann wandte sie sich an ihr Team und sagte: "Gehen wir und lasst uns heute feiern!"

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Quelle:
SZ vom 09.06.2019/sonn
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