Auslosung:Fußball-EM: Losglück für alle!

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Große Köpfe bei der EM-Auslosung: Nicht nur bei den Offiziellen

(Foto: AFP)

Wer in der Vorrunde gegen wen spielt, ist eigentlich schon wurscht - weil (zu) viele Mannschaften an dieser EM-Endrunde teilnehmen dürfen.

Kommentar von Claudio Catuogno

Ukraine, Slowenien, Nordirland - diese drei Mannschaften waren vorher von den Experten als die mutmaßlich schwächsten ihres jeweiligen Lostopfs identifiziert worden. Ukraine, Polen, Nordirland - mit diesen dreien bekommen es nun die Deutschen zu tun in ihren Vorrundenspielen der EM 2016 in Frankreich. Im Grunde wurde da also das berüchtigte deutsche Losglück lediglich durch eine spezifische Herausforderung abgemischt: Gegen Robert Lewandowski, den polnischen Mittelstürmer, werden die Deutschen eine Lösung finden müssen am 16. Juni im Stade de France.

Diesen Lewandowski, das wissen insbesondere die Nationalspieler vom FC Bayern aus täglicher Anschauung, den muss man erst mal stoppen. Und sollte ihnen das nicht gelingen, sollten sie diesen gefürchteten Vollstrecker gar ein paar Mal mit dem Ball frei auf Manuel Neuer zulaufen lassen ... dann, tja: ist es eigentlich auch ziemlich egal.

Europas Große gehen sich nun schön aus dem Weg

Selten war dieser mysteriös verlässliche Deutschland-Dusel, der die DFB-Delegationen seit Jahrzehnten zu fast allen Gruppenauslosungen begleitet, so irrelevant wie diesmal. Michel Platini sei Dank, der das Teilnehmerfeld ja unbedingt von 16 auf 24 Mannschaften aufblasen musste. Mit diversen Folgen: Europas Große (Frankreich, England, Deutschland, Spanien, Belgien, Portugal) gehen sich nun in sechs (statt bisher vier) Gruppen schön aus dem Weg. Schon im zweitschwersten Lostopf wären einem allenfalls noch die Italiener eingefallen bei der Suche nach Mannschaften, die man lieber nicht in seiner Gruppe hat. Und selbst wenn: Um aus sechs Gruppen am Ende die neu eingeführten Achtelfinals zu bestücken, rutschen ja auch noch die vier besten Gruppendritten in die K.o.-Phase.

Statt Losglück für die Deutschen heißt die Losung bei Europameisterschaften ab jetzt: Losglück für alle! Oder, anders gesagt: Wer in der Vorrunde gegen wen spielt, ist eigentlich auch schon wurscht.

Platini wird wohl fernsehen müssen

Eine gewisse Ironie birgt diese Geschichte. Denn natürlich hatte Platini, der französische Präsident der europäischen Fußball-Union Uefa, mit der Ausweitung weniger die Attraktivität des Turnierformats im Sinn als die Ausweitung seiner persönlichen Machtbasis bei all jenen Funktionären, die jetzt auch mal zu einer EM dürfen. Und eben dieser Monsieur Platini durfte nun beim Auftakt zu jenem Großereignis, das sein Verband ausrichtet und das einer seiner engsten Freunde als Organisations-Chef verantwortet, noch nicht mal den Saal betreten im Pariser Palais aux Congrès. Er ist vorläufig gesperrt von der Ethikkommission des Weltverbands Fifa - weil er seinem Mentor, dem ebenfalls suspendierten Fifa-Boss Sepp Blatter, halt in vielerlei Hinsicht zu ähnlich geworden ist. Gut möglich, dass Platini die EM in seinem Heimatland nur am Fernseher wird verfolgen können.

Ein Turnier, das erst in der dritten Woche Fahrt aufnimmt

Was er dann zu sehen bekommt? Ein inzwischen vier Wochen dauerndes Turnier, das aber womöglich erst ab der dritten Woche so richtig Fahrt aufnimmt. Ab den Viertelfinals. Da könnten die Deutschen übrigens auf Belgien treffen, den Weltranglisten-Ersten, oder auf die Italiener, gegen die sie bei Turnieren eigentlich immer verlieren.

Dasselbe hat man allerdings auch schon über die Qualifikationsphase gesagt: dass sie sportlich nur noch die Hälfte wert sei, wenn fast jeder Zweite sich ohnehin qualifiziert. Und dann haben es am Ende die Holländer, WM-Finalist von 2010 und WM-Dritter von 2014, selbst bei dieser aufgeblasenen EM nicht in die Hauptrunde geschafft. Das ist gewissermaßen ein Trost: Überraschungen gibt es im Fußball immer.

Trotzdem: Die Vorstände des Weltverbands Fifa sollten sich dieses Europa-Turnier erst mal gut ansehen, ehe sie entscheiden, das Teilnehmerfeld der Fußball-WM handstreichartig von 32 auf 40 Länder zu erweitern.

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