Barcelona gegen Real Madrid:"Cristiano, zahl endlich!"

Football Soccer - Barcelona v Real Madrid - Spanish La Liga Santander

Im Zwielicht: Cristiano Ronaldo von Real Madrid.

(Foto: REUTERS)

Hat der Weltfußballer eine hohe Millionensumme in Steuerparadiese geschleust? Die Fans klagen Cristiano Ronaldo an, der reagiert auf seine Weise.

Von Javier Cáceres, Barcelona

Als der so genannte Clásico in Barcelonas Camp-Nou-Stadion gut eine halbe Stunde alt war, hörte Cristiano Ronaldo die Melodie eines Songs, den die US-Folksängerin Joan Baez in den 70er Jahren berühmt machte. "No nos moverán", hieß das Lied, dessen Refrain nun auf den Stürmer von Real Madrid umgedichtet wurde: "Hacienda somos todos. Cristiano paga ya", oder zu Deutsch: "Das Finanzamt sind wir alle; Cristiano, zahl endlich!"

Da war es, das Thema, das die Stunden vor dem Duell zwischen dem FC Barcelona und Real Madrid überschattet hatte: Cristianos Steuer-Affäre. Die insgesamt enttäuschende Partie endete, drei Tage vor der Champions-League-Visite des deutschen Bundesligisten Borussia Mönchengladbach (Dienstag, 20.45 Uhr, live in Sky), mit einem 1:1-Unentschieden. Real Madrids Innenverteidiger Sergio Ramos glich die Führung durch Barcelonas Mittelstürmer Luis Suárez (52.) in der 90. Minute aus.

"Das war ein Krug kalten Wassers für uns alle", sagte Barcelonas Trainer Luis Enrique. Sein Kollege Zinédine Zidane hingegen feierte die Moral seines Teams: "Wenn du mit dem Herzen spielst, passieren solche Dinge." Barcelona liegt in der Tabelle der spanischen Primera División damit weiterhin sechs Punkte hinter Rekordmeister Real, das am Mittwoch im Bernabéu-Stadion Borussia Dortmund zum Champions-League-Gruppenspiel empfängt. Und bei dieser Gelegenheit zum 34. Mal in Serie ungeschlagen bleiben möchte. Trotz aller Turbulenzen.

150 Millionen Euro in Steuerparadiese geschleust?

Derer gibt es zurzeit reichlich. Am Freitagabend hatte eine Gruppe internationaler Medien, angeführt vom deutschen Nachrichtenmagazin Der Spiegel, das Ergebnis monatelanger Recherchen öffentlich gemacht. Auf Grundlage von Dokumenten, die von der Enthüllungsplattform Football Leaks zur Verfügung gestellt worden waren, berichtete das Blatt, dass Ronaldo eine hohe Millionensumme durch Briefkastenfirmen in Steuerparadiese geschleust hat - angeblich rund 150 Millionen Euro.

Ronaldos Management "Gestifute" beteuerte schon vor Bekanntwerden der Geschichte, dass Ronaldo all seinen Verpflichtungen gegenüber den spanischen und britischen Steuerbehörden nachgekommen ist. Nach Angaben der spanischen Zeitung El Mundo, die an den Recherchen beteiligt war, läuft gegen Ronaldo allerdings eine Steuerprüfung. Welche Konsequenzen daraus drohen, ist unklar. Möglicherweise ist das Konstrukt, durch das Cristiano Ronaldo Teile seiner Einkünfte schleuste, tatsächlich legal.

Welche Bedeutung so ein Clásico in Spanien hat, zeigte sich unter anderem am Leitartikel, in dem El Mundo die Leser nachgerade auf Knien um Vergebung dafür bat, dass man die Geschichte über Ronaldo ausgerechnet am Tag eines Barca-Madrid veröffentlichte. Beziehungsweise veröffentlichen musste. "Unsere Absicht war nicht, dem weißen Klub zu schaden", beteuerte El Mundo, das bislang beste Beziehungen zu Real Madrid unterhalten hatte.

Ramos rettet Real den Punkt im Clásico

Im Lichte der Partie, der auch Bundestrainer Joachim Löw beiwohnte, war die Sorge allerdings reichlich unbegründet. Es war sicherlich nicht das beste Spiel Real Madrids. Aber dass Ramos in der ihm eigenen klassischen Manier in letzter Minute für einen Punktgewinn der Madrilenen sorgte, war durchaus verdient. Eine knappe Stunde lang war Real Madrid in einer Facette des Spiels dem Gastgeber Barcelona ebenbürtig - der Kontrolle des Gegners -, und in einer weiteren dem Rivalen sogar überlegen: der Schaffung von Torgelegenheiten. Insbesondere Ronaldo sorgte für Gefahr. In der 37. Minute schloss er einen Konter über die linke Seite mit seinem schwächeren linken Fuß ab; Barcelonas deutscher Torwart Marc-André ter Stegen, der seinen ersten Clásico austragen durfte, wehrte mit der Faust ab. Eine Minute darauf versuchte es Ronaldo mit der Fußspitze, nachdem er Piqué und Mascherano versetzt hatte, doch er bekam keinen Druck auf den Ball.

Vor diesem Hintergrund war es überraschend, dass der FC Barcelona in Führung ging. Der Brasilianer Neymar hatte auf der linken Seite gegen Madrids französischen Innenverteidiger Raphael Varane einen Freistoß herausgeholt - und dann selbst den Freistoß getreten. Aus drei Metern Entfernung traf dann Mittelstürmer Suárez, der sich gegen Varane durchsetzte. Die Dynamik des Spiels aber änderte sich erst, als der sechs Wochen lang verletzte Mittelfeldregisseur Andrés Iniesta eingewechselt wurde. Er kam nach einer Stunde für Ivan Rakitic - und gab dem Spiel einen Sinn.

Nach dem Spiel zeigt sich Ronaldo in der Pose des Denkers

Barcelona kam zu famosen Chancen, namentlich durch Neymar, Iniesta und Lionel Messi. Doch die Gefahr, die Real Madrid verströmte, wollte nicht vergehen. In der 89. Minute hätte Ronaldo fast den Ausgleich erzielt, doch sein Kopfball aus vier Metern landete an den Knöcheln von Jordi Alba, der den Ball zur Ecke lenkte. Danach leistete sich der eingewechselte Arda Turan ein Foul auf der rechten Abwehrseite: Luka Modric trat den Ball in den Strafraum, Sergio Ramos konnte sich unbedrängt hochschrauben, weil sein Bewacher Javier Mascherano ausgerutscht war, und den Ball ins Tor köpfeln. Ter Stegen brachte zwar noch die rechte Hand an den Ball, konnte ihn aber nicht mehr abwehren. Er hat nun elf Gegentore in zwölf Ligaspielen hinnehmen müssen.

"Man muss jetzt nicht durchdrehen, denn die Saison ist noch lang", sagte Real Madrids Kapitän Sergio Ramos. "Aber es ist besser, wenn man nur auf sich selbst schauen muss." Dass das Remis beim Erzrivalen mehr als nur einen Punktgewinn darstellte, konnte man auf dem Twitter-Account von Sergio Ramos sehen. Dort postete er ein Jubelfoto aus der Kabine, auf dem natürlich Ronaldo alle Blicke auf sich zog. Denn der Mann, der am Samstag ungewollt auf den Titelseiten wichtiger internationaler Medien gelandet war, warf sich dort halbnackt in die Pose des Denkers. Was auch immer er damit sagen wollte.

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