Süddeutsche Zeitung

Australian Open:Tennis-Chef: "Es mangelt an Beweisen"

  • Der ATP-Präsident Chris Kermode wehrt sich im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung gegen die Manipulations-Vorwürfe.
  • Ohne die Veröffentlichung von Namen mangele es an Beweisen, sagt Kermode.
  • BBC hat für den Dienstagabend eine Radiosondersendung über die Manipulations-Vorwürfe angekündigt.

Interview von Gerald Kleffmann, Melbourne

Am Montag wurde die Tenniswelt bei den Australian Open in Melbourne von zwei Medienberichten erschüttert. Die BBC und das Onlinemedium Buzzfeed News berichteten, dass Wettbetrug im Tennis in weitaus größerem Maße stattgefunden habe als bislang angenommen. In den vergangenen zehn Jahren sollen 16 Profis aus den Top 50 und sogar Grand-Slam-Gewinner in Einzel oder Doppel im Verdacht stehen, an Matchabsprachen mitgewirkt zu haben. Nur der zuvor schon bekannte Fall der mutmaßlichen Matchabsprache zwischen dem Russen Nikolai Dawidenko und dem Argentinier Martin Vassallo Arguello aus dem Jahr 2007, der folgenlos blieb, wurde namentlich erwähnt. Die Männertour ATP und die von allen wichtigen Tennisbehörden beauftragte Anti-Korruptions-Organisation Tennis Integrity Unit stehen nun in der Kritik, trotz Hinweisen nicht genügend unternommen zu haben, um Wettbetrug entgegenzuwirken. Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung wehrt sich ATP-Präsident Chris Kermode gegen diesen Vorwurf.

SZ: Herr Kermode, wie nehmen Sie die Kritik auf, dass die Tennisbehörden es versäumt hätten, entschlossener gegen Wettbetrug im Tennis vorzugehen?

Chris Kermode: Wir haben uns am Montag nach der Veröffentlichung der Meldungen sofort der Öffentlichkeit gestellt. Ich habe natürlich viel Kritik vernommen, und so lange sie fair geäußert wird, müssen und werden wir das akzeptieren. Die Integrität ist von höchster Bedeutung in unserem Sport, sie ist immer auf unserer Agenda. Der einzige Punkt, den ich ein bisschen unfair finde, ist, dass uns unterstellt wird, wir hätten in der Vergangenheit irgendwelche Beweise unterdrückt oder wären Hinweisen und Informationen nicht nachgegangen. 2008 wurde die Tennis Integrity Unit gegründet, alle wichtigen Tennis-Organisationen waren und sind involviert, der Weltverband ITF, die Männertour ATP, die Frauentour WTA, die vier Grand Slams. Uns ist absolut bewusst, dass auch im Tennis ein Korruptionsrisiko besteht.

Die Kritik zielt auch darauf ab, dass zu viele Wettbetrügereien laufen und zu wenig Strafen letztlich ausgesprochen werden.

Ich bin der Meinung, dass von der TIU ein unglaublich guter Job bislang gemacht wurde. Es wurden sechs lebenslange Sperren ausgesprochen und insgesamt 18 Strafen verhängt. Wir handeln aktiv und stellen uns den Problemen. Aus unserer Sicht wird alles Mögliche unternommen.

BBC und Buzzfeed meldeten, dass acht des Wettbetrugs verdächtigte Spieler bei diesen Australian Open im Feld seien, nannte aber keine Namen, weil nicht klar sei, ob diese wirklich persönlich involviert gewesen seien. Besteht die Gefahr, dass jetzt eine Jagd beginnt und sehr viele in den Verdacht geraten? Selbst Roger Federer, der 17-malige Grand-Slam-Champion, forderte: "Ich würde gerne Namen hören."

Dass keine Namen genannt wurden, zeigt doch das Problem. Es mangelt an Beweisen. Gäbe es klare Beweise, würden sie von uns natürlich veröffentlicht werden. Wobei ich auch darauf hinweisen möchte, dass wir, die ATP, nicht die Tennis Integrity Unit leiten, sondern es handelt sich um eine eigenständige Behörde. Und diese Behörde wird auch zukünftig keine Namen nennen, die untersucht werden. Das ist doch grundsätzlich bei jeder Untersuchung so. Man könnte ja auch der Untersuchung schaden. Und man muss stets auch in Erwägung ziehen, dass sich ein Verdacht als unbegründet herausstellen kann. Die Veröffentlichung von Namen ohne Beweise ist ein sehr sensibles und auch juristisch heikles Thema.

BBC hat eine Sondersendung im Radio für diesen Dienstag, 21 Uhr, angekündigt. Fürchten Sie, dass dort Namen fallen?

Wenn die BBC das machen sollte, müssen wir es so hinnehmen. Aber eines ist auch klar: Wenn Namen draußen sind, wären das sehr schwerwiegende Behauptungen.

Wie deuten Sie das Thema Wettbetrug im Tennis: Macht es dieser Sport mit seiner Struktur Betrügern besonders einfach? Es lässt sich ja auf alles Mögliche wetten, auch einzelne Punkte. Und auch bei kleinen Turnieren abseits der großen Tour.

Sportwetten waren doch schon immer da, besonders in Europa und auch in Australien. In den USA ist es ein bisschen anders. Wetten sind Teil gewisser Kulturen und grundsätzlich ja nicht illegal. Für viele ist es ein Genuss, sich im Sport auch mit Wetten zu beschäftigen. Das ist das eine. Aber Korruption, das ist ein ganz anderes Thema. Und diese beiden Themen sind nicht unbedingt miteinander verknüpft.

Und doch wirkt es auf viele fragwürdig, dass jetzt bei den Australian Open ein Wettanbieter als neuer Werbepartner präsentiert wurde und überall wirbt. Sogar einige namhafte Spieler regten an, darüber nachzudenken, ob da nicht eine Grenze überschritten wurde. Für Maria Scharapowa etwa käme ein solcher Werbepartner als Sponsor nicht in Frage.

Jeder hat seine Meinung dazu und sie steht ihm oder ihr auch zu. Ich meine, man muss die zwei Themen trennen und sollte sie nicht vermengen. Wettfirmen als Sponsoren sind ähnlich wie Alkoholfirmen als Sponsoren. Das ist Teil der kommerziellen Welt und im Grunde nichts Unübliches. Eine Firma bei einer Sportanlage mit ihrer Marke werben zu lassen, ist doch etwas sehr anderes als Korruption. Da muss man schon eine Unterscheidung machen.

Was müssen die Tennisbehörden in Zukunft besser machen, um Wettbetrug zu minimieren?

Zu sagen, wir müssen etwas besser machen, impliziert ja, als würden wir nur reagieren und dass wir keinen guten Job machen. Die Tennis Integrity Unit ist dauerhaft am Prüfen und sucht immer nach Wegen, dieses Programm voranzutreiben. Wir nehmen auch jedes Problem an und verstecken es nicht. Das ist doch im Interesse aller.

Kann Tennis überhaupt den Kampf gegen Wettsyndikate gewinnen?

Ja, absolut. Wir sind nicht hintendran, sondern gehen voran.

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