Aus für Spanien:Clevere Italiener grüßen die DFB-Elf

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Giorgio Chiellini feiert das 1:0 gegen lethargische Spanier. (Foto: Getty Images)

Furchterregend dominant schicken die Italiener den Titelverteidiger Spanien nach Hause. Das sind beunruhigende Nachrichten für Viertelfinal-Gegner Deutschland.

Von Claudio Catuogno, Saint-Denis

Gesucht wurde: der Viertelfinalgegner der Deutschen. Aber nicht nur das. Spanien gegen Italien im Stade de France, das war auch die Wiederauflage des Kiewer EM-Finales von 2012. 4:0 hatten die Spanier damals gewonnen, es war eine Demütigung. Das, was die Italiener für die Deutschen sind, das sind die Spanier spätestens seit diesem Spiel für die Italiener: la bestia negra. Der Angstgegner.

Nun lief die Schlussphase im Stade de France. Der eingewechselte Matteo Darmian hat auf der rechten Seite den Ball bekommen, er legte ihn weiter auf Graziano Pellè - und der schoss zum 2:0 für Italien ein. Der Trainer Antonio Conte, der aus einem oft belächelten Kader eine furchterregend dominante Mannschaft geformt hat, sprang wie ein Besessener auf das Dach seiner Ersatzbank.

"Ich wusste, dass es so kommen würde", sagte Conte später, er hatte für die Partie tatsächlich einen recht plausiblen Bauplan ersonnen: "Die Idee schlägt das Talent."

Deutschland trifft also auf Italien, am Samstag um 21 Uhr in Bordeaux. La bestia negra. Und Spanien, der Titelverteidiger, ist ausgeschieden. "Es war eine unter allen Gesichtspunkten optimale Partie", sagte Italiens Verteidiger Leonardo Bonucci, "für uns ist es ein Stolz und eine Freude, gegen den Weltmeister anzutreten. Wir wussten, dass wir in unserer Hälfte nur schwierige Aufgaben bekommen würden."

Platzregen beginnt mit dem Anpfiff

Beide, Spanier wie Italiener, hätten auf dieses frühe Aufeinandertreffen gerne verzichtet. Aber die Italiener konnten sich nicht wehren - sie standen schon als Gruppensieger fest, ehe Spanien zur letzten Partie gegen Kroatien antrat. Und Spanien wehrte sich gegen Kroatien nicht energisch genug, verlor 1:2 - und wurde als Gruppenzweiter den Italienern vor die Nase gesetzt.

Zu deren Schaden war das nun allerdings nicht - was einen nicht ausscheiden lässt, macht einen bekanntlich härter.

Stimmen
:"Italien gegen Deutschland, man erschaudert davor"

Italiens Trainer Antonio Conte hat großen Respekt vor der DFB-Elf. Bundestrainer Löw findet den nächsten Gegner "schon imponierend". Die Stimmen.

Als der türkische Schiedsrichter Cüneyt Cakir den Ball freigab, setzte ein Platzregen ein, als habe auch ein himmlischer Schleusenwärter die Spannung nicht mehr ausgehalten und die Tore geöffnet. Die Zuschauer flüchteten von den unteren Rängen, die Spieler waren klatschnass, Vicente del Bosque zog sich eine rote Regenhaut über, die jedem anderen Nationaltrainer Hohn und Spott eingetragen hätte.

Del Bosque kann Kraft seiner Autorität allerdings tragen, was er will. Vor allem in Zukunft: Er wird mit großer Sicherheit abtreten. Seine Ära bleibt außergewöhnlich, mit einem WM- und einem EM-Titel, auch wenn sie jetzt mit dem zweiten enttäuschenden Turnier zu Ende geht. Brasilien mussten die Spanier 2014 nach der Vorrunde verlassen.

Diesmal war es die italienische Stärke, die das Spiel bestimmte - Spanien hatte nichts entgegenzusetzen. "Italien spielt diesmal sehr wie Italien, das könnte gefährlich werden", hatte Gerard Piqué schon vor der Partie vermutet - und so kam es. Italien spielte fast wie in seinen besten Zeiten. Freistoß Florenzi, Kopfball Pellè, Torwart De Gea bringt spektakulär die Hand an den Ball (8.) - so geht es los, so geht es weiter. Einen Fallrückzieher von Giaccherini an den Pfosten pfeift Cakir ab - aber das Signal ist klar. Die Italiener machen im spanischen Strafraum, was sie wollen.

Und nicht nur dort: Durchs Mittelfeld kombinieren sie sich mit wenigen präzise eingeübten Spielzügen, gegen die den Spaniern auch beim vierten und achten Mal nichts einfällt. Ihre Präsenz ist einschüchternd, Flanken und Pässe gehen ihnen lässig vom Fußgelenk, und aus jeder Not können sie irgendwie noch ein gefährliches Zuspiel machen. Die Spanier machen aus der Not bloß einen Querschläger, wie Sergio Ramos nach einer Flanke in der 28. Minute.

Der Kapitän Ramos ist es dann auch, der den Italienern jenen Freistoß verschafft, der zu ihrem Siegtor führt. Eder tritt den Ball, De Gea lässt ihn abprallen, Chiellini rempelt die Kugel schließlich ins Tor. Sehr viel mehr als diese Szene muss man von dem Spiel nicht gesehen haben, um zu verstehen, warum der Erfolg der Italiener unausweichlich war. Während gleich vier von ihnen auf einen Abpraller spekulierten, sondierten die Spanier erst einmal in aller Ruhe die Lage.

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Spaniens Angriff enttäuscht

Und Spaniens Offensive? In der ersten Halbzeit waren da nur Weitschüsse von Busquets und Iniesta. Ihre erste echte Gelegenheit hatten sie in der 49. Minute nach einer Ecke, da kam Morata frei an den Ball - nickte ihn aber Buffon in die Arme. Kurz darauf sprintete Eder auf der anderen Seite schon wieder frei auf De Gea zu - der zeigte eine starke Parade, immerhin.

Der Rest waren Fouls, Tacklings, wütende Weitschüsse der Spanier. Existenzkampf. Die spanische Schule, war das nicht mal dieses überlegene, fast körperlose Passspiel, das den Gegner am eigenen Strafraum einschnürt? Aber Contes Italiener lassen sich nicht einschnüren - das ist auch eine beunruhigende Nachricht für die Deutschen. Die Italiener verteidigen mit ungeheurer Disziplin und mit der Erfahrung des Dreigestirns Chiellini, Bonucci und Barzagli. Auch nach vorne wissen sie, was sie tun. Ziemlich genau so können sie das jetzt auch gegen die Deutschen versuchen. "Deutschland gegen Italien - man erschaudert davor", sagte Conte zwar, man werde wohl noch härter geprüft als gegen Spanien. Andererseits: Von den zehn mit gelb vorbelