Süddeutsche Zeitung

Auslosung zur Fußball-WM:Gute Laune bei den Deutschen

Portugal, Ghana, USA: Die deutsche Elf erwischt eine machbare WM-Gruppe und geht im weiteren Verlauf fast allen Mitfavoriten aus dem Weg. Der Nachteil an der günstigen Konstellation: Die Deutschen müssen in Städten spielen, in denen es heiß und schwül ist.

Von Peter Burghardt, Costa do Sauípe, und Christof Kneer

Den 8. Juli 2014 sollte man sich schon mal vormerken, es wird ein Dienstag sein. Man sieht das Stadion in Belo Horizonte schon vor sich, 17 Uhr Ortszeit, die Mannschaften laufen ein, die eine in Gelb-Blau, die andere in Weiß mit rotem, gezacktem Brustring. Am Mittelkreis tauschen die Kapitäne die Wimpel, links Thiago Silva, rechts Philipp Lahm, dann pfeift der Schiedsrichter an. Es spielen: Brasilien gegen Deutschland.

Das ist ja das Schöne an jeder Turnierauslosung: Kaum sind die Kugeln aus den Lostöpfen gezogen, schon kann sich jeder Trainer, jeder Spieler, jeder Reporter und jeder Fan sein ganz persönliches Turnier durchpuzzeln. Wenn wir Gruppenerster werden und die auch und wenn dann. . . Oft geht es dann anders aus als gepuzzelt, manchmal aber auch nicht. Wenn also alles so kommt, wie es kommen könnte: Dann könnten Deutschland im Halbfinale auf Gastgeber Brasilien treffen. Um dann vielleicht ein paar Tage später nach Brasilia zu reisen, zum Spiel um Platz drei. Oder vielleicht doch zum Finale?

Aber noch sind die Deutschen nicht so weit. Noch haben sie eine Vorrunde, ein Achtelfinale, ein Viertelfinale vor sich, aber immerhin hat die Auslosung schon mal erste schüchterne Blicke nach vorne erlaubt. "Machbar" sei die deutsche Vorrundengruppe, hat DFB-Teammanager Oliver Bierhoff gesagt, "wenn man genau hinschaut, ist jeder Gegner unangenehm, aber natürlich sind wir Favorit".

Die Gruppe ist zu einem kleinen Klassentreffen geworden: Die deutsche Elf begegnet einem Haufen alter Bekannter. Sie beginnen gegen Portugal und Cristiano Ronaldo, gegen die sie bei der EM 2012 schon begonnen haben. Es folgt Ghana mit dem gebürtigen Berliner Kevin-Prince Boateng, jenes afrikanische Land, das bereits bei der WM 2010 in der deutschen Gruppe steckte; am Ende warten noch die Amerikaner, die vom einem Amerikanoschwaben trainiert werden, der wahrscheinlich auch ein Schwaboamerikaner ist: Jürgen Klinsmann.

Es dürfte - neben dem neuerlichen Duell der Boateng-Brüder - das familiärste Aufeinandertreffen dieses Turniers am anderen Ende der Welt sein: Klinsmann war es, der Löw einst als Assistenten zum DFB holte - er hat aus Löw, dem Zweitligacoach, einen Bundestrainer gemacht. "Dieses Spiel ist natürlich was ganz Besonderes", sagt Löw, der das Los mit einem Schmunzeln zur Kenntnis nahm, während der neben ihm sitzende DFB-Präsident Wolfgang Niersbach sich prustend auf die Schenkel klopfte, als habe ihm gerade einer einen Witz erzählt, den man auf gar keinen Fall in die Zeitung schreiben darf.

Die deutsche Gruppe ist nicht leicht, aber auch nicht unglaublich schwer, und ein kleiner Rundgang durch die anderen Gruppen dürfte die gute Laune erklären. Zwar hat die portugiesische Sprache bedauerlicherweise auf die Existenz des schönen Wortes "Todesgruppe" verzichtet, es ließe sich mit etwas Phantasie allerdings zusammenbauen: Eine grupo da morte haben eher die anderen erwischt, die Spanier etwa, die neben Außenseiter Australien auf die Niederlande und die zähen Chilenen treffen; auch die von Löw so gefürchteten Italiener dürften die Auslosung eher uncharmant finden. Sie haben neben den gesetzten Uruguayern auch noch die Engländer als Gegner erwischt. Die Delegationen der Spanier, Niederländer, Italiener und Engländer haben weder geschmunzelt noch sich auf Schenkel geklopft.

Es gehört ebenfalls zur Auslosungsfolklore, erste verschämte Blicke über die Gruppenphase hinaus zu werfen, in Richtung K.-o.-Runde - und da haben es die Deutschen sogar ausgesprochen günstig angetroffen. Fast alle Favoriten versammeln sich in der anderen Turnierhälfte, im Idealfall könnte der DFB-Elf ein Achtelfinale gegen Russland und ein Viertelfinale gegen Frankreich blühen; die schwerere Variante wäre: Belgien im Achtelfinale, Argentinien im Viertelfinale.

Zwar waren die Argentinier den Deutschen im WM-Viertelfinale 2010 kein ebenbürtiger Gegner, aber sie haben zwei Vorteile gegenüber damals: Sie spielen auf dem eigenen Kontinent - und sie werden inzwischen von einem Trainer trainiert, nicht mehr von Diego Maradona.

"Ich schaue erst mal nur auf die Vorrunde", sagte Löw, er weiß ja, dass es neben den Gegnern im Topf noch einen weiteren Rivalen gibt: das Wetter. Zwar bleiben den Deutschen zumindest in der Vorrunde größere Reisestrapazen erspart, die Städte Salvador, Recife und Fortaleza lassen sich - gemessen an brasilianischen Verhältnissen - mit ein paar kleineren Hüpfern erreichen; allerdings ist dort oben im Norden der Winter nur ein Gerücht. "Heiß und schwül" werde es dort, meinte Löw, der Recife und Fortaleza schon vor einem Jahr beim Confederations Cup besucht hat.

Vor allem die Anstoßzeiten (zweimal 13 Uhr, einmal 16 Uhr Ortszeit) dürften die Vorrundengruppe G zu einer Schweißtreibenden Angelegenheit machen - aber nicht nur für die Deutschen, sondern für die ganze Großfamilie; für Cristiano Ronaldo, für Kevin-Prince Boateng und für Jürgen Klinsmann.

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Quelle:
SZ vom 07.12.2013
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