Australian Open:Fünf lebenslange Sperren im Tennis

2017 Australian Open - Day 4

Bei den Australian Open sieht vieles sehr schön aus - aber was geht in den Hinterzimmern des Tennis vor sich?

(Foto: Getty Images)

Wettbetrug? Gibt es im Tennis zuhauf, vor allem in den unterklassigen Touren. Doch inzwischen decken die Fahnder immer mehr Fälle auf - und verhängen harte Strafen.

Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Das neueste Werkzeug, um den ungleichen Wettkampf gegen Wettbetrüger im Tennis vielleicht doch ausgeglichener zu gestalten, ist eine App. Dieses zeitgemäße Programm funktioniert für die gängigen Handysysteme, wurde in sechs Sprachen gestaltet und bietet vor allem einen Vorteil: Profis können problemlos anonym Verdächtiges melden, wenn sie glauben, da laufe ein krummes Ding.

"Die neue App ist ein weiterer Weg der Kommunikation mit den Spielern, um sie auch zu schulen und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Bedenken vorzutragen", sagt Mark Harrison, der Kommunikationschef der Tennis Integrity Unit (TIU). Eine interne Email zu schreiben, wie es für die Profis auch weiterhin möglich ist, erfordert eben mehr Aufwand. Das Handy wiederum, so sind die Zeiten heute, halten auch die meisten Tennisspieler permanent in der Hand, wenn sie nicht gerade auf dem Tennisplatz stehen.

Die TIU wurde 2008 als eine Art Wettbetrugspolizei von den wichtigsten Tennisorganisationen gegründet; dem Weltverband ITF, der ATP (Männertour), der WTA (Frauentour) und den vier Grand-Slam-Turnieren. Lange war die Behörde eine kaum Einblicke gewährende Spezialeinheit, doch vor zwölf Monaten musste sie aus der Deckung. Just mit dem Start der Australian Open wurde vom britischen TV-Sender der BBC und dem Medienunternehmen Buzzfeed Ungeheuerliches vorgetragen: Zehn Jahre lang sollen 16 Spieler aus den Top 50, darunter Grand-Slam-Sieger, an illegalen Absprachen beteiligt gewesen sein. Eine Woche lange nahm dieses Thema die millionenschwere Tennisveranstaltung in Beschlag, ehe sich die angeblich brisanten Vorwürfe als alt und aufgefrischt erwiesen. So ging es etwa um eine längst bekannte Match-Absprache zwischen den inzwischen zurückgetretenen Spielern Nikolai Dawidenko (Russland) und Martin Vassallo Argüello (Argentinien).

Und doch, das wird anhand der Erklärungen von TIU-Sprecher Harrison deutlich, veränderte die damalige Kontroverse den Umgang mit dem Thema. Wettbetrug findet nach wie vor statt, das wissen alle. Aber die Tennisbranche stellt sich offensiver und transparenter dieser geschäftsschädigenden Begleiterscheinung - "und dieser Prozess wird auch so weitergehen", versichert Harrison.

Doppelt so viele Mitarbeiter und pro Jahr eine Million Dollar mehr stehen zur Verfügung

Der weiße Sport hat seinen selbst gerne als makellos dargestellten Ruf zu verteidigen, das haben die Verantwortlichen schnell gemerkt, als sie den öffentlichen Druck nicht mehr aussitzen konnten. Seit Melbourne 2016 wurde personell und finanziell aufgerüstet, innerhalb kürzester Zeit wurde eine Task Force namens "Independent Review Panel" installiert, mit einem renommierten Anwalt aus London an der Spitze. Es war eine erste Beruhigungsmaßnahme - Erfolge können den Fahndern aber nicht abgesprochen werden.

In Melbourne 2017 präsentiert Harrison nun aktuelle Zahlen. Die TIU hat ihre Mitarbeiterzahl von fünf auf zehn aufgestockt, inklusive drei neuen Sonderermittlern. Das jährliche Budget wurde um knapp eine Million US-Dollar auf 3,23 Millionen erhöht; gemessen an den Summen, die im Wettgeschäft kursieren, allerdings immer noch ein marginaler Betrag. Der Austausch mit den Wettfirmen, betont Harrison, habe sich verdoppelt, zudem gebe es nun vierteljährliche Berichte für die Öffentlichkeit, kürzlich wurde ein Jahresbericht vorgelegt.

Mauscheleien um Rumänen, Bulgaren und Usbeken

In der Zeit vor der Aufregung im vergangenen Jahr blieben Sperren überführter Spieler oft unter Verschluss. Über Ermittlungen gab es gar keine Auskünfte. Inzwischen stellt sich die Lage anders dar, fast schon wie in einer PR-Kampagne in eigener Sache hat die TIU in den Tagen vor diesen Australian Open diverse Sanktionen gegen Spieler vermeldet, die der Mauscheleien überführt wurden. Darunter waren ein Rumäne, der 199 Tenniswetten binnen 15 Monaten platziert hatte, ein Bulgare, ein Thailänder, ein Grieche, ein Pole und ein Usbeke. Fünf lebenslange Sperren wurden verhängt, gegenüber 2015 hat sich die Zahl der Verurteilungen fast verdoppelt, was in realer Zahl nicht ganz so spektakulär klingt: 2016 gab es elf Schuldsprüche, ein Jahr zuvor sechs.

292 Verdachtsfälle gab es im Jahr 2016, die Hälfte davon in der untersten Turnierserie

Auch zwei usbekische Funktionäre flogen auf und wurden vom Weltverband ITF lebenslang gesperrt. Sie hatten Spielstände verzögert gemeldet, damit Dritte zwischenzeitlich Wetten platzieren konnten. Als jüngster Fall ist sogar ein Sieger der Australian Open 2016 Ermittlungen ausgesetzt. Oliver Andersen, 18, der Junior-Champion aus Australien, soll auch betrogen haben, das Verfahren läuft. Harrison bestätigt jene Erkenntnis, die sich aus den bekannt gewordenen Fällen ableiten lässt, dass nämlich "niedriger geführte Spieler anfälliger sind für Korruptionsangebote".

Das Leben auf den unterklassigen Touren ist teuer, mit Wettbetrug lässt sich da mühelos ein Vielfaches der Preisgelder verdienen. Die Lösung könnte etwa sein, mehr Geld an Spieler auszuschütten. "Das ist eine Frage, die die Tennis-Organisationen klären müssen", sagt Harrison. Die englische Zeitung Daily Mail berichtete an diesem Montag von einem möglicherweise noch viel radikaleren Schritt. Offenbar wird unter den Organisationen diskutiert, die unterste Profiturnierserie, die Futures, zusammenzustreichen oder zumindest komplett neu zu strukturieren. 2016 gab es in 114 000 Matches 292 verdächtige Wettbewegungen bei Wettanbietern, wie die TIU in ihrem Jahresreport aufführt. 152 davon betrafen Futures-Niveau.

Dass der Kampf gegen den Wettbetrug weitergehen muss, ist den Verantwortlichen klar. Kriminelle Energie findet immer ihren Weg, und zu viele Fälle bleiben weiterhin im Dunkeln. "Es kann immer noch mehr getan werden", mahnte auch Roger Federer, der 17-malige Grand-Slam-Sieger. Zugleich lobte er die Bemühungen der TIU: "Sie werden den Sport zum Besseren verändern." Eine deutliche Botschaft äußerte Australian-Open-Turnierdirektor Craig Tiley an Betrüger: "Wir werden dich finden und dich nie mehr zu den Australian Open lassen."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: