Süddeutsche Zeitung

DFB-Pokal:"Die sollen feiern"

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Viertligist Babelsberg besiegt den Bundesliga-Aufsteiger Greuther Fürth im Elfmeterschießen. Danach gibt der neue Trainer klare Anweisungen. Und nächste Woche "werden wir den Alkohol wieder ausschwitzen müssen".

Von Javier Cáceres, Potsdam

Die Aussichten auf eine dieser zuletzt seltenen, so genannten Pokalsensationen standen in Babelsberg denkbar schlecht. Unter der Woche hatte der Viertligist SV Babelsberg 03 seinen Trainer ausgetauscht, Predrag Uzelac wurde am Dienstag durch seinen Co-Trainer Jörg Buder ersetzt. Sprich: nur vier Tage vor der Visite der SpVgg Greuther Fürth, die am kommenden Wochenende ihre Bundesliga-Rückkehr formalisieren wird.

Und zunächst sah es tatsächlich so aus, als ob es ein Pokalspiel von der Stange geben würde: Die Fürther gingen im Karl-Liebknecht-Stadion durch einen Elfmeter in Führung, dominierten die Partie zunächst klar. Aber siehe: Die Babelsberger drehten die Partie, kassierten fünf Minuten vor dem Ende der regulären Spielzeit den 2:2-Ausgleich, überstanden die Verlängerung - und siegten dann mit 5:4 im Elfmeterschießen.

Der Viertligist kegelte den drei Klassen höher angesiedelten Gast aus dem Turnier, unter dem Gejohle von 3030 Zuschauern, die unter den Fahnen mit dem Konterfei von Liebknecht Ska tanzten und einen Torwart namens Marco Flügel feierten, der im Elfmeterschießen gegen Branimir Hrgota und Max Bauer obsiegt hatte.

"Ich bin sehr enttäuscht", sagte Fürths Trainer Stefan Leitl, "auch weil wir mit einem Erfolgserlebnis in die Saison starten wollten." Er fürchtet allerdings nicht, dass wegen dieser Pokalpleite nun die Stimmung im Team leidet. "Wir haben wenige Spieler bei uns, die schon erste Liga gespielt haben", erklärte er, deshalb seien "Eigenmotivation und Freude" garantiert. Abgesehen davon werde sein Team in der Bundesliga eine andere Rolle ausfüllen als gegen Babelsberg, auch das solle dabei helfen, "die ganz große Sensation", also den Klassenerhalt, zu schaffen. "Vielleicht tut es uns ganz gut, wenn wir nicht als Favorit in jede Partie gehen müssen."

Die Fürther hatten kurz nach Beginn des Spiels beim Tabellenachten der Regionalliga Nordost durchaus mit dem Umstand hadern dürfen, dass in der ersten Pokalrunde kein Videoschiedsrichter zu Rate gezogen wird. In der vierten Minute hätte Referee Robin Braun den Gästen eigentlich einen Treffer zuerkennen müssen, denn ein Babelsberger Verteidiger klärte nach einer unübersichtlichen Szene im Fünfmeterraum einen Schuss von Fürths Angreifer Jamie Leweling offenkundig knapp hinter der Linie.

Dafür kam den Fürthern in der 22. Minute zupass, dass in dieser Pokalrunde auch keine kalibrierten Linien gezogen werden. Leweling war wohl im Abseits, als er sich nach einem Pass von Branimir Hrgota den Ball vorlegte, dann stürzte er über den am Boden liegenden Babelsberger Torwart Marco Flügel - und wurde mit einem Elfmeter belohnt. Hrgota verwandelte sicher zur Führung.

Die Fürther waren die qualitativ bessere Mannschaft, aber Babelsberg hatte Mut

Gut fünfzehn Minuten später aber leistete sich aber mit Gideon Jung ausgerechnet einer der wenigen Spieler mit reichlich Bundesliga-Erfahrung einen kapitalen Schnitzer. Auf der rechten Seite ließ sich der vormalige HSV-Verteidiger von Babelsbergs Robin Müller ausmanövrieren. Müller passte auf Timo Schmidt, und dieser bediente Marcel Rausch, der mit großer Übersicht und Kälte gegen die Laufrichtung von Torwart Marius Funk zum zwischenzeitlichen Ausgleich einschoss.

Das Resultat spottete einerseits den Kräfteverhältnissen, die sich bis dahin auf dem Rasen dargeboten hatten. Die Fürther waren die qualitativ bessere, dominierende Mannschaft. Andererseits: Babelsberg hatte trotz einer defensiv ausgerichteten Spielweise mit kleinmütigen Mannschaften nichts gemein.

Nach der Pause trugen sich nahezu sämtliche Ereignisse in der Hälfte der Babelsberger zu, darunter ein (wegen Abseits zurecht aberkanntes) Tor des zur Pause eingewechselten Abdourahmane Barry (55.) und ein Schuss von Julian Green aus aussichtsreicher Position. Der Ball aber landete über dem Tribünendach. Als sich die Fans beider Lager auf der Tribüne auf andere Kämpfe verständigten und "Alle! Zusammen! Gegen den Faschismus!" brüllten, auch weil der Nordostdeutsche Fußballverband neulich meinte, eine Kampagne gegen Nazi-Opfer verbieten zu müssen, fiel die Babelsberger Führung.

Die Platzherren konnten dabei auf die Mithilfe des Schiedsrichters zählen. Zum berechtigten Ärger ordnete er 23 Meter vor dem Tor der Fürther einen Freistoß an, den Schmidt kunstvoll und mit viel Effet an die Querlatte setze. Der Ball fiel in den Rücken von Torwart Funk und trudelte dann die Linie entlang, ehe Babelsbergs Innenverteidiger Marcus Hoffmann ihn zum 2:1 über die Linie drückte.

Der Rest des Spiels war Fürther Hektik und Babelsberger Widerstand. Die Dringlichkeit, die Fürth verspürte, trug nichts anderes als einen Fernschuss von Green ein, den Torwart Flügel ohne Mühe parierte (84.). Bis Green in der 85. Minute doch per Kopf traf - nachdem sich Barry bis an die Grundlinie durchgekämpft und präzise in den Rücken der Abwehr geflankt hatte.

Was folgte, war eine Verlängerung, die erstaunlich wenig bot, außer einer Großchance von Hrgota (111.), der frei vor Torwart Flügel verzog, einem Kopfball von Maximilian Bauer - und dem Regen, der zum Ende der Verlängerung einsetzte, auch beim Elfmeterschießen auf die Akteure niederging und am Ende vergessen war, weil David Danko den Sieg sicherstellte. Und den SV Babelsberg 03 damit in die zweite Runde des Pokals katapultierte.

Babelsberg-Trainer Jörg Buder gab seinen Spielern nach dem leidenschaftlich erkämpften Sieg frei, "die sollen feiern", sagte er. Das nächste Training wurde für Montag angesetzt. "Und dann werden wir den Alkohol wieder ausschwitzen müssen."

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