Champions League:Wachablösung im Camp Nou

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Kylian Mbappe feiert sein erstes Tor. (Foto: Joan Monfort/AP)

Unter den Augen Messis zeigt Mbappé beim 4:1 von PSG in Barcelona, dass er die Zukunft des Fußballs verkörpert und dass Barça derzeit nicht wettbewerbsfähig ist. Die Katalanen liefern keine Kunst, sondern Obszönitäten.

Von Javier Cáceres, Berlin

Es ist schon ganz gut, dass Antoine Griezmann beim FC Barcelona angestellt ist und nicht bei einem anderen Verein. Denn in Barcelona wird man eher selten zur Übernachtung auf dem Rollfeld gezwungen. Und so erklärt sich, dass sich Griezmann am Dienstagabend sehr gelassen zum Flughafen El Prat begab und sich auch nicht von dem Umstand aus der Ruhe bringen ließ, dass er den Terminal für Privatjets erreichte, als - Obacht, Ihr Bayern! - Mitternacht schon vorüber war. Griezmann zog sich eine Maske über Mund und Ohren und brummte: "Was geht Dich das an?", als ihn ein Journalist fragte, wo er denn hinzureisen gedenke. Er stapfte ins Flughafengebäude und enteilte, mutmaßlich nach Frankreich.

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Der FC Barcelona unterliegt PSG mit 1:4, weil Stürmer Kylian Mbappé nicht einzufangen ist. Der Dreifachtorschütze würdigt nach dem Spiel auch die Arbeit von Ex-Trainer Thomas Tuchel.

Ihm folgte ein Aufschrei der Empörung. Nicht wegen der Reiseaktivitäten in Zeiten von Covid, sondern weil sich die Barcelona-Fans, so sehr Griezmann an den beiden freien Tagen machen kann, was er will, eben doch fragten, ob es sich gehört, nach einer Blamage in einen Flieger zu steigen. Genauer: nach einem 1:4 im Achtelfinale der Champions League, gegen Paris Saint-Germain.

"Mbappuleado", wortspielte dazu am Mittwoch die Zeitung El Mundo Deportivo. Das Wort schöpfte sie aus dem spanischen Begriff "vapuleado", verprügelt, und aus dem Nachnamen des Helden der Partie: PSG-Stürmer Kylian Mbappé, 22. Der französische Weltmeisterkollege von Griezmann hatte sich mit drei Toren (32./65./85.) in den sehr kleinen Kreis derer geschossen, denen im Camp Nou als Gästespieler ein Hattrick gelang.

Zugleich vollzog Mbappé eine Art Wachablösung. Denn der Aufführung wohnte auch Lionel Messi bei. Dem Argentinier war noch Barcelonas 1:0 (27.) per Elfmeter gelungen. Aber am Ende stand wegen der Wucht des Auftritts von Mbappé, ergänzt durch das 3:1 von Moise Keane, und wegen der imponierend starken Teamleistung der Pariser für die Gastgeber eine bittere Erkenntnis: Messi verkörpert die Vergangenheit, Mbappé die Zukunft - und Barcelonas Renaissance lässt weiter auf sich warten. Die Erinnerung an das 2:8 gegen den FC Bayern aus dem Champions-League-Sommer 2020 ist noch präsent. Aber kaum jemand denkt noch ansatzweise zurück an das Wunder von 2017, als Barcelona die Pariser mit einem 6:1 nach Hause schickte (nach einem 0:4 im Hinspiel).

Für Aufsehen sorgt in solchen Situationen so ziemlich alles, was mit dem Innenleben einer Mannschaft zu tun hat. Erst recht tun dies Diskussionen, die man derzeit durch die Abwesenheit der Zuschauer bestens mithören kann, wenn die Mikrofone fein genug eingestellt sind, wie im Camp Nou. So erfuhr am Dienstagabend die breite Öffentlichkeit, dass sich diverse Kraftausdrücke aus jenem Spanisch, das am Rio de la Plata gesprochen wird, auf der iberischen Halbinsel durchgesetzt haben. Und zwar so sehr, dass sie sogar einen Disput zwischen einem Katalanen und einem Franzosen prägen können. Dem lautstarken Flehen des vom Pariser Dauerdruck genervten Innenverteidigers Gerard Piqué nach Entspannung ("... eine verhurte Ballbesitzphase, verdammt, nur eine verhurte Ballbesitzphase!!!!") begegnete der Franzose Griezmann erst mit der Bitte um Gelassenheit ("Ruhig, Gery!"). Dann aber ließ Griezmann eine Injurie vom Stapel, die ihm Piqué in gleicher Münze heimzahlte. Wie genau der Wortlaut war? Nun: Im Grunde wünschten sie einander wieder zurück in den Schoss ihrer Mütter.

Musste weitgehend machtlos zuschauen: Lionel Messi. (Foto: Joan Monfort/AP)

Es ist natürlich die Frage, welche Bedeutung man einem solchen Disput beimessen sollte. Es soll ja schon mal vorkommen, dass auf einem Fußballfeld Begriffe fallen, die keine künstlerische Wirkung entfalten. So oder so aber ist den Barcelona-Fans gerade zum Fluchen zumute. Nicht nur in der Champions League stehen sie vor dem Aus, auch im spanischen Königspokal ist die Reise (nach einem Hinspiel-0:2 beim FC Sevilla) so gut wie vorbei, und in der Meisterschaft liegt Atlético Madrid mit neun Punkten Vorsprung vorne. In der Summe bedeutet das, dass ein Abschied Messis nicht unwahrscheinlicher geworden ist; die Wettbewerbsfähigkeit Barcelonas auf höchstem Niveau ist nicht gegeben.

Auf der anderen Seite ärgern sich die Katalanen, dass sie nach dem Abschied von Neymar im Jahr 2017 nach Paris nicht diesen Mbappé holten, sondern auf Betreiben der Visionäre in der damaligen sportlichen Leitung den etwa gleichalten Ousmane Dembélé von Borussia Dortmund, der gegen PSG erneut ein Ärgernis war. Nach der Vorstellung vom Dienstag hat sich Mbappé in die Gehaltsliga von Neymar gespielt. Klar ist: So viel Geld kann der FC Barcelona Mbappé nicht bieten. Und es ist auch nur ein schwacher Trost, dass ein solches Salär wohl auch jenseits der Möglichkeiten von Erzrivale Real Madrid liegt.

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