Süddeutsche Zeitung

Australian Open:Philipp Kohlschreiber, der gefragteste Trainingspartner der Welt

  • Philipp Kohlschreiber ist seit Jahren der beste deutsche Tennisspieler. Bei den Australian Open scheidet er aber in der ersten Runde gegen den Japaner Nishikori chancenlos aus.
  • Der Augsburger ist bei Top-Spielern ein beliebter Trainingspartner, im Wettkampf gelingt ihm aber der Durchbruch nicht.
  • Sein großes Ziel sind in diesem Jahr die Olympischen Spiele in Rio.

Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Philipp Kohlschreiber lächelte, ehe er sich rundmachte. Er habe kein gutes Timing gehabt, mit dem eigenen Rhythmus gekämpft und vor allem bei vielen Ballwechseln nur zugeschaut, was insofern ungünstig war, weil er ja selbst auf dem Platz gestanden war und spielen sollte. Allerdings leider gegen einen Gegner, der "zwei Levels besser" war, der "meine Stärken aus dem Spiel genommen" hat, der "schnell auf den Beinen" war, "gut returnierte", "aggressiv" blieb.

Schonungsloser analysieren sich Profisportler selten, und das wirkte dann tatsächlich ehrlich und sympathisch vom 32-jährigen gebürtigen Augsburger, der seit zwei Jahren ein ehrenwertes Etikett an sich heften hat: bester Deutscher in der Weltrangliste. Beim 4:6, 3:6, 3:6 gegen Kei Nishikori nützte ihm dieser Titel nichts. Natürlich ist der Japaner als Weltranglisten-Siebter der Favorit gewesen, aber eines manifestiert sich auch: Kohlschreiber schafft es nicht, aus dem Kreise der erweiterten Weltspitze mal auszubrechen und so richtig zu überraschen.

Kohlschreiber ist bei Federer und Djokovic als Trainingspartner gefragt

Er lebt im Grunde seit Jahren auf der Tour bestens, sechs Turniere der kleineren 250er Kategorie gewann er schon. Kürzlich erst nahm Kohlschreiber in der asiatischen Show-Liga IPTL teil, er verstärkte das Team der Japan Warriors, in dem Nishikori den Starposten einnahm. Finanziell sollen Einsätze dort unfassbar lukrativ sein, aber auch mit hart erkämpftem Preisgeld in Höhe von insgesamt 8,5 Millionen Dollar hat sich Kohlschreiber ein Polster geschaffen.

Im sportlichen Sinne indes ist seine Situation paradox: Oft wird Kohlschreiber von den besten Profis der Welt wie Roger Federer und Novak Djokovic als Trainingspartner angefragt, weil er so konstant und hart und präzise über einen langen Zeitraum hin und her spielen kann. Seine Schläge sind sehr ästhetisch und technisch gut. "Und mit mir kann man Spaß haben", sagte Kohlschreiber jetzt und witzelte hinterher: "Vielleicht werde ich mal ganz als Sparringspartner anheuern."

Nishikori wunderte sich vorab, dass er überhaupt auf ihn traf, "er müsste doch gesetzt sein", meinte er anerkennend. Doch der Deutsche ist als 34. der Welt eben nicht unter den Top 30, nur die werden in dem 128er Feld bevorzugt behandelt. Ein bisschen bitter für ihn ist zusätzlich, dass er nur wegen fehlender lächerlicher sieben Punkte in der Weltrangliste diesmal nicht unter die ersten 30 rutschte. Hätte er sich beim Turnier in Paris-Bercy trotz leichter Verletzung einfach nur auf den Platz gestellt, hätte er zehn Punkte kassiert - und hätte die Topspieler erst mal umgehen können.

Aber er wollte nichts Schlimmeres riskieren damals. Ob es immer nur Pech ist oder auch etwas anderes Kohlschreibers letzten Schritt hin zu Größerem verbaut, wird indes nur er selbst wissen. Es hat ja schon Geschichten gegeben, in denen er nicht immer gut beraten agierte. Man denke nur an die verkorkste (per Handyfilmchen) und nicht nachvollziehbare Absage fürs Olympia-Turnier 2012.

Im Training hält er mit, im Ernstfall kommt er nicht ran

Im Training hält Kohlschreiber jedenfalls auf Augenhöhe mit den Großen mit, im Ernstfall kommt er leistungsmäßig nicht herein. Und an einem Tag wie diesem Montag schon gar nicht. "Du kannst die Top-Leute nur schlagen, wenn du selbst gut spielst", gab er zu. 31 Fehler unterliefen ihm, keinen einzigen Breakpunkt erspielte er sich. Nishikori spielte in der Anlage wie Kohlschreiber, nur war er in allen Belangen der bessere Kohlschreiber. Der echte (der die Rückhand einhändig spielt) wollte sich deshalb nicht zu sehr ärgern, "ich darf nicht zu ungerecht zu mir selbst sein", redete er sich ein. Zwar nahm er bei seinen zwei Turnieren in Auckland und in Melbourne nur einen Sieg mit, aber seine beiden Niederlagen passierten gegen die Top-Ten-Profis Jo-Wilfried Tsonga und Nishikori.

Als Kohlschreiber erklärte, er werde nun drei Turniere in Serie spielen, in Sofia, Rotterdam und Dubai, er habe große Lust, füllte der Eindruck dem Raum, dass er nicht an seinem frühen Scheitern in Melbourne zerbrechen wird. Allein die Aussicht auf eine Teilnahme bei den Olympischen Spielen in Rio im Sommer motiviert ihn, vermehrt Doppel zu spielen, um neben dem Einzel eine weitere Medaillenchance zu wahren. Mixed wird er wohl auslassen, Kohlschreiber hatte eine plausible Entschuldigung parat: "Ich kann keine Frau abschießen." Und wieder lächelte er.

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