So einen Andrang hat das Copacabana Palace Hotel am Strand von Rio de Janeiro selten erlebt. Die Betreiber des Nobeletablissements hätten darauf so gerne verzichtet wie die Insassen ihrer Luxussuiten in diesen WM-Wochen, die Würdenträger des Weltverbandes Fifa. Mittags hatten sich erste Reporter und Kameraleute eingefunden, da war die Nachricht von einem Haftbefehl durch- gesickert.
Dann kam er im griffigen Geleit von Zivilbeamten, der Mann, den Rios Polizei nach einer monatelangen Schwarzmarkt-Operation als Kopf einer Ticket- dealer-Bande ausgemacht haben will: Ray Whelan, Brite und langjähriger Marketingdirektor der exklusiven Fifa-Ticket-Agentur Match, festgenommen am Montag um 15.40 Uhr im Herzen der Fußballfamilie.
Das ist ein zentraler Schlag gegen das Geschäftsgebaren im Weltfußball. Die Match Services AG, die neben den Tickets auch das hochprofitable Hotelgeschäft und weitere Dienste im Namen der Fifa betreibt, ist nicht irgendein Partner des Verbandes. Sie gehört langjährigen Vertrauten der Fußballfamilie: den Brüdern Jaime und Enrique Byrom. Diese sorgen im Kontext mit WM-Tickets seit den Neunzigerjahren erstaunlich regelmäßig für Skandale.
Bei der WM 2002 widmeten ihnen empörte Fans Plakate in den Stadien, 2006 in Deutschland wurde ihr Name rasch zum Reizwort. 2010 beklagten Südafrikas Hotelbesitzer brutale Strategien und Knebelverträge der Fifa-Exklusivpartner. Warum das mexikanische Duo, das in England mit über die Jahre wechselnden Firmennamen operiert, trotzdem ständig den Zuschlag erhält, zählt zu den klassischen Geschäftsrätseln der Fifa. Ein wenig lichten sich die Nebel im Blick auf weitere Familienbande.
Whelan ist kein kleiner Angestellter
Minderheitseigner bei Match ist die Infront Sports & Media, die Schweizer versehen auch das TV-Signal für die WM und viele weitere Dienstleistungen. Infront-Chef ist Philippe Blatter, zufällig Neffe des Fifa-Präsidenten. Und auch der inhaftierte Whelan, der Dienstag vorläufig auf freiem Fuß war, ist kein kleiner Angestellter: Als Ehegatte von Ivy Byrom ist der Brite der dritte Mann im Bund der Mexikaner. Weshalb nun recht bizarr wirkt, dass Enrique Byrom noch vergangene Woche, als Rios Polizei eine elfköpfige Tickethändler-Bande arrestiert hatte, davon sprach, wenn da wirklich einer seiner Leute drinhinge, würde er ihn "an die Wand nageln".
Wie Match hatte auch die Fifa den Verdacht gegen eigene Mitarbeiter abgestritten; zuletzt stichelte sie gar gegen das Vorgehen der brasilianischen Polizei. Wie sinnvoll deren Strategie war, die Fifa nicht in ihre Ermittlungen einzuweihen, zeigt sich spätestens im Blick auf die personellen Verfilzungen, die hinter den eigenständig wirkenden Firmen und Institutionen stehen. Eng vertraut mit den Byroms ist auch Julio Grondona, der zweite Mann in der Fifa hinter Blatter. Und das nicht nur, weil sein Sohn Humberto am Wochenende einer peinlichen Befragung durch die Fifa unterzogen werden musste: Ein persönliches WM-Ticket von ihm war auf dem Schwarzmarkt aufgetaucht. Der Filius machte widersprüchliche Angaben dazu.