Karriereende von Holger Badstuber:Der Hochbegabte, der nicht mitspielte

Karriereende von Holger Badstuber: Zwei große Versprechen im Jahr 2010: Holger Badstuber (rechts) und Thomas Müller.

Zwei große Versprechen im Jahr 2010: Holger Badstuber (rechts) und Thomas Müller.

(Foto: Imago)

Holger Badstuber blickt auf eine Laufbahn zurück, über die man sich immer fragen wird, wie sie ohne diese furchtbare Verletzungsserie gelaufen wäre. Nun will er Trainer werden - und wird ein Beispiel für Fleiß und Willensstärke sein.

Von Markus Schäflein

In der Saison 2020/21 spielte Holger Badstuber, damals 31, in der Regionalliga Südwest gegen Eintracht Stadtallendorf und Bayern Alzenau. Er war beim VfB Stuttgart in die zweite Mannschaft versetzt worden, nach Verletzungsproblemen kam es zu Unstimmigkeiten über seine Rolle. Der Verein wollte ihn loswerden, aber der ehemalige Nationalspieler zog die Sache mit 28 Einsätzen in der vierten Liga durch. "Das ist eben mein Weg und meine spezielle Karriere", sagte er damals. "Und das ist vielleicht auch der Holger Badstuber, an den man sich am Ende erinnert."

Der Holger Badstuber, an den man sich nun, da er seine Laufbahn offiziell beendet hat, erinnert, ist aber natürlich nicht der Holger Badstuber, der gegen Bayern Alzenau gespielt hat. Er ist der Holger Badstuber, der für Bayern München nicht gespielt hat.

Er hat nicht gespielt im Champions-League-Finale 2013 in London, als der FC Bayern 2:1 gegen Borussia Dortmund gewann; die Kollegen hielten bei den Feierlichkeiten sein Trikot in die Kameras. Er hat nicht gespielt, als die Nationalmannschaft 2014 in Brasilien Weltmeister wurde. Und er hat nicht gespielt, als 2016 der FC Bayern im Champions-League-Halbfinale gegen Atletico Madrid ausschied und die Nationalmannschaft bei der EM im Halbfinale gegen Frankreich. Auf 166 Bundesligaeinsätze kam Badstuber, 200 mögliche Bundesligapartien verpasste er aufgrund einer furchtbaren Serie von Verletzungen. Der frühere Bundestrainer Joachim Löw sagte einmal: "Es ist schon unglaublich, dass es immer wieder Holger trifft."

Nach einem Knacken am 1. Dezember 2012 wird aus der Karriere eine Krankenakte

Die Geschichte wird umso trauriger, wenn man sich ausmalt, was möglich gewesen wäre, wenn Badstuber gespielt hätte. In der Saison 2009/10, er war gerade 20 Jahre alt und hatte erst seit wenigen Monaten einen Profivertrag beim FC Bayern, vertraute ihm der neue Trainer Louis van Gaal den Stammplatz in der Innenverteidigung an. Und das Talent interpretierte die Position auf eine Weise, die damals aufsehenerregend war - eben nicht nur mit Robustheit, Kopfballstärke und präzisem Tackling, sondern auch mit eleganten Pässen und technischem Können. Schon ein Jahr später gehörten Badstuber und ein gewisser Thomas Müller dem WM-Kader an, alle Experten und Nicht-Experten prophezeiten diesem Duo eine ganz große Zukunft.

Karriereende von Holger Badstuber: Champions-League-Sieger 2013: Bastian Schweinsteiger, David Alaba, Diego Contento, Mario Mandzukic, Jerome Boateng und Xherdan Shaqiri (v.l.) mit dem Trikot des verletzten Holger Badstuber.

Champions-League-Sieger 2013: Bastian Schweinsteiger, David Alaba, Diego Contento, Mario Mandzukic, Jerome Boateng und Xherdan Shaqiri (v.l.) mit dem Trikot des verletzten Holger Badstuber.

(Foto: Ulmer/Imago)

Und dann: 1. Dezember 2012, Bundesligaspiel des FC Bayern gegen Borussia Dortmund, 35. Minute, ein Knacken. Badstuber, mittlerweile 23, verdreht sich bei einem Zweikampf mit Mario Götze das Knie. Kreuzbandriss. Aus der Karriere wird von nun an eine Krankenakte.

Sechs Monate braucht Badstuber, um wieder einigermaßen fit zu werden, dann reißt das Band erneut. Bis zum August 2014 kann er kein einziges Spiel bestreiten. Im Herbst 2014 und im Frühjahr 2015 reißen Muskeln und Sehnen im Oberschenkel. 2015 wird er von Löw dennoch erneut für die Nationalmannschaft nominiert, bei seiner Rückkehr auf den Platz im November rufen die Fans minutenlang seinen Namen. Im Februar 2016 zieht Badstuber sich einen Verrenkungsbruch des Sprunggelenks zu. Im Training verhaken sich seine Stollen bei einer Grätsche im Rasen. Keine Fremdeinwirkung, kein Schuldiger. Saisonaus.

Zwei Kreuzbandrisse, ein Sehnenriss, ein Oberschenkelmuskelriss, ein Sprunggelenksbruch - Verletzungen gehören zum Fußball, aber das, was Holger Badstuber mitmacht, sorgt selbst in der oft wenig einfühlsamen Branche für Mitgefühl. Auch Konkurrent Borussia Dortmund schickt Genesungswünsche: "Ein Badstuber steht immer wieder auf."

Karriereende von Holger Badstuber: Ausklang in der Schweiz: Zum Schluss spielte Holger Badstuber ein Jahr lang beim FC Luzern.

Ausklang in der Schweiz: Zum Schluss spielte Holger Badstuber ein Jahr lang beim FC Luzern.

(Foto: Manuel Geisser/Imago)

Diesmal stand Badstuber nicht wieder auf, jedenfalls: nicht mehr beim FC Bayern. Nach einem Kurzeinsatz in der Hinrunde wechselte er im Winter der Saison 2016/17 zu Schalke und im Sommer 2017 nach Stuttgart. Wenn er spielen konnte, spielte er, aber Transfermarkt.de listet auch für seine Zeit beim VfB auf: Adduktorenverletzung, Oberschenkelzerrung, Adduktorenbeschwerden, Wadenverletzung, Wadenbeschwerden, Muskelfaserriss. Und schließlich eben: Regionalliga Südwest. Dann noch ein Jahr in der Schweiz beim FC Luzern, seit 16.12.2021: vereinslos, seit 5.9.2022: Karriereende.

Badstuber will nun Trainer werden, wie sein Vater, der ihn zum Fußball brachte und ihn immer beim FC Bayern sehen wollte. Hermann Badstuber erlebte den vielversprechenden Karrierestart nicht mehr mit, er verstarb schon 2009. Badstuber wird seinen Spielern vermitteln können, dass es ein Privileg ist, als Fußballer auf dem Platz zu stehen, und er wird ihnen Fleiß und unbändige Willensstärke mitgeben. So gesehen ist der Holger Badstuber, der bleibt, tatsächlich der Holger Badstuber, der gegen Stadtallendorf und Alzenau gespielt hat.

"Ich will in die Fußstapfen meines Vaters treten", sagte er. Er möchte ihm etwas zurückgeben - und darf hoffen, dass ihm der Fußball etwas zurückgibt.

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