FC Barcelona:Zahlen des Horrors

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Gab am Montag bekannt, den Klub im März mit 1,3 Milliarden Euro Schulden übernommen zu haben: Barcelonas Präsident Joan Laporta

(Foto: imago images/Agencia EFE)

Messi ist schon weg, Gerard Piqué und andere wollen auf viel Geld verzichten - doch angesichts von 1,3 Milliarden Euro Schulden wird das kaum reichen, um den FC Barcelona zu konsolidieren. Sogar Kündigungen von Spielerverträgen stehen im Raum.

Von Javier Cáceres

Der Abschied von Lionel Messi ist in Barcelona noch immer nicht verwunden, die Bilder davon sind in der katalanischen Hauptstadt weiterhin präsent. Der schluchzende Messi zählt unbedingt dazu, aber auch ein kurzer, offenkundig mit einem Handy aufgezeichneter Film. Darauf ist zu sehen, wie sich Messi und der Präsident Joan Laporta am Tag der Abschiedskonferenz des früheren Kapitäns am Camp-Nou-Stadion begegneten - und einander kaum grüßten. Die Szene war das Sinnbild eines totalen Bruchs: Laporta wusste, dass er in den Augen der Öffentlichkeit für den Weggang Messis zu Paris Saint-Germain verantwortlich gemacht werden würde und dass ihn das durchaus die Präsidentschaft kosten könnte. Doch dann meldete sich sein Vorgänger Josep Maria Bartomeu mit einem offenen Brief zu Wort, der bewies, dass er "weiter in Disneyland lebt", wie die Zeitung El País am Dienstag spottete, und am Ende nichts anderes war als ein Rettungsring für Laporta.

Bartomeu versuchte in seinem Brief, seine Amtszeit zu rechtfertigen, nachdem Laporta den Abschied Messis damit begründet hatte, dass die wirtschaftliche Lage des Klubs viel schlimmer sei, als bislang bekannt. Bartomeu lieferte Laporta damit die perfekte Vorlage, zum Gegenangriff überzugehen. Der wortgewandte aktuelle Präsident tat es am Montag, in einer zweistündigen Pressekonferenz - die Antwort auf die erste Frage endete in einem 28-minütigen Monolog -, in der er Bartomeu der Lüge und der Misswirtschaft zieh und von möglicherweise strafrechtlich relevanten Machenschaften sprach. So seien Zahlungen an diverse Dienstleister fraktioniert erfolgt, um die Kontrollinstanzen des Klubs zu umgehen. Vor allem stülpte Laporta im übertragenen Sinn die Hosentaschen nach außen. Und präsentierte Zahlen des Horrors.

Die Schulden betrügen nicht etwa knapp 1,1 Milliarden Euro, wie bislang angenommen, sondern rund 1,35 Milliarden, die Hälfte davon gegenüber Banken. Die Verluste der vergangenen Spielzeit hätten bei 481 Millionen Euro gelegen - und damit das Rekorddefizit aus der Spielzeit 2019/20 um das Fünffache überstiegen. Der FC Barcelona weise ein negatives Betriebskapital von 451 Millionen Euro aus. Und überhaupt: Als er im März das Präsidentenamt angetreten sei, habe er erst einmal Spinnweben beseitigen müssen. Denn die Kasse war leer. "Wir haben einen Überbrückungskredit über 80 Millionen Euro aufnehmen müssen, um überhaupt die Gehälter zahlen zu können", sagte Laporta. Zeitgleich wurde ein weiteres Darlehen mit der US-Investmentbank Goldman Sachs über nunmehr 595 Millionen Euro ausgehandelt - um die Schulden neu zu strukturieren. Noch genauere Zahlen sollen im September folgen. Doch welche Zahl auch immer man nimmt, es bleibt die Zusammenfassung, die der Zeitung Sport am Dienstag zur Schlagzeile gereichte: "Bartomeu hat ein ruiniertes Barça hinterlassen."

Immerhin spart der Klub nun Messis Gehalt: Zuletzt waren es rund 138 Millionen Euro - pro Jahr

Das lag auch, aber bei weitem nicht nur, am schwindelerregenden Gehalt Messis. In der letzten Saison standen allein ihm vertragsgemäß 138 Millionen Euro brutto zu. Die Gehaltsausgaben des Kaders hätten in der Saison 2019/20 mal eben 617 Millionen Euro betragen, berichtete Laporta - das entspreche 103 Prozent der wegen Corona eingebrochenen Einnahmen. Man liege damit 25 oder 30 Prozentpunkte über Real Madrid. Sogar der Chefscout in Lateinamerika verdiente galaktische acht Millionen Euro. Summa summarum: "Ein Drama", sagte Laporta, das man nun in den Griff bekommen wolle. Und werde.

