Süddeutsche Zeitung

Randale von Istanbul-Fans in Dortmund:"Menschenleben wurden gefährdet"

  • Die Dortmunder Polizei ermittelt nach den Ausschreitungen beim Champions-League-Spiel gegen Galatasaray Istanbul gegen 700 türkische Fans - auch wegen versuchten Totschlags.
  • Umherfliegende Böller führten zu zwei Spielunterbrechungen. Schon vor dem Anpfiff wurden zwei Polizisten durch Pyrotechnik verletzt.
  • Die leitende Oberstaatsanwältin kritisiert den BVB.

21 Festnahmen bei Fußballspiel

Zwei verletzte Polizisten, 21 Festnahmen sowie Ermittlungen gegen 700 türkische Fans wegen versuchten Totschlags, Landfriedensbruchs und Verstößen gegen das Sprengstoff- und Versammlungsgesetz: So lautet die erschreckende Bilanz der Polizei nach den Ausschreitungen der Fans von Galatasaray Istanbul rund um die Champions-League-Begegnung am Dienstag bei Borussia Dortmund (1:4).

"Es wurden Menschenleben gefährdet"

Das Spiel musste in der zweiten Halbzeit sogar für einige Minuten unterbrochen werden, weil türkische Fans Pyro-Fackeln in die umliegenden Blöcke warfen und Böller zündeten. "Die Polizei hat deutlich gemacht, was wir alle unter konsequenter Strafverfolgung verstehen", sagte Polizeipräsident Gregor Lange anlässlich einer Pressekonfenenz und sprach von "Kriminellen" und "Schwerkriminellen": "Wir müssen uns damit auseinandersetzen, ob der Polizei in schwierigen Situationen der nötige Respekt gezollt wird." Und: "Es wurden Menschenleben gefährdet."

700 Personen wurden vorübergehend in Gewahrsam genommen. Die Festgenommenen und das Gros der 700 festgesetzten Fußball-Anhänger hätten ihren Wohnsitz in Deutschland, teilte die Staatsanwaltschaft am Mittwoch in Dortmund mit.

Kritik am BVB

Die leitende Oberstaatsanwältin Birgit Cirullies nahm auch den BVB in die Pflicht und kritisierte den Verein für mangelnde Achtsamkeit im Umgang mit Pyrotechnik. "Diese Pyrotechnik-Arsenale waren nicht so klein, dass man sie in Körperhöhlen verstecken konnte", sagte sie und machte einen Vorschlag: "Dann müssen die Fans sich auch mal vier Stunden vorher kontrollieren lassen. Der Verein muss sich da nach Kräften bemühen und zum Beispiel ein weiteres Tor einrichten, damit die Fans besser getrennt werden können. Wir haben das in einer Sicherheitskonferenz erörtert. Das ist nicht umgesetzt worden, warum hat sich mir nicht erschlossen."

Der Organisationschef des Vereins, Christian Hockenjos, erwiderte, dass keine unrealistischen Forderungen aufgestellt werden dürften. Das Baurecht in einigen Fällen gegen weitere Veränderungen am Stadion sprechen.

Wie die Polizei am Mittwoch mitteilte, hatten bereits vor Spielanpfiff Gästefans auf dem Dortmunder Friedensplatz Pyrotechnik abgebrannt. Im Stadion zündeten Personen im Fanblock des türkischen Meisters erneut Pyrotechnik und warfen herausgerissene Sitzschalen in Richtung der Heimfans.

Leuchtraketen auf dem Rasen

Als immer wieder Böller in die Luft flogen, unterbrach der tschechische Schiedsrichter Pavel Kralovec die Partie erstmals für drei Minuten, später sah er sich erneut zu dieser Maßnahme gezwungen, weil Leuchtraketen auf den Platz flogen. "In dem Moment, wo Shinji die Ecke schlägt, kamen einige Dinge runter. Da bekommt man natürlich Angst, denn es kann ja jeden treffen", schilderte Dortmunds Marco Reus die Szene gegenüber Sky.

"Es war eine permanente Provokation"

Es waren unschöne Bilder, das Spiel stand kurz vor dem Abbruch. Da die Fans nicht zum ersten Mal auffällig wurden, dürfte nun auf Galatasaray eine drakonische Strafe durch die Uefa warten. Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc ereiferte sich angesichts solcher Vorkommnisse: "Es war eine permanente Provokation der Galatasaray-Fans. Sie haben bei einer Ecke von uns in der zweiten Halbzeit Böller geworfen und in den Block unserer Fans Pyrotechnik geschmissen." Auch Trainer Jürgen Klopp hat die Ausschreitungen im Anschluss verurteilt. "Ein schlimmes Bild. Ich kann leider nicht sagen, dass uns so etwas noch nie passiert ist - wir waren auch schon mal verantwortlich für ein paar nicht so schöne Szenen. Aber das heute wirft einen Schatten auf ein fantastisches Spiel von uns. Das war pure Provokation", sagte er.

Empfindliche Strafen drohen

Die Gäste müssen nunmehr mit empfindlichen Strafen durch die Uefa rechnen. Nach dem Spiel wurden die Personalien aller Fans im Gästeblock vermerkt. Die Polizei nahm außerdem erste Täter fest. Gegen sie wird wegen versuchten Totschlags, Landfriedensbruchs und Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz ermittelt. Nahe dem Stadion verhinderten die Beamten anschließend einen geplanten Angriff von BVB-Anhängern auf die Galatasaray-Fankurve.

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