Ballon d'Or 2016:Tim Wiese muss Weltfußballer werden

Messi, Ronaldo, Gähn: Wenn heute die Kandidaten für den Weltfußballer bekannt gegeben werden, erklingen wieder ewig gleiche Namen. Dabei gäbe es echte Alternativen.

Von Jonas Beckenkamp

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Tim Wiese

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Quelle: Christof Stache/AFP

Weltmuckis, Welt-Solariumbräune, Welt-Sprüche - Weltfußballer. Tim Wieses Kosmos ist voller einfacher und klarer Zusammenhänge. Warum also nicht eine Auszeichnung für einen Fußballer im postfaktischen Stadium? Seine Füße gebraucht "The Machine" ja auch weiterhin, wenn er seine Gegner mit einem, sagen wir, Figure Four Leglock auf die Bretter wuchtet. "Es kann kommen, wer will", sagt Wiese, "meine Taktik ist, direkt auf den Gegner zu gehen und ihn komplett zu zerstören." Soll sich dieser Ronaldo doch ruhig mal trauen mit seinen eingeölten Löckchen. Wiese mäht sie alle um mit seinen Walzen-Moves, er ist der Nemesis im Wifebeater, der Welttyp aus Bergisch-Gladbach. Noch Fragen? Wiese wählen. Schnauze halten.

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Sandro Wagner

1899 Hoffenheim - Hamburger SV

Quelle: dpa

Bei den Herren von der Fifa gilt: Nur Stürmer können Weltfußballer werden. Und der einzig taugliche dieser Spezies aus dem Land des Weltmeisters war im abgelaufenen Jahr ein Mensch namens Sandro Wagner. Ein richtiger Mittelstürmer, noch dazu einer, der das Tor trifft - sowas gibt's eigentlich gar nicht mehr in Deutschland. Deshalb muss dieser Wagner Weltfußballer werden! Weil er im Land der Seelers, Hrubeschs, Völlers und Müllers die Kulturtechnik des "Knipsens" am Leben erhält. Weil er erst in Darmstadt und nun in Hoffenheim so oft einen reingefummelt hat, dass man ihm selbst verbal über den Spann gerutschte Sprüche verzeiht ("Fußballer verdienen zu wenig"). Weil Sandro Wagner einfach der Boss ist.

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Dirk Nowitzki

Champions for Charity Benefiz Fussballspiel zu Ehren von Michael Schumacher mit den Nazionale Pilot; Dirk Nowitzki

Quelle: imago/Nordphoto

Lüüüüüügenpressseeee! Dirk Nowitzki, ein Fußballer? Der Mann stopft doch Basketbälle in Körbe - Fußball spielt der höchstens so filigran wie ein Baukran. Ja, es stimmt. Nowitzki ist kein Messi, er ist vielleicht noch nichtmal ein Horst Hammelbein aus der Bezirksklasse, aber: Auf sein Konto geht die Vorlage zum inoffiziellen Tor des Jahres in Deutschland. Glauben Sie nicht? Es war Sommer. Es war ein Gaudikick in Mainz. Es war viel Platz - und da pinselte Flankengott Nowitzki Lukas Podolski ein solches Gemälde von einem Zuspiel vor die Brust, dass der nur noch per Fallrückzieher veredeln musste. Nowitzki als Weltfußballer wäre ein Akt der Grenzverschiebung. Wenn Ihr ständig dieselben gewinnen lasst, dann schicken wir Euch eben den Größten, den wir haben: Einen 2,13 Meter großen Fußball-Quereinsteiger.

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Thomas Häßler

Thomas Häßler

Quelle: dpa

Und damit zu einem der Kleinsten, die wir haben: Thomas "Icke" Häßler. Wenn ein Welt- und Europameister (1990, 1996) kein dringlicher Kandidat als Weltfußballer ist, wer bitte schön dann? Als Aktiver zirkelte der kleine Berliner Freistöße um jede Mauer, heute tänzelt er durch TV-Trashformate wie "Let's dance", "Ewige Helden" und bald auch durchs Dschungelcamp - so einer würde neben den Ehrgeizlingen Ronaldo und Messi doch geradezu leichtfüßig wirken. Häßler kennt sich aus im Fußball, er hat in Italien den Calcio kennengelernt, die "Löwen" überlebt sowie die ein oder andere Scheidung. Beim Berliner Achtligisten Club Italia hat er sich als Trainer zudem die nötige Street Credibility angeeignet. Gebt dem Mann eine Trophäe, Kinners! Fürs Lebenswerk.

