Ein Thema folgt Roger Federer auf Schritt und Tritt, er kann ihm nicht entkommen. Es ist nicht das Wetter, das sich am Freitag an der Pazifikküste merklich abkühlte, nicht die elegante Rückhand, nicht sein jüngster Rekord, sein 100. Spiel bei den Australian Open. Nicht einmal die vier Kinder, von denen eines, der vierjährige Lenny, als Spezialgast, wie er sagte, bei der Mama auf der Tribüne saß (und die Backe von Federers Trainer Ivan Ljubicic bearbeitete). Sondern die 37 Jahre, die er auf dem Buckel hat.
Ob er glaube, dass seine beste Zeit als Tennisspieler vielleicht noch vor ihm liege, wurde er in Melbourne gefragt: Bestimmt nicht, antwortete Roger Federer und lachte. Die vergangenen zehn Jahre hätten Spaß gemacht, vielleicht sogar mehr als die zehn Jahre zuvor: "Aber ich will einigermaßen gesund sein, wenn ich abtrete." Weiterzuspielen, bis ihm der Schläger aus der Hand falle, sei deshalb nicht Teil seiner Lebensplanung.
Nun gehört es nicht zu den vorbildlichsten Umgangsformen, einen Mann im besten Alter, an dessen Schläfen sich kein graues Haar zeigt, beständig an Mortalität, Gebrechlichkeit und körperlichen Verfall zu erinnern. Federer zählt auch dieses Jahr wieder zu den Favoriten des Turniers im Melbourne Park, das er seit 2004 sechsmal gewann und bei dem er als Titelverteidiger auftritt; nur im zweiten Match gegen den Briten Dan Evans ist der Schweizer Rekordchampion ein wenig gefordert worden, aber nie an seine Grenzen gegangen.
Und dennoch weiß er, dass sich eine neue Generation von Spielern formiert; eine, die bereit ist, dem Establishment den Rang streitig zu machen, ohne allzu großen Respekt vor der Lebensleistung von Legenden zu offenbaren. Nach seinem Sieg am Freitag gegen den 21-jährigen Taylor Fritz aus den USA (6:2, 7:5, 6:2), die ehemalige Nummer eins der Junioren-Weltrangliste, erklärte Federer seine Taktik, die darin bestand, einen Frühstart ins Match hinzulegen. Der zweite Satz gegen Fritz sei ja bereits eng gewesen: "Er ist ein Mann, der in Zukunft gefährlich werden kann."
Noch hat er den Angriff der Herausforderer locker abgewehrt, aber die junge Garde rückt beständig vor. Jeder der drei Topgesetzten des Turniers in Melbourne - der Serbe Novak Djokovic, 31, der Spanier Rafael Nadal, 32, sowie Federer - stand in der dritten Runde einem Spieler gegenüber, der erst kurz vor der Jahrtausendwende geboren wurde und somit zu jenen Jahrgängen gehört, die von der Profi-Organisation ATP als "NextGen", als Männer der Zukunft, vermarktet werden: Denis Shapovalov und Alex de Minaur, die Djokovic beziehungsweise Nadal zugelost wurden, sind sogar erst 19 Jahre alt.
Der Australier de Minaur, am vergangenen Sonntag erstmals Turniersieger in Sydney, lieferte Nadal am Freitag einen großen Kampf. Auch wenn seinen Schlägen, wie beim 1:6, 2:6 und 4:6 zu besichtigen war, noch die Wucht und Präzision fehlt, um gegen die Muskelkraft Nadals zu bestehen. Allein im ersten Spiel des zweiten Satzes wehrte das flinke, tänzelnde Federgewicht fünf Breakchancen des spanischen Schwergewichtlers ab und zwang den 17-maligen Grand-Slam-Sieger zehnmal zum Einstand.
Sehr zur Freude des australischen Idols Rod Laver übrigens, des einzigen Spielers, der es geschafft hat, in zwei verschiedenen Jahren jeweils alle vier Grand-Slam-Turniere zu gewinnen und der als Ehrengast auf der Tribüne Szenenapplaus spendierte. Letztlich hat Nadal dem ungestümen de Minaur jedes Mal noch den Bizeps gezeigt. "Er ist jung, er hat die Energie, die diese jungen Kerle haben", sagte Nadal: "Das ist dann immer ein gefährliches Match."
Es liegt auch an der neuen Technik
Neben diesem Sturm und Drang hat Federer einen weiteren Vorteil der Emporkömmlinge im Material ausgemacht, das der Nachwuchsgeneration heute zur Verfügung steht und mit dem sie ihr Schlagrepertoire perfektioniert. Weil die Rahmen der Rackets breiter seien, sei es leichter, die Bälle zu kontrollieren, sagte er nach dem Sieg gegen seinen Herausforderer: Schon von klein auf sei es den Spielern deshalb möglich, sich eine extreme Griffhaltung anzutrainieren, um den Bällen beim Schlag mehr Spin zu verleihen. "Ich dagegen", sagte er schmunzelnd, "habe ja noch mit Darmsaiten und ganz am Anfang sogar mit einem Holzschläger gespielt."
Im Unterschied zur "NextGen" vertrauen die Letzten der Holzschläger-Generation auf die Routine und Erfahrung, die sich vor allem in den Grand-Slam-Turnieren zeigt, bei denen jedes Match über drei Gewinnsätze geht. Oft fehlt den Jüngeren noch das Durchhaltevermögen oder die mentale Stärke, um schlimmstenfalls zwei Satzverluste zu kompensieren. Nicht ohne Grund ist keiner der Jüngeren in die Phalanx der Seriensieger Nadal, Djokovic und Federer eingebrochen, die beispielsweise bei den Australien Open in den 15 Turnieren seit 2004 13-mal den Titel unter sich ausmachten.
Und der Nachteil? Da kam Federer dann doch wieder auf die Gebrechen des Alters zu sprechen. Der Körper, so erläuterte er in Melbourne, benötige nach der Maximalbeanspruchung auf dem Court eine deutlich längere Regenerationsphase. Ein schneller Sprung ins Eisbad, das genügt nicht mehr. "Wenn man jung ist und etwas wehtut, zum Beispiel der Ellbogen, dann kann man nächsten Tag trotzdem spielen, als wäre nichts gewesen", sagte er. "Und plötzlich, wenn man 30 oder 35 oder 40 ist, dann spürt man das zwei Wochen lang." Zum Schläger greifen könne man dann immer noch - aber mit Schmerzen.
Aber bevor jemand glaubt, der Meister werde mürbe, hat er noch eine kleine Warnung zu Beginn des Turniers formuliert. Er fühle sich gut mit 37, sagte er. Und seine Gegner müssten schon in ausgezeichneter Verfassung sein, um ihn zu schlagen. Der nächste, der es in der vierten Runde versucht, ist Stefanos Tsitsipas aus Griechenland. Gefährliche 20 Jahre alt.