Das gestaltet sich indes kompliziert. Angesicht der Gesamtlage hatte der Ligaverband LFP im vergangenen Jahr verlangt, die Gehälter auf etwa 350 Millionen Euro zu senken. Dieses Ziel wurde offenkundig gerissen, was dazu führen kann, dass neue Spieler nicht registriert werden können. Wegen der Pandemie gibt es eine gewisse Flexibilität. Aber die Forderung nach Senkung der Ausgaben müsste sogar verschärft werden.

Die Regeln des spanischen Ligaverbandes LFP besagen, dass Gehaltsausgaben zusätzlich gekappt werden müssen, wenn Verluste angehäuft werden - wie nun geschehen. Nach Berechnungen des Branchendienstes 2Playbook dürfte Barcelona in der kommenden Saison eigentlich nicht mehr als 88 Millionen Euro für Gehälter ausgeben. Zum Vergleich: Das entspräche dem Aufwand eines gehobenen Mittelklasseklubs der deutschen Bundesliga. Im Falle Barcelona gestaltet sich eine solche Radikalkur aber schwierig bis unmöglich. Es gilt ja auch, geltende Verträge zu respektieren.

(210816) -- BARCELONA, Aug. 16, 2021 -- Barcelona s Gerard Pique celebrates a goal during a Spanish league football matc; Fußball

Bekenntnis zu Barça: Gerard Piqué küsst am Sonntag beim 4:2-Auftaktsieg gegen San Sebastian das Vereinsemblem. Der neue Kapitän ist bereit, auf die Hälfte seines Gehalts zu verzichten.

(Foto: Joan Gosa/Xinhua/Imago)

Am Wochenende wurde bekannt, dass einer der Kapitäne, Gerard Piqué, auf 50 Prozent seines Salärs verzichten will. Mit weiteren Großverdienern wie Sergio Busquets oder Jordi Alba wird verhandelt. Addiert man die Einsparung des Messi-Gehalts, den Piqué-Verzicht und kleinere Transfers, kommt man auf etwa 40 Millionen, die es Barcelona wenige Stunden vor dem Saisonauftakt gegen San Sebastián (4:2) immerhin ermöglichten, die Zugänge Memphis Depay und Eric García als Lizenzspieler zu registrieren. Barcelona scheint es zumindest geschafft zu haben, den Personalaufwand unter die voraussichtlichen Einnahmen zu drücken.

Für Prognosen, wie hoch die Gehaltsausgaben des Klubs am Ende sein werden und können, ist es zu früh. Die Einnahmesituation kann sich theoretisch auch verbessern. Auf der anderen Seite stehen Kündigungsdrohungen im Raum. Am Dienstag hieß es, dass der Klub dem Verteidiger Samuel Umtiti mit der "einseitigen Auflösung des Vertrages" gedroht habe, wenn er nicht endlich eines der Angebote annimmt, die ihm vorliegen. Angeblich verdient er jährlich rund neun Millionen Euro netto.

Ob das alles reicht? Jetzt, da Messi weg ist und der Wert der Marke Barça laut Marktbeobachtern um knapp 140 Millionen Euro gesunken ist? In der Vergangenheit kassierte Barcelona allein bei Freundschaftsspielen ein Drittel weniger Gage, wenn Messi nicht dabei war. Andererseits: Die Wertberichtigung des Kaders schlägt zunächst auf die Verluste durch. Sollten aber doch noch Spieler wie Martin Braithwaite, Miralem Pjanic oder Philippe Coutinho zu Preisen verkauft werden, die über dem neuen Bilanzwert liegen, würden die Verluste mindestens reduziert. Der Kredit verschaffe dem Klub "Luft", sagte Laporta, und es gebe fünf Interessenten, die auf dem Trikot werben wollten. Zudem hat Barça grandiose Talente wie EM-Held Pedri, Ansu Fati oder Yusuf Demir in seinen Reihen, die Hoffnung auf die Zukunft wecken. So oder so: Barcelona steht vor einem Bilanz-Sudoku, das sich nicht so einfach lösen lässt.

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