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Uwe Seeler

Hamburger SV - Borussia Dortmund

Quelle: dpa

Apropos Lebenswerk: Dass Uwe Seeler nie Weltfußballer war (weil es diesen ganzen Firlefanz damals noch nicht gab), ist natürlich eine Farce. "Uns Uwe" hat mehr Tore geschossen als Messi oder Cristiano (404 allein für den HSV!!!), er hat in seinem Leben mehr mit dem HSV gelitten, als alle Dinosaurier auf dieser Welt zusammen und es existiert eine Statue von seinem Fuß. Ja, eine Statue! Die hat Ronaldo auf Madeira zwar auch von sich stehen, aber bei "Uns Uwe" hat das ganze eben auch Seele. Der Weltfußballer-Titel für dieses Monument der Ehrlichkeit und Treue wäre in Stein gemeißelte Anerkennung. Und er könnte bei Seeler den Schmerz lindern, den ihm der wahrscheinliche Abstieg des Hamburger SV bescheren wird.

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Alan Gasperoni

Alan Gasperoni

Quelle: Facebook

Für einen Weltfußballer ist Alan Gasperoni zwar ganz schön unbekannt, aber Madonna, das macht nichts: Er hat in seiner Spaßfehde mit Thomas Müller bewiesen, dass der kleine Mann den Fußball genauso verdient wie die Großkopferten des Spiels. Gasperoni ist die lebende Antithese zur Lehre des Philosophen Berti Vogts ("es gibt keine Kleinen mehr"): Die Sanmarinesen, deren Facebook-Sprachrohr der Funktionär Gasperoni ist, verloren gegen die DFB-Elf 0:8, sie waren dabei so chancenlos, dass "klein" gar kein Ausdruck ist. Und trotzdem wollten sie sich nicht vorwerfen lassen, dass Spiele gegen sie "unnötig" (Müller) seien. Gasperoni initierte diese Debatte mit einem Augenzwinkern, er ist der Robin Hood des Fußballs, die Stimme des winzigsten Winzlings Europas. Ein Weltfußballer der Herzen!

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Will Grigg

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Quelle: Paul Faith/AFP

Der Begriff "Kultfigur" ist ein wenig überstrapaziert - aber auf den Nordiren Will Grigg trifft er in jedem Fall zu. Mehr Weltfußballer als Grigg geht kaum! Seinen Namen grölt das Volk wie sonst nur Wiesenhits, sie haben ihm ein Lied gewidmet, das bei der Euro in Frankreich in den Kanon der Welthits Einzug erhielt. Will Grigg ist so dermaßen on fire, dass er nicht einmal Fußball spielen muss, um geliebt zu werden. Keine Sekunde kam er für seine Nordiren zum Einsatz - und trotzdem prägte er ein ganzes Turnier. Weltfußballer soll er werden. Und Papst. Und Bundeskanzler. Will Grigg ist die mehrheitsfähigste Wahl! Oder gab es je solche Chöre für Messi und Ronaldo?

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Boris Johnson

British Foreign Secretary Johnson visits Belgrade

Quelle: dpa

Zum Schluss noch einer, der aus der Reihe purzelt: Ein Engländer als Weltfußballer? Dazu noch derjenige, der den Brexit mitverbrochen hat? Ja, selbstverfreilich. Es gibt genau einen Grund, warum Boris Johnson genau die richtige Wahl ist: Der Mann weiß, wie man "gut in die Zweikämpfe kommt", wie das in der Fachsprache heißt. Zu sehen hier, hier und vor allem hier. Glory Days wären den Engländern gewiss, wenn der Wuschelkopf aus Westminster endlich auch als Fußballer jene Würdigung erführe, die er verdient. Johnson kommt zwar aus dem Rugby, aber seine Meriten sind doch unbestritten: Mit dem Kopf durch die Wand, mitten rein ins Getümmel. So eine Ein-Mann-Büffelherde gab es lange nicht zu sehen auf den geleckten Fifa-Galas.

© SZ.de/ska/mikö
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