Michael Ballack hat derzeit ein paar Probleme. Philipp Lahm will seine Kapitänsbinde nicht mehr hergeben, Thomas Müller trägt die Rückennummer 13. Angesichts der teils glänzenden Leistungen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei der WM in Südafrika fragen sich Stammtische und Experten, ob Ballack in die DFB-Elf zurückkehren soll.
Homosexualität im Fußball ist noch immer ein Tabuthema. Bis heute hat sich nicht ein einziger Bundesliga-Profi geoutet.
(Foto: dpa)Nun wird die Rückkehr des derzeit verletzten Mittelfeldspielers in die Nationalmannschaft aus unerwarteter Richtung torpediert: Ausgerechnet Ballacks Berater, der in Luxemburg ansässige Rechtsanwalt Michael Becker, macht mit angeblichen Äußerungen über Homosexuelle im deutschen Fußball von sich reden. Er spricht von einer "Schwulencombo" im DFB-Team und von einem "halbschwulen" Spieler, den Löw mit zur WM nach Südafrika genommen habe.
So steht es zumindest in einem Essay des preisgekrönten Journalisten und Schriftstellers Alexander Osang in der aktuellen Ausgabe des Nachrichtenmagazins Der Spiegel. Darin erzählt Osang von einem gemeinsamen Essen mit Becker in einem noblen Restaurant in Luxemburg, zwei Monate vor Beginn der WM. Zu diesem Zeitpunkt war Ballack als Kapitän der Nationalelf gesetzt. Erst kurz vor dem Turnier verletzte sich der 33-Jährige.
In diesem Luxemburger Gespräch sollen die explosiven Zitate gefallen seien. Der Ballack-Berater habe ihm erzählt, schreibt Osang, "welche deutschen Spieler angeblich schwul seien".
"Der ist halbschwul"
Wenige Tage später habe der Ballack-Berater "inmitten einer Traube von Spielerberatern und Journalisten" am Rande des Abschiedsspiels von Bernd Schneider angekündigt, dass es einen ehemaligen Nationalspieler gebe, der "die Schwulencombo" demnächst "hochgehen lassen" würde. Osang: "Ich erwartete, dass meine Kollegen nun mit roten Ohren nachfragen würden, was das bedeuten solle, aber sie nickten nur gelassen. Alle Sportjournalisten schienen die Geschichten von der vermeintlichen großen homosexuellen Verschwörung um die Mannschaft von Joachim Löw zu kennen."
Auf die Frage des Spiegel-Schreibers, ob ein Spieler, der auch "etwas überraschend nominiert worden war, seiner Meinung nach auch schwul sei", habe Becker geantwortet: "Der ist halbschwul."
Der Artikel im Spiegel und die Äußerungen Beckers sind deshalb so explosiv, weil Homosexualität im deutschen Fußball tabuisiert wird. In der Kultur, in der Wirtschaft und in der Politik ist die sexuelle Orientierung kein Verschweige-Thema mehr - im Fußball dagegen ist Geheimniskrämerei an der Tagesordnung.
Becker dementiert
Als einziger Spieler hat sich der ehemalige Regionalligaspieler Marcus Urban (Rot-Weiß Erfurt) vor einigen Jahren öffentlich geoutet - allerdings erst nach seinem Karriereende. Experten gehen davon aus, dass etwa zehn Prozent der Bundesliga-Profis schwul sind.
Im Männersport Fußball ist Homosexualität bis heute das größte Tabu, obwohl der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und einige Vereine der Diskriminierung von Schwulen und Lesben den Kampf angesagt haben. Zuletzt äußerte DFB-Präsident Theo Zwanziger im Zuge der Ermittlungen gegen den bisexuellen Schiedsrichter Manfred Amerell die Hoffnung, homosexuelle Spieler sollten sich vertrauensvoll an ihn wenden.
Die Aussagen des Fußballberaters Becker widersprechen diesem Kampf, sie bringen den Rechtsanwalt und seinen Klienten Michael Ballack in den Ruch der Schwulenfeindlichkeit. Im Gespräch mit sueddeutsche.de dementiert Rechtsanwalt Becker jedoch, die Aussagen in der von Osang zitierten Form getätigt zu haben: "Der Kollege muss das falsch verstanden haben."
Ob sich Becker in anderer Form über Homosexuelle im Fußball geäußert hat, will der Rechtsanwalt nicht sagen: "Dazu sage ich nichts." Er deutet an, es könne eine Verwechslung vorliegen: "Herr Osang hat die Nationalmannschaft ja sechs Monate begleitet. Ich weiß nicht, welche Gespräche er sonst so mitgehört hat." Seine eigene Meinung zur Homosexualität will Becker nicht äußern: "Dazu sage ich auch nichts." Auf die Frage, wie Michael Ballack zu dem Thema steht, antwortet Becker: "Da müssen Sie ihn selber fragen."
In der Sporttredaktion des Spiegel heißt es auf Anfrage von sueddeutsche.de, die Zitate Beckers seien von dem Rechtsanwalt nicht authorisiert worden. Jedoch habe Osang sie "unter Zeugen" mitgeschrieben.