Die Hand von Jannik Sinner zitterte, als er sich beim Seitenwechsel Mitte des dritten Durchgangs das Gesicht trocknete, kaltes Wasser über den Kopf kippte und ein feuchtes Handtuch um den Hals legte. Niemand, der so aussieht wie der Italiener in diesem Moment aussah, sollte bei mehr als 30 Grad im Schatten – das Thermometer zeigte gar 33 Grad – länger als ein paar Minuten Sport treiben. Sinner und Holger Rune (Dänemark) hatten sich zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits zwei Stunden lang bekämpft und dabei Ballwechsel geliefert, die einem schon beim Zuschauen den Schweiß auf die Stirn trieben. Im zweiten Satz etwa, als Rune einen Lob über Sinner spielte, selbst per Lob zurück nach hinten geschickt, in die Ecken gejagt, nach vorne gelockt und dann passiert wurde. Bereits da standen beide mit Ich-kann-nicht-mehr-Blick über die Bande gebeugt am Spielfeldrand.
3:2 stand es später im erwähnten Sinner-Moment bei 1:1 Sätzen im Best-of-five-Achtelfinale, das bedeutete: Es würde noch dauern. Sinner wurde in die Katakomben geführt, also sah man den 21 Jahre alten Dänen, wie er mit dieser medizinisch bedingten Auszeit umging. Er will ja unbedingt schaffen, was der nur zwei Jahre ältere Sinner schon erreicht hat: einen Grand-Slam-Sieg. Und dazu gehört der Umgang mit diesen Situationen.
Nach der Pause spielt Sinner, als wäre er nie erschöpft gewesen
Rune saß also da, und er wusste auch nicht so recht, was er mit sich anfangen sollte. Er war selbst erschöpft, eine Pause schadete sicher nicht – andererseits durfte er natürlich nicht zu viel ruhen, denn er wusste nicht, was für ein Sinner da zurück auf den Platz kommen würde: einer, dessen Hand weiter zittert, der keinesfalls länger als noch ein paar Minuten durchhalten würde – oder ein angeschlagener Tennisspieler, der wie angeschlagene Boxer zu den gefährlichsten Wesen gehört, die es gibt im Sport.
Antwort: Es kam der gefährlichste Sinner, den man sich vorstellen konnte. Er lief, als wäre er nie erschöpft gewesen, und nur ein paar Minuten später schaffte er das entscheidende Break in diesem Satz. Er ließ sich danach auch nicht dadurch aus der Ruhe bringen, dass nach einer krachenden Vorhand von ihm das Netz brach und es tatsächlich mehr als 20 Minuten dauerte, bis es repariert war. Der Titelverteidiger, der auch noch den ungeklärten Dopingfall über dem Kopf schweben hat, überstand Schwächeanfall und Pause routiniert, gegen den am Ende immer unruhigeren Rune gewann Sinner 6:3, 3:6, 6:3, 6:2.

„Schon der Morgen war komisch; ich habe mich nicht aufgewärmt. Ich wusste schon, dass es knifflig werden würde“, sagte er nach der Partie noch auf dem Platz: „Ich habe einfach versucht, mental da zu sein.“ Das war er, und das ist freilich eine deutliche Botschaft an die Konkurrenz: Kann schon sein, dass ich kaputt wirke; das bedeutet aber noch lange nicht, dass ich nicht damit umgehen kann.