"Football Leaks":Steuerermittlungen belasten Ronaldo

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Ballkünstler und Steuertrickser? Lionell Messi (li.) ist bereits wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Auf Teamkollege Neymar Jr. und nun auch Christian Ronaldo (Mitte) könnte Ähnliches zukommen.

(Foto: Getty Images)

Er und weitere Topspieler sollen sich mit Steuertricks Vorteile verschafft haben. Auch Messi und Neymar stehen im Visier der Behörden.

Von Javier Cáceres, Barcelona

Fußball ist ein Gemütszustand, heißt es, und in Spanien ist es allmählich so, dass nicht mehr nur Wetter, Form und Ernährung für den Ausgang der spanischen Fußball-Liga von Bedeutung sind. Sondern auch die Wirrnisse vor Gerichten und Finanzämtern.

Im Juli saß Lionel Messi, Stürmer des FC Barcelona, wegen einer millionenschweren Steuergeschichte auf der Anklagebank und wurde zu einer nicht vollstreckten Haftstrafe und einer Geldstrafe verurteilt, es ging um Werbeeinnahmen, die unter anderen er in einem Steuerparadies kassiert hatte. Vor ein paar Tagen wurde bekannt, dass der verästelte Transfer des brasilianischen Barcelona-Stürmers Neymar Jr. aus dem Jahr 2013, der die Behörden in Spanien und Brasilien beschäftigt, wohl doch in Spanien vor Gericht landen könnte; ursprünglich ging es um die richtige steuerliche Veranlagung von millionenschweren Geldflüssen an die Partei Neymar, nun aber geht es offenbar vor allem um Betrugsverdacht.

Pünktlich zum sogenannten Clásico, bei dem Barcelona an diesem Samstag Real Madrid empfängt (16.15 Uhr), wehrt sich nun der wichtigste Stürmer des spanischen Rekordmeisters, Cristiano Ronaldo, massiv gegen handfeste Vorwürfe. Sein Management Gestifute, das von Jorge Mendes geleitet wird, veröffentlichte ein Kommuniqué, in dem beteuert wird, dass Ronaldo seine "steuerlichen Pflichten gegenüber den spanischen und britischen Steuerbehörden vollständig erfüllt" habe und dass er auch niemals in steuerrechtliche Verfahren verwickelt gewesen sei. Anderslautende "Andeutung oder Beschuldigung" zögen rechtliche Schritte nach sich.

Was war geschehen?

Die Klarstellung war eine Reaktion auf eine Geschichte der spanischen Online-Zeitung El Confidencial, die in Spanien gerade für massiven Wirbel sorgt, und auf die Recherchen einer internationalen Mediengruppe rund um den Spiegel. Demnach hatte Ronaldo kurz vor seinem Wechsel von Manchester United zu Real Madrid seine Bildrechte - die Grundlage für Werbeverträge sozusagen - an eine Firma namens Tollin verkauft. Ihr Sitz: British Virgin Islands, ein Steuerparadies. Danach seien diese Rechte an zwei Handelsfirmen in Irland, MMI und Polaris, weitergeleitet worden. Irland ist ein EU-Land, die Gewerbesteuer liegt dort aber bei 12,5 Prozent und damit nur halb so hoch wie in Spanien. Ein Großteil der Werbeeinnahmen, die Ronaldo nun erzielte, wurde laut Spiegel von den irischen Firmen auf die Virgin Islands transferiert und dort von Tollin geparkt. 2014 sei das Geld dann an Ronaldo zurückgewandert. Die Höhe der Summe liegt offenbar jenseits der 70-Millionen-Euro-Grenze. Zu den Werbeeinnahmen, die Ronaldo angeblich über MIM kanalisiert haben soll, zählen Gelder von Nike, Unilever, Kentucky Fried Chicken (KFC), Konami, der portugiesischen Banco Espirito Santo sowie von Toyota Thailand.

