Australian Open:Höllische Fehler plagen Sabine Lisicki

Tennis Australian Open 2016

Sabine Lisicki kann es eigentlich - doch oft zeigt sie es derzeit nicht.

(Foto: dpa)
  • Die Deutsche Sabine Lisicki scheidet in der zweiten Runde der Australian Open aus.
  • Sie unterliegt der Tschechin Denisa Allertova.
  • Lisicki hadert damit, dass sie eine Knieverletzung zurückwarf.

Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Sabine Lisicki baut sich jetzt einen eigenen Tenniscourt, einen Hartplatz. Er wird im Garten ihres Lebenspartners Oliver Pocher stehen. Natürlich liegen die Vorteile auf der Hand: "Das wird eine gute Sache, wenn man rausgehen und so viel spielen kann, wie man will", sagt sie, "und nicht um elf Uhr die Nächsten kommen." Daher ist es der Deutschen, geboren in Troisdorf und nun in Köln ansässig, einiges wert, sich diese "Freiheit" zu leisten.

65 000 Euro investiert sie. Bei der Gelegenheit wird auch ein "Gym" eingerichtet, wie sie verrät. Es sind die letzten Bausteine, die ihr zu einem perfekten Umfeld fehlen. Das Team, das sie um sich herum hat, fühlt sich für Lisicki ohnehin schon "richtig" an. Sie meint damit Trainer Christopher Kas. Pocher, der auch in Australien dabei ist. Medienberater Sascha Rinne. Aber auch Physio, Rehatrainer und Sparringspartner in Köln.

Jetzt müssten nur noch die Resultate stimmen, dann sähe ihr Leben sehr rund aus. Aber sie stimmen noch nicht.

Bei den Australian Open verlor die 26-Jährige in dieser Nacht in der zweiten Runde (während Laura Siegemund aus Metzingen nach dem 3:6, 7:6 (5), 6:4-Sieg gegen die Serbin Jelena Jankovic in Runde drei steht). Die Tschechin Denisa Allertova war für Lisicki zu stark, sie gewann 6:3, 2:6, 6:4. Die 66. der Weltrangliste überzeugte bei den entscheidenden Punkten gegen die nunmehr 32. der Weltrangliste aus Deutschland. Weil es zwei Absagen von Spielerinnen gegeben hatte, war Lisicki beim ersten Grand Slam des Jahres auf Rang 30 gesetzt worden.

Sie bekam zunächst zwei Gegnerinnen vorgesetzt, die schlechter als sie platziert waren. In der ersten Runde bezwang sie in einem Match, das keinen Schönheitspreis verdient hatte, die Tschechin Petra Cetkovska 6:4, 6:4. Nach einer vier Monate langen Pause wegen einer Knieverletzung war sie froh darüber, überhaupt zu gewinnen. Aber perspektivisch reicht das nicht. Nicht für sie.

Sie war Wimbledon-Finalistin. Sie ist Fed-Cup-Spielerin. Sie hat Schläge, mit denen sie in den Top Ten stehen könnte. Sollte. Müsste. Betrachtet man allein ihre Ranglistenplatz-Entwicklung, ist eine schleichende Rückwärtsbewegung festzustellen. Wenn sie mal nicht mehr gesetzt wird, kann alles noch schwieriger werden. Sorgen? "Ich habe - in Anführungszeichen - das Glück, dass ich ein Spiel habe, das nur von mir abhängig ist", sagt sie. Nein, sie sorgt sich noch nicht. Trotzdem weiß sie: Von hinten drängen Talente nach. Und wenn sie es nicht schafft, ihre Fitness stabiler zu halten, könnte ihre Karriere auf höchstem Niveau gefährdet sein.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Lisicki hatte 2015 ein durchwachsenes Jahr mit ein paar netten Erfolgen und sonst Durchschnittsleistungen - und nahm eine Million Dollar an Preisgeld mit. Bei ihr geht es nicht um Existenzielles. Bei ihr geht es darum, ob sie ihren Kritikern Futter gibt, die schon immer glaubten zu wissen, sie könne das Niveau von Wimbledon damals nicht halten, als sie es in die Tagesschau schaffte. Zumindest fällt ja auf: Dass sie als Bum-Bum-Bine auch in den britischen Medien gefeiert wurde, ist schon wieder drei Jahre her.

Macht sie es sich zu einfach?

Die Frage ist, ob sie es sich manchmal nicht zu einfach macht mit Erklärungen, warum der nächste Schritt noch nicht da ist. Zurzeit hadert sie damit, dass ihre Knieverletzung sie zurückwarf. Sie brauche Zeit, alles sei ein Prozess. Das mag sein, natürlich. Aber: Ihre Niederlage gegen Allertova war eine typische Lisicki-Niederlage. Vor ihrer Knieverletzung sahen diese nicht viel anders aus. Sie pfefferte der Gegnerin den Aufschlag um die Ohren. Donnerte die schöne Vorhand die Linie entlang. Peitschte sich motiviert an.

Zwischendurch unterliefen ihr dann höllische Fehler, 42 waren es am Ende. Eine Quote des Grauens. "In solchen engen Matches braucht man einen Ticken Sicherheit", analysierte Lisicki richtig. Und die Sicherheit komme, wenn die Fitness stimme, die ihr ja noch fehle. So sieht sie den Kreislauf, aus dem sie endlich ausbrechen will.

Von außen betrachtet ist es schwer zu beurteilen, was Lisicki wirklich bräuchte, um zurück in die Tagesschau zu gelangen. Sie ist ein Wohlfühlmensch und hat Personen um sich geschart, die sie durchaus sanft anpacken. Kas ist ein herzensguter, dauerfröhlicher Mensch mit Geduld wie ein Pandabär. Andere glauben, sie bräuchte mehr Strenge. Bundestrainerin Barbara Rittner sprach vor einem Jahr sogar mal in der ihr eigenen Knackigkeit von einer "harten Hand", die Lisicki voranbrächte.

Sie meinte das nur gut. Sie meinte, Lisicki solle sich auch mit ihren Schwächen konfrontieren und an diesen arbeiten. Zu diesen zählt auch ihre Spielstrategie. Variantenreich spielt sie nicht immer. Stopps streut sie kaum ein. Aber sie hatte ja mit ihrem schnörkellosen Stil auch ihre schönsten Erfolge.

Viele Contras bei ihr haben auch Pros. Aus diesem Grund polarisiert sie ja in der Öffentlichkeit. Auch als Mensch. Mit Pocher an der Seite ist das sicher nicht anders geworden.

Egal, wie man zu ihr steht, eines ist ihr anzurechnen: Lisicki bleibt sich in ihrer Art treu. Wenn ihr danach ist, sich mit dem Deutschen Dustin Brown einzuschlagen bei einem Grand Slam, der herrlich verrückt Tennis spielen kann, macht sie das. Sie wird weiterhin gelegentlich auf dem roten Teppich erscheinen, auch wenn ihr vorgeworfen wird von Erbsenzählern, genau das sei der Grund, warum sie den Anschluss nach oben nicht schafft. Als ob das an acht Ausgeh-Abenden liege. Am Ende muss Lisicki mit sich im Reinen sein. Und das scheint sie zu sein.

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