Australian Open:Allein im Vintage-Club

Grigor Dimitrov Australian Open

Grigor Dimitrov

(Foto: AFP)

Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Rafael Nadal und Grigor Dimitrov haben zuletzt ausgiebig über die Liebe reden müssen. Sie gerieten dabei in schwere Nöte. Nadal wurde vom Platzinterviewer Jim Courier auf seine Freundin Xisca Perello angesprochen, die ihn in Melbourne begleitet. "Nach zehn Jahren hat sie eine Wildcard bekommen, um hier zu sein", sagte der Spanier. Courier, der Schelm, setzte nach: "Sie ist nicht fix im Hauptfeld?" Da erkannte Nadal, verlegen lachend, dass es keinen Ausweg für ihn gab: "Es ist besser, wir stoppen hier."

Dimitrov wiederum wurde auf der Pressekonferenz auf seine Affären angesprochen, zurzeit ist er mit der Sängerin Nicole Scherzinger liiert. Ob diese Geschichten der Grund dafür seien, dass er öfter mal abgelenkt sei von seinem Beruf, wurde er gefragt. "Oh wow", sagte der Bulgare. Aber dann hielt er tatsächlich gut gelaunt ein Blitzreferat darüber, wie er die Balance zwischen Schmetterlingen im Bauch und Tennis auf dem Platz finde. Man darf ihm glauben, dass er nun den Clou raushat diesbezüglich. Dimitrov reiste als Turniersieger aus Sydney an - und nun fordert er, nach fünf Siegen in Serie, Nadal im Halbfinale der Australian Open heraus an diesem Freitag.

Dieses Duell fällt insofern aus der Reihe, weil darin der einzige der vier Halbfinalisten teilnimmt, der unter 30 ist; die Schweizer Roger Federer, 35, und Stan Wawrinka, 31, messen sich in der anderen Partie am Donnerstag. Dimitrov zählt zur #nextgen, wie die Tennistour die vielen hochqualifizierten Jungprofis labelt, die die Alten verdrängen wollen.

Nur lassen die sich nicht verdrängen. 46 der 128 Starter waren 30 oder älter, vier Ü-30-Akteure qualifizierten sich fürs Viertelfinale, das wurde nur 1977 überboten (fünf). Dimitrov, 25, ist der Letzte, der gegen die Etablierten rebelliert, wobei ihn Nadal nicht zu den Youngstern zählt: "Er ist schon viele Jahre auf der Tour." Weil er gleichzeitig dessen "unglaubliches Potenzial" lobte, klang das fast wie Kritik, nach dem Motto: Langsam muss er zeigen, was er kann. Das tut Dimitrov 2017.

Das sportlich Wunderbare an dieser Australian-Open-Ausgabe ist, dass sich die wirklich vier besten Profis fürs Halbfinale qualifiziert haben. Die Comeback-Story von Federer überlagerte indes oft genug andere Erfolge, aber der lange verletzte 17-malige Grand-Slam-Champion ist genau genommen nicht der einzige Auferstandene, der überrascht. Die spielerischen Parallelen von Nadal und Dimitrov sind überschaubar, doch in einem Punkt treffen sie sich auf Augenhöhe: Sie haben es geschafft, sich aus einer längeren Phase zu befreien, in der sie mit Problemen zu kämpfen hatten. Ihre Lockerheit bei den Interviews drückte das auch mit aus.

Nadal sagt: "I am ready"

Die Gründe dafür, vor allem die beruflichen, liegen nahe. Nadal hat ein gesundheitlich schwieriges Jahr mit diversen Beschwerden hinter sich gelassen, sechs Wochen hat er sich auf Mallorca, wo er lebt, neu justiert, den früheren French-Open-Sieger Carlos Moya als Berater in sein verschworenes Team um Coach und Onkel Toni Nadal geholt. Sein linker Schlagarm ist muskulös wie lange nicht, überhaupt hat er wieder diesen definierten Wettkampfkörper, mit dem er 14 Grand-Slam-Titel errang. Es gehört zu den Eigenarten Nadals, gerne eher tiefzustapeln, diesmal war aber tatsächlich auch ein "I am ready" zu hören.

Zweifel, ja, die habe er immer, sie treiben ihn an, sagte Nadal sogar noch am Mittwoch. Aber da hatte er gerade den Kanadier Milos Raonic mit 6:4, 7:6 (7), 6:4 besiegt. Solche Zweifel hätten andere gerne. Gegen den Deutschen Alexander Zverev, 19, in Runde drei musste er zwar über fünf Sätze gehen, doch er beeindruckte damit, am Ende deutlich physisch überlegen gewesen zu sein. Auch seine peitschende Vorhand schnalzt und zischt wieder richtig. So gut haben ihn viele Experten seit drei Jahren nicht mehr gesehen. Das letzte Mal stand Nadal 2014 im Semifinale eines Grand Slams, in Paris. Er gewann das Turnier.

In Melbourne hoffen viele auf das Traumfinale von "Vintage Federer" und "Vintage Nadal", so nennt die australische Presse die beiden. Andy Roddick, der in die Hall of Fame aufgenommen wurde, meinte gar, diese Partie könnte dann das wichtigste Match der Grand-Slam-Geschichte werden. Wawrinka begegnet als dreimaliger Majorsieger Federer noch eher auf Augenhöhe als Dimitrov im anderen Match Nadal. Und doch hat der Bulgare aus Chaskowo nach einer "Achterbahnfahrt", wie er selbst meinte, wieder zu jener Form gefunden, mit der etwa 2014 das Halbfinale in Wimbledon erreicht hatte. "Ich habe klarere Prioritäten jetzt", sagte er.

Vor allem der Venezolaner Daniel Vallverdu, der in Andy Murrays Team war und dann Tomas Berdych coachte, gab ihm einen Schub. Dimitrov wuchs mit dem Image des "Baby-Fed" auf, weil er wie Federers Klon spielt und von dessen Vermarktungsagentur übernommen wurde. Die Vergleiche waren ihm lange eine Last, er hat sie abgeschüttelt. "Ich habe eine gute Einstellung auf dem Platz", sagte Dimitrov, der beim 6:3, 6:2, 6:4 den Belgier David Goffin strategisch clever beherrschte. "Ich bin vorbereitet", versicherte er. Er ist wohl einer der wenigen, die nicht so auf Vintage-Endspiele stehen.

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