Grundlage der Enthüllungen sind Dokumente aus dem Fundus von "Football Leaks", einer anonym betriebenen Plattform, die interne Dokumente aus der Fußball-Szene an die Öffentlichkeit gespült hatte, insbesondere Arbeitsverträge von Fußballern und hier wiederum vor allem von Klienten von Gestifute. Auch jetzt sind Spieler betroffen, die von Mendes betreut werden und beim Clásico auf einen Einsatz für Real Madrid hoffen: Verteidiger Pepe und Mittelfeldspieler James. Daneben werden unter anderen der frühere Trainer José Mourinho sowie Ex Verteidiger Ricardo Carvalho genannt.

Ronaldo könnte sich mit Messi über Bildrechte austauschen

Carvalho reiste am Donnerstag überstürzt nach Madrid und wurde bei der Staatsanwaltschaft vorstellig - offenbar wollte er wegen etwaiger Steuervergehen eine Selbstanzeige stellen und finanziell wegen etwaiger Nachzahlungen in Vorleistung gehen. Ob Ronaldo in letzter Zeit diskret etwas Ähnliches getan hat, ist reine Spekulation. Der Europa-Parlamentarier Sven Giegold von den Grünen sprach aber schon von der "Steuervermeidung von Ronaldo und anderen Spielern", die zu Lasten derjenigen gehe, die ihnen zujubeln: "Fairplay gilt nur nicht nur auf dem Spielfeld, sondern umso mehr beim Steuern zahlen.".

In jedem Fall scheint es so, als könnte sich Ronaldo beim Clásico mit Messi über die Probleme, die aus Bildrechten erwachsen, unterhalten. Messi wurde zum Verhängnis, dass Spaniens Fiskus die Abwicklung von Einnahmen aus Bildrechten über Firmen längst für unzulässig hält - erst recht, wenn diese ihren Geschäftssitz im nicht-spanischen, steuerlich günstigen Ausland halten. Zudem meinen die Behörden, dass auf derartige Einnahmen Einkommenssteuer fällig sei, also ein Steuersatz von etwa 50 Prozent.

Barcelonas Neymar wiederum wundert sich darüber, dass er wegen seines Transfers zum FC Barcelona aus dem Jahr 2013 nun doch noch vor Gericht kommen könnte. Die Staatsanwaltschaft forderte vor knapp zehn Tagen zwei Jahre Haft. Der Fall ist komplex: Im Jahr 2011 hatte Neymar über eine Holding, die sein Vater kontrollierte, zehn Millionen Euro erhalten - als Anzahlung für seinen Wechsel, der dann im Jahre 2013 vollzogen wurde - für zuletzt offiziell 17 Millionen Euro; wobei die Zahlen, die der FC Barcelona kommunizierte, erheblich variierten: Mal wurden 40 Millionen aufaddiert, die aus einem Vorvertrag stammten. Darin verpflichteten sich beide Parteien dazu, der jeweils anderen eine Entschädigung von 40 Millionen Euro zu zahlen, wenn Neymar Jr. nicht im Jahr 2014 zu Barcelona wechselte. Neymar kassierte letztlich die 40 Millionen, weil die Vorziehung des Wechsels als Vertragsbruch interpretiert wurde.

Dazu zahlte Barça für Optionen auf drei Santos-Spieler, die - zumindest bisher - nicht beim FC Barcelona gelandet sind. Eine brasilianische Investmentgesellschaft namens DIS, die zu einer Supermarktkette aus São Paulo gehört und viele Spieler betreut, ließ nicht locker. Sie hielt 2011 einen Anteil von 40 Prozent an den Rechten Neymars - und fühlt sich, weil sie von den Nebenverträgen Neymars und Barças keine Ahnung gehabt haben will, nun millionenschwer betrogen. Auch wegen DIS bleibt es für Spaniens Fußballstars spannend, auf und neben dem Platz.

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