Sie sind mehr als nur Statisten eines Matches: Tennis ohne Ballkinder wäre wie Wimbledon ohne Erdbeeren. Ein Tennismatch würde sich ohne sie noch mehr in die Länge ziehen, die Spieler würden schneller ermüden, wenn sie die Filzkugeln selbst einsammeln müssten. Und: Tausenden Kindern wäre ein Traumjob genommen.
Nicht zu unterschätzen ist außerdem die seelische Unterstützung, die Balljungen den Tennisprofis sein können. Im Bild ist die Französin Alize Cornet beim gerade laufenden Grand Slam in Wimbledon ausgerutscht. Es sieht so aus, als könne sie sich an ihrem Schlägerhalter wieder aufrichten.
Das Leben eines Balljungen ist stark reglementiert. Wo er wann zu stehen oder zu sitzen hat, unterliegt festen Regeln. Ob mit durchgestrecktem Rücken positioniert in der Courtecke oder kauernd am Netz: Jede Bewegung ist einstudiert - und wenn nach einem Ballwechsel die Balljungen ausschwärmen und sich auf der richtigen Positionen einfinden, sieht dies oft so elegant aus wie eine Ballettaufführung. Wie ein Schwarm Schmetterlinge, der über den Tennisplatz flattert.
Wimbledon 2016: Im Anforderungsprofil für Balljungen und -mädchen steht auch die Fähigkeit, ein Tennisnetz ordentlich aufzustellen und zu spannen.
Erstmals wurden 1920 Ballkinder beim Turnier in Wimbledon eingesetzt. Dieser Junge nahm 1927 seine Aufgabe in London sehr ernst und sammelte mehr Bälle, als er tragen konnte. Seit 1977 dürfen auch Mädchen beim Bällesammeln auf dem Tennissplatz helfen.
Die Aufgaben eines Ballkindes sind vielfältig. Es muss nicht nur Bälle möglichst schnell einsammeln und dem Spieler präzise zuwerfen, sondern auch das Handtuch im richtigen Moment bereithalten oder die Wasserflaschen auffüllen. Zudem sollte er die Macken der einzelnen Spieler kennen: Goran Ivanisevic bestand stets darauf, dass ihm der Ball, mit dem er soeben einen Punkte gemacht hatte, wieder zugeworfen wird. Spieler wie Andy Murray lassen sich stets drei Bälle geben, lassen sie dann lange durch die Hand kreiseln, ehe sie einen überflüssigen zurückpfeffern.
Balljungen lesen den Tennisprofis fast jeden Wunsch von den Lippen ab - und wenn es sein muss, übernehmen sie auch Aufgaben, die gar nicht in ihr Tätigkeitsprofil fallen. Wie hier bei den French Open 2008, als ein Junge dem Serben Janko Tipsarevic nach einem Sturz helfen muss, die lästige Asche von seinem Buckel herunterzuwischen.
Wenn die Sonne herunterbrennt, wird es für die kleinen Assistenten auf dem Platz besonders stressig. Bei vielen Turnieren gibt es keine Sonnenschirmständer, stattdessen spenden die Hände der Balljungen den Profis Schatten. Die menschlichen Sonnenschirmständer dürften sich nach dem 90-sekündigen Seitenwechsel über die schroffe Stimme des Schiedsrichters freuen, der das erlösende "Time" ruft.
Über den Platz rasen, in die Knie gehen, kerzengerade stehen: Dieser Junge hat in Roland Garros ein sandigeres Knie als mancher Spieler. Der Job eines Balljungen ist ganz schön schweißtreibend und verlangt Einsatz.
Balljungen müssen einen Fitnesstest absolvieren, ehe sie bei den großen Turnieren engagiert werden. Doch was ist, wenn die Sonne brennt und der Kreislauf nicht mehr mitspielt? Dieser Balljunge kippte 2005 in Wimbledon vor einem Millionenpublikum einfach um.
Der spanische Tennisspieler Manuel Santana scherzte nach seinem Wimbledon-Sieg 1966 mit den Ballkindern, doch nicht alle Profis gehen so liebenswürdig mit den jungen Helfern um. Nach leichtfertig vergebenen Punkten lassen sie ihre Wut oft an Linienrichtern oder Balljungen aus. Der Brite Tim Henman schleuderte 1995 in Wimbledon aus Frust die Filzkugel weg. Diese traf ein Ballmädchen am Kopf, sodass es zu weinen begann. Henman wurde disqualifiziert. Ballkinder können also sogar Spiele entscheiden.
Gelegentlich werden die Ballkinder auch als Werbeplattform missbraucht wie hier 1998 in Singapur. Das Gemeine: Im Gegensatz zu den Tennisprofis bekommen sie keinen Cent extra dafür, dass Sponsorennamen auf ihre Leibchen gedruckt werden.
Tennisspielerinnen fallen mit immer extravaganteren, schrilleren und kürzeren Sportbekleidung auf. Doch manchmal machen ihnen die Ballmädchen durchaus Konkurrenz. Bei der Einkleidung der jungen Helferinnen bei den French Open 2015 war augenscheinlich ein Modedesigner involviert.
Andere Turnierveranstalter - wie hier in Queens - schicken die Ballkinder in Tarnfarben auf den Platz. Vor der roten Plastikwand sind sie in ihrem rotem Hemd kaum zu erkennen. Die Ballzuwerfpose beherrschen sie dennoch perfekt. Je nach Turnier gibt es hier übrigens Unterschiede: Mal strecken die Ballkinder beide Hände in die Höhe, ehe sie einem Spieler die Filzkugel zuwerfen. Mal ist nur eine Hand nach oben gereckt, die andere hinter dem Rücken angewinkelt.
Nicht nur Tennisspieler zu sein, auch Balljunge und Linienrichter ist ein anstrengender Job. Kein Wunder, dass da während eines Spiels mancher kurz einnickt.