IOC-Präsident Bach:Applaus, bis die Hände glühen

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Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), will mehr. (Foto: dpa)

Thomas Bach möchte gerne länger weiterregieren. Dass die Athleten "nicht ausreichende Mitspracherechte" bei der Wahl beklagen, ist mal wieder bezeichnend für seinen Führungsstil.

Kommentar von Thomas Kistner

Gefehlt hat nur der weiße Rauch aus dem Kamin. Aber der 136. IOC-Konvent fand halt leider nicht in Rom, sondern virtuell statt, außerdem ist für den Rauch noch etwas Zeit: Als IOC-Boss bestätigt wird Thomas Bach erst bei der Session 2021. Nimmt man die einstündigen Hosiannagesänge des entrückten olympischen Stimmvolks zum Maßstab, die jetzt Bachs Verkündigung, den Ringe-Konzern weitere vier Jahre befehligen zu wollen, umrahmten, erscheinen liturgische Korrekturen für die nächste Krönungsmesse des Sport-Pontifex nicht ausgeschlossen: weißer Rauch also und Applaus, bis die Hände glühen.

Oder ist diese mittelalterliche Ekstase ob einer äußerst vorhersagbaren Amtsverlängerung des deutschen Wirtschaftsanwalts nur sportinternen Zwängen geschuldet? Außerhalb der Bruderschaft ist Bach nicht so gut gelitten; schon gar nicht bei denen, um die sich ja alles drehen soll im olympischen Sport: bei den Sportlern.

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Thomas Bach ist zu einer weiteren Amtszeit bereit. Er wolle der "olympischen Familie weiterhin dienen", sagt der 66-Jährige.

Der Verein Athleten Deutschland hat die jüngsten Choräle scharf kritisiert. "Das höchste Amt im IOC sollte vor allem für Athletinnen und Athleten da sein. Bei der Wahl haben sie aber noch nicht ausreichend Mitbestimmungsrechte", halten die Sportler fest, wohlwissend, was ihnen und anderen Bach-kritischen Athleten-Bündnissen entgegengehalten wird. Athleten, die pro Bach sind? Klar, die sitzen doch sogar direkt im Olymp! In der IOC-Athletenkommission, erstellt unter stiller Regie des Ringe-Clans und bestückt mit so spektakulären Freigeistern wie Jelena Issinbajewa. Russlands Stabhochsprung-Ikone durfte jüngst in der Heimat an der Verfassungsänderung für ihren Gönner Wladimir Putin mitbasteln. Oder Eisschnellläuferin Hong Zhang: Ist Vorstandsmitglied im Olympiakomitee von China. Oder Seung Min Ryu aus Südkorea, wo gerade eine Debatte über massiven Athletenmissbrauch läuft.

Ja, auch Hayley Wickenheiser sitzt in diesem IOC-Athletenstab, sie war aktiv für Kanadas Eishockeyteam und ist heute Ärztin. Und sie hat Mut zur eigenen Meinung. Wohin das führt, hat sie leider im März erlebt: Da hatte sie Bachs Strategie, trotz grassierender Covid-Pandemie am Spiele-Termin für Tokio festzuhalten, als "verantwortungslos" bezeichnet. So, wie fast die ganze Welt. Nur Stunden nach ihrem Twitter-Beitrag kam der Rüffel von oben: Das IOC ließ Wickenheiser wissen, wie tief es bedauere, "dass ich mich geäußert habe, ohne erst das IOC zu fragen".

So funktioniert das überall im von Bach runderneuten IOC. Das übrigens seit dessen Amtsantritt 2013 erstaunlich viele Spitzenleute verlor. Ermittlungen in aller Welt zogen die Top-Olympier aus Asien (Ahmad al-Sabah), Afrika (Lamine Diack), Europa (Pat Hickey) und Südamerika (Artur Nuzman) aus dem Verkehr. Diese Verfahren untermalen nun wie Kaufhausmusik andere Affären in Bachs Ära. Da wäre insbesondere der russische Staatsdoping-Skandal; der milde Umgang des IOC mit Moskau führte bei Athleten und Anti-Doping-Agenturen zu starken Protesten. Sie befürworten nun ein Gesetz, das in den USA vor der Verabschiedung steht: Es zielt nicht auf Sportler, sondern auf Hintermänner - wo immer in Dopingfällen ein Dollar bewegt wird, will die US-Justiz zugreifen. Also überall im Weltsport. Mit so einem Anti-Mafia-Gesetz hat sie schon die Korruption im Fußball-Weltverband Fifa ausgemistet. In der Not schart sich das Funktionärsvolk da um den starken Anführer. Beim Video-Konvent huldigte nun auch Mustafa Berraf dem Patron; zu einem Kongress hätte der zuhause unter Korruptionsverdacht stehende Algerier gar nicht ausreisen dürfen. Überhaupt, gefehlt hat beim großen Personenkult nur: Hayley Wickenheiser. Sie hatte wohl Besseres zu tun.

© SZ vom 20.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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