Und jetzt ist das Straubinger Frühlingsmärchen auch in der Stadt sichtbar. Viele Fenster sind mit Trikots und Schals geschmückt, die Autos sowieso, und beim Friseur wie beim Metzger gibt es kein anderes Thema mehr. Die Euphorie ist spontan und zugleich historisch begründet. Straubing war schon immer eine Eishockeystadt, in den 1940er Jahren war der zugefrorene Weiher neben dem Pulverturm das erste Spielfeld.
Die Euphorie in Straubing ist spontan und zugleich historisch begründet.
(Foto: dpa)Die Sportart konnte sich dank vieler charismatischer Persönlichkeiten und trotz finanzieller Nöte über die Jahrzehnte als Nummer eins in der Stadt behaupten. In der höchsten Liga spielt man aber erst seit dem Aufstieg vor sechs Jahren. Bislang hatte man da noch nie die Playoffs erreicht, das Halbfinale ist natürlich der größte Erfolg der Klubgeschichte.
Gerade weil Straubing so lange fernab der großen Erfolge lag, hat sich hier eine bemerkenswerte Bindung zum Eishockey und seinen Spielern erhalten, die besonders in diesem ungewöhnlichen Stadion spürbar wird.
Siegestanz mit zu "Beat it" - mit freiem Oberkörper
Das Eisstadion am Pulverturm ist keine wohltemperierte Multifunktionshalle - der sportliche Leiter der Tigers, Jason Dunham, hat erst neulich bekräftigt, dass man daran auch nichts ändern wolle, dass der Verein sein Zuhause als Gegenkonzept zur Arena-Kultur versteht. Zwar wurde die offene Ostseite des Stadions geschlossen, weshalb es ein wenig seines ursprünglichen Charakters (Winter!) eingebüßt hat - aber nur, weil Auflagen es verlangten.
An der Atmosphäre hat sich wenig geändert, auch nicht am Image Straubings in der DEL, das dem des gallischen Dorfes ähnelt. Wobei in Straubing niemand verprügelt wird, vielmehr wirkt alles etwas putzig: Die Gäste werden vor dem Spiel mit Applaus begrüßt und nachher auf der Straße mit dem Ruf "gute Heimreise" verabschiedet. Das Tigers-Maskottchen hat sich für die Playoffs einen Bart angeklebt und fährt mit einem Schild in den Stoffpranken über das Eis, auf dem steht: "Wer rasiert, verliert."
Dann gibt es noch ein anderes Maskottchen, das nach Heimsiegen tanzt, es könnte auch Profi-Breakdancer sein. Sein Name ist Bruno St. Jacques, nebenbei wichtiger Spieler der Tigers; nach dem Sieg gegen Wolfsburg machte St. Jacques beim Tanz zu "Beat it" von Michael Jackson auch noch den Oberkörper frei. Die Grenzen zwischen Fans und Spielern, zwischen Klub und Stadt verschwammen am Mittwoch, und so wird es auch während des Halbfinales sein, wohl gegen den Titelfavoriten aus Berlin. Egal, wie es ausgeht.