Baldiges Karriereende:Kobe Bryant geht auf Abschiedstour

Kobe Bryant, Paul George

Kobe zieht zum Korb: Das gab es zuletzt immer seltener zu sehen - meistens warf er von außen. Und verfehlte.

(Foto: AP)
  • Nach 20 Jahren Profi-Basketball will Kobe Bryant aufhören. Sein Körper spielt nicht mehr mit.
  • Der Mann von den Los Angeles Lakers kündigt sein Karriereende mit einem Gedicht an.

Von Jonas Beckenkamp

Manchmal lässt sich eine ganze Sportart auch in Geräuschen zusammenfassen. Wer sich zuletzt ein Basketballspiel der Los Angeles Lakers anschaute, der erlebte zwangsläufig die ganze Bandbreite an "Zonks, Boings und Klonks", die nur in diesem Spiel möglich sind. Es sind die Klänge, die kein Basketballer gerne hört. Wenn der Ball auf den Ring plumpst oder ans Brett fliegt, wenn Würfe fehljustiert daneben gehen - wenn einfach keiner rein flutscht.

Die LA Lakers waren mal ein Team, bei dem ganz andere Geräusche im Mittelpunkt standen: Oft machte es bei ihren Spielen "Swish", der Lieblingssound aller Basketballer - der sanfte Ton der Berührung zwischen Ball und Netz, der perfekte Wurf, der Moment, wenn die Kugel durch die Reuse saust. Kobe Bryant kennt dieses Geräusch nur zu gut, sein ganzes Leben hat er darauf hingebarbeitet, dass seine Würfe das Ziel finden. Er traf ziemlich oft. In 1280 NBA-Matches gelangen ihm durchschnittlich 25,4 Punkte, dazu 5,3 Rebounds und 4,8 Assists. Solche Statistiken schaffen nur wenige.

"Kobe", wie er in den USA schlicht heißt, ist einer der Besten, die dieses Spiel hervorbachte. Über viele Jahre war er sogar annähernd so gut wie Michael Jordan, der Mann, der alles überragt. Heute ist Bryant für die "Zonks, Boings und Klonks" zuständig, die bei Lakers-Partien allzu oft zu hören sind. Er trifft nicht mehr, seine Wurfquoten sind für einen mit Talent überhäuften Athleten wie ihn unterirdisch schlecht. In seinen ersten 13 Partien dieser Saison verwandelte er noch nicht mal jeden dritten Versuch - und ganz Amerika schaut ihm dieser Tage beim Scheitern zu.

Kobe Bryant ist ein charismatischer Typ, einer, der stets seine Meinung sagt. Manche halten ihn für einen Egomanen, einen Alleinunterhalter mit losem Mundwerk. Sein krankhafter Ehrgeiz ist berüchtigt bei Gegnern und Mitspielern. Einige waren ihm als Kollegen bei den Lakers nicht gut genug - das teilte er ihnen in aller Deutlichkeit mit. Aber in der vergangenen Nacht traf Bryant eine Entscheidung, die auch seine größten Verteufler bewegen dürfte: Für das Ende dieser Spielzeit kündigte er seinen Abschied vom aktiven Sport an. Vermutlich ist es für ihn im Mai 2016 vorbei. Für diese Bekanntmachung wählte er eine ungewöhnliche Form.

Der Shooting Guard veröffentlichte auf der Plattform The Players' Tribune ein Gedicht unter dem Titel "Dear Basketball". Es ist das bewegende Pamphlet eines Sportlers, der sich selbst eingestehen muss, dass er nicht mehr kann. Zwar würden sein Herz und sein Gehirn die Belastungen des Sports noch ertragen, schrieb der 37-Jährige. "Aber mein Körper weiß, dass es an der Zeit ist, auf Wiedersehen zu sagen." Er habe sich früh in diesen Sport verliebt und ihm alles gegeben: "Hirn und Körper", "Geist und Seele", schrieb Bryant weiter. Kaum ein NBA-Profi hat so gnadenlos an sich gearbeitet wie "The Black Mamba" - eine klassische "gym rat", wie es drüben heißt: ein Trainingsbesessener.

Die verflixten Verletzungen

Immer wieder war er in den vergangenen Jahren von Verletzungen zurückgeworfen worden. Seine überbordende Athletik, seine Sprungkraft, seine Finesse - all die Qualitäten, die ihn so lange ausmachten, hatten in der Folge nachgelassen. Natürlich blitzte immer wieder sein Können auf: Ein irrer Dunking hier, 40 Punkte in einem Spiel da. Aber es wurde nicht mehr so spektakulär wie damals, als er 2006 einmal 81 Zähler in einer Partie schaffte. Der Verfall seiner Schaffenskraft war unaufhaltbar. Nach einem Riss der Rotatorenmanschette in der rechten Schulter war die zurückliegende Saison für ihn bereits im Januar beendet - und das zum dritten Mal hintereinander.

Er hat es noch einmal versucht, er versucht es weiterhin. Kobe ist keiner der einfach aufgibt. Während der Spielzeit aufzuhören, scheint für ihn (derzeit) keine Option zu sein. Die Saison mit den hundsmiserablen Lakers dauert ja noch an. Mit aktuell zwei Siegen und 14 Pleiten sind die Playoffs so weit weg wie die Freiheitsstatue von Malibu Beach. Trotzdem plant Bryant eine würdevolle Abschiedstournee. Die NBA-Fans in New York, Miami oder Chicago sollen ihn nochmal spielen sehen. "Diese Saison ist alles, was ich noch geben kann", sagt er, nachdem er sich von Schmerzen geplagt ein letztes Mal aufs Parkett zurückgekämpft hat.

Bryant kann auf eine Karriere im Überschallmodus zurückblicken: Er kam mit 17 zu den Lakers, gewann mit 18 den Slam-Dunk-Contest, er holte Meisterschaften an der Seite von Shaquille O'Neal und später mehr oder weniger alleine. Er war das Gesicht zweier goldprämierter "Dream Teams" bei Olympia, er brachte als fünfter Spieler der NBA-Geschichte 30 000 Punkte in seiner Laufbahn zustande - und er ist Multimillionär.

Nun geht es also zu Ende. Man könnte sagen: Kobe Bryant hat den richtigen Moment fürs Aufhören verpasst. Aber was heißt das schon bei einem Mann, der niemandem mehr etwas beweisen muss. "Ihr alle habt einem sechsjährigen Jungen einst den Traum von einer Karriere bei den Los Angeles Lakers geschenkt, ich werde euch immer dafür lieben", schreibt er. "Aber ich kann nicht mehr." Er würde es auf Dauer selbst wohl nicht mehr ertragen, diese ständigen "Zonks, Boings und Klonks".

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