Badminton-Spieler Marc Zwiebler:Zwei gegen einen

Badminton-Spieler Marc Zwiebler: Flachgelegt: Deutschlands bester Badmintonspieler Marc Zwiebler.

Flachgelegt: Deutschlands bester Badmintonspieler Marc Zwiebler.

(Foto: AFP)

Marc Zwiebler will gegen die asiatischen Überspieler endlich Titel erringen - und sie nicht nur hin und wieder schlagen. Weil ihm in Deutschland ebenbürtige Gegner ausgegangen sind, spielt er jetzt eben gegen zwei - gleichzeitig.

Von Matthias Schmid

Lockeres Schlagtraining, das ging am Montagmorgen wieder, immerhin. Am vergangenen Samstag dachte Marc Zwiebler, 30, noch, dass ihn der Arzt für längere Zeit vom Sport befreien würde. Alles tat ihm weh, erst die chronische Schleimbeutelentzündung im Fuß, dann der ganze Körper. Die Schmerzen waren so schlimm, dass Deutschlands bester Badmintonspieler sein Halbfinale beim Super-Series-Turnier in China gegen den späteren Sieger, Kidambi Srikanth aus Indien, nach verlorenem ersten Satz aufgab. "Jetzt geht es mir schon wieder ganz gut", sagt Zwiebler, er hofft, dass er am Mittwoch in der ersten Runde der Hongkong Open gegen den Weltranglistendritten aus Dänemark, Jan Jorgensen, wieder genesen ist.

Die China Open hätten Zwieblers Turnier werden sollen, im Achtelfinale hatte der Bonner den Weltmeister Chen Long besiegt, alles schien bereitet zu sein, nie zuvor hatte der Weltranglisten-25. einen Wettbewerb der höchsten Kategorie gewinnen können, zweimal hatte er im Endspiel das Nachsehen. "Ein solcher Sieg gegen Chen ist schön, aber beim nächsten Turnier kann ich mir davon nichts mehr kaufen", sagt Zwiebler. Er ist zu ehrgeizig, um sich darauf etwas einzubilden. Er will nicht nur mit den Besten mithalten, sie hin und wieder schlagen, er will gegen die asiatischen Überspieler endlich Titel erringen.

Die Aufgabe kurz vor Verwirklichung seines großen Zieles dürfte ihn aber nicht negativ beeindrucken, er kennt sich aus mit Verletzungen, sie begleiten seine Laufbahn so zuverlässig wie Möwen ein Fischerboot. Zu Beginn seiner Profikarriere hatte ihn eine Bandscheibenoperation zu zwei Jahren Pause gezwungen, er kam zurück und wurde 2012 Europameister. Er hat gelernt, auf seinen Körper zu achten, mit ihm behutsam umzugehen. Er hat nämlich noch viel vor, er will sich bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro den Traum von einer Medaille erfüllen.

Um dies erreichen und mit der Dominanz aus Fernost mithalten zu können, greift der Linkshänder immer wieder zu unkonventionellen Trainingsmethoden, um die Stärke seiner Kontrahenten irgendwie nachzustellen. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als einen eigenwilligen Weg zu gehen, in Deutschland sind ihm schon lange die Gegner ausgegangen, es gibt niemanden, der sich annähernd auf seinem Niveau bewegt. Also schnappt er sich im Bundesstützpunkt Saarbrücken hin und wieder Nachwuchsspieler, die dann zu zweit gegen ihn antreten. "Die Matches sind dann ausgeglichen", erzählt Zwiebler.

Wer das überheblich findet, dem begegnet er mit Pragmatismus. Er erläutert dann, dass in Deutschland die Weltklassespieler fehlen, dass es noch Jahre dauern wird, bis die hochbegabten Junioren, die er mit seinen Erfolgen beeinflusst hat, so weit sind. Er ist für sie das Vorbild, das ihm einst fehlte. "Mir hat niemand gesagt, dass ich eines Tages die Asiaten schlagen könnte", sagt Zwiebler. Die Nachwuchsspieler lassen für die Zukunft hoffen. Hier und heute helfen sie ihm als Trainingspartner aber nur, wenn sie zu zweit gegen ihn an antreten.

In Dänemark und in England ist das anders, da gibt es starke Trainingsgruppen. "Diese intensiven Einheiten fehlen mir", sagt Zwiebler, der deshalb viel Zeit mit Spielern aus den beiden Ländern verbringt. Vor allem das kleine Dänemark hat ein pfiffiges Gegenmodell zum eher autoritären Sportschulsystem gefunden, wie es in China gepflegt wird. In Skandinavien legen sie sehr viel Wert auf Qualität und Spaß statt auf sehr viel Training mit sehr vielen Wiederholungen. Bei den Männern stehen drei Dänen unter den besten 25 der Welt.

In Asien spielen die Menschen die besten Ballwechsel nach

Zu Beginn des Jahres hatte sich Marc Zwiebler über einen überraschenden Anruf gefreut. Es kommt selten bis nie vor, dass der langjährige Weltranglistenerste Lee Chong Wei aus Malaysia einen europäischen Kontrahenten zu sich nach Kuala Lumpur einlädt, um mit ihm zwei Wochen zu üben. Zwiebler wohnte in der Nähe des Trainingszentrums, Lee holte ihn täglich ab. Die beiden verstehen sich gut, bei Turnieren unternehmen sie abseits der Halle häufig etwas.

"Die Trainingseinheiten haben mir unheimlich viel gebracht", sagt Zwiebler. Überraschend fand er die Übungen nicht, "nur das Niveau war viel höher". Gemeinsam spielten sie anschließend auch in der Super-League in Indonesien. Während bei Bundesligaspielen seines Klubs Bischmisheim nur ein paar Hundert Zuschauer in der Halle weilen, wird in Asien jedes Spiel live im Fernsehen übertragen. Badminton ist Volkssport. "Die Menschen sind ganz verrückt darauf, sie spielen am nächsten Morgen die besten Ballwechsel nach", erzählt Zwiebler.

Es gibt sogar Parks, in denen die Bäume in einem Abstand von 6,10 Metern gepflanzt sind, in der Breite eines Badmintonfeldes. Die Menschen hängen beim sonntäglichen Ausflug dann ihre Netze dran.

Die Zuneigung kennt aber auch Grenzen, wie Marc Zwiebler erfahren hat. Einmal hatte er bei einem Zwischenstopp auf dem Flughafen in Singapur große Langweile, mitten in der Nacht musste er noch Stunden auf den Abflug warten. Es waren kaum Leute da, also stellten er und andere die Sitzreihen übereinander, packten ihre Schläger aus und spielten sich so lange die Bälle zu, bis die Sicherheitsbeamten den Spaß beendeten.

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