Babbel-Aus in Hoffenheim:Abstiegskampf als Nachlass

Eine Negativserie in der Bundesliga, dazu etliche missglückte Transfers: 1899 Hoffenheim trennt sich von Markus Babbel und ernennt U23-Trainer Frank Kramer vorerst zum Nachfolger. Der nächste Coach muss vor allem eins schaffen: Sich von Klubmäzen Dietmar Hopp zu emanzipieren.

Von Tobias Schächter

1899 Hoffenheim - Press Conference

1899-Manager Andreas Müller (li.) ernennt Frank Kramer zum vorübergehenden Nachfolger von Markus Babbel. 

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Sinsheim - Der Reporter eines privaten TV-Senders stand am Montagmorgen frierend vor dem verschlossenen Trainingszentrum der TSG 1899 Hoffenheim in Zuzenhausen. Der Mann wartete viele Stunden vergeblich auf neue Nachrichten vom Fußballklub, also berichtete er von vorbeifahrenden Traktoren und der klirrenden Kälte in der badischen Provinz. In einem beheizten Besprechungszimmer berieten derweil die TSG-Geschäftsführer Alexander Waldi und Alexander Briel sowie Chefausbilder Bernhard Peters mit Manager Andreas Müller über die nach dem 1:4 gegen Werder Bremen unausweichlich gewordenen Konsequenzen. Als die Profis am Nachmittag trotz des freien Tages auf dem Gelände eintrafen, war das Aus des Trainers Markus Babbel beschlossene Sache. Um 16 Uhr verkündete Müller die Beurlaubung des Trainers, der bei der TSG noch einen Vertrag bis Juni 2014 besitzt.

"Unsere zunehmend bedrohliche Situation und der einhergehende negative Trend haben mir keine Wahl gelassen", teilte Müller mit. Bis zur Winterpause übernimmt U23-Trainer Frank Kramer, "möglicherweise aber auch darüber hinaus", so Müller. Der Memminger Kramer, 40, war 2011 noch vom damaligen Manager Ernst Tanner geholt worden, derzeit macht er die Ausbildung zum Fußballlehrer in Köln. Vergangenen Dienstag weilte er mit seinen Kommilitonen noch zum Anschauungsunterricht in Frankfurt beim Spiel gegen Mainz 05. Am Freitag in Hamburg wird er erstmals im großen Scheinwerferlicht ein Spiel der TSG-Profis analysieren müssen.

An der Aufgabe, die rätselhaften Leistungen seines Teams zu erklären, war Babbel in den vergangenen Wochen immer wieder phrasenreich gescheitert. Mit der Übergangslösung Kramer wollen die Hoffenheimer Verantwortlichen Zeit gewinnen. Sie wissen: Der Trainermarkt ist nicht gerade üppig besetzt, und die nächste Trainer-Entscheidung muss sitzen. Kramer ist nach der Trennung von Erfolgscoach Ralf Rangnick bereits der vierte Trainer, der sich an dieser wankelmütigen Mannschaft und diesem schwierigen Verein versucht - vor ihm scheiterten Marco Pezzaiuoli, Holger Stanislawski und Markus Babbel.

"Es geht nur noch darum, die Liga zu halten"

"Die Leute haben Angst, dass wir absteigen", weiß Müller seit dem 1:4 gegen Werder am Sonntag. Er spüre die Verantwortung, aber auch das Vertrauen des Klubmäzens Dietmar Hopp. Noch Sonntagnacht telefonierte Müller mit Hopp, der sich derzeit im Urlaub in Florida aufhält. Ohne das Okay des Milliardärs und TSG-Gesellschafters traut sich in Hoffenheim niemand, Entscheidungen zu treffen. Künftig wird dieser wie ein Teenager nach Identität ringende Klub einen Trainer brauchen, der die Statur hat, sich von Hopp und seinen Einflüsterern zu emanzipieren. Manager Müller schätzt die sportliche Situation richtig ein, wenn er sagt: "Es geht nur noch darum, die Liga zu halten." Ein schlechteres Zeugnis hätte er seinem scheidenden Trainer kaum ausstellen können.

Babbel manövrierte die TSG auf Relegationsplatz 16, die Elf hat jegliches Selbstvertrauen eingebüßt und stellt mit 36 Gegentoren eine Abwehr, die nur auf dem Papier existiert. Vollmundig hatte Babbel das Ziel "Europacup" ausgerufen, obwohl die TSG die drei Spielzeiten zuvor jeweils auf Tabellenrang elf endete. Die Aufzählung der neuen Spieler in der Kurz-Ära Babbel liest sich wie eine Liste der Enttäuschungen: Wiese, Delpierre, Schröck, Derdiyok, Chris, Ochs, Usami, mit Abstrichen Joselu. Babbel scheiterte an seinem Vorhaben, seiner Mannschaft die von ihm geforderte "Siegermentalität" zu verordnen.

Auch Babbels Aufstellungen ließen zuletzt keine klare Linie mehr erkennen, einige Spieler mussten schmerzvolle Degradierungen hinnehmen. Bizarr wurde es, als Babbel jüngst ohne Not erklärte, dass der beim Publikum umstrittene Torwart Tim Wiese gegen Wolfsburg auch dann nicht gespielt hätte, wenn er gesund gewesen wäre. Der verletzte Kapitän war damit hochoffiziell demontiert. Wahrscheinlich spürte Babbel da schon, dass das Vertrauen in ihn immer mehr schwand. Mit allzu vorhersehbarer Krisenrhetorik verstörte Babbel zudem das Publikum, neue Impulse für die Mannschaft waren so nicht mehr möglich.

Andreas Müller, der das Manager-Amt erst im September von Babbel übernahm, hat nun die schwere Aufgabe, den Verein personell und wohl auch strategisch neu auszurichten. Neben der Trainerfrage wird er entscheiden müssen, ob im Winter neue Spieler nötig sind. Auf die Frage an Babbel, ob die Personalpolitik anders ausgefallen wäre, wenn im Sommer schon ein anderer Manager als er selbst die Geschäfte geführt hätte, hatte er zuletzt kryptisch geantwortet: "Das weiß ich jetzt nicht." Nach nur sieben Siegen in 29 Ligapartien hat Babbel, der mit großen Hoffnungen angetreten war, das Vertrauen von Dietmar Hopp verspielt.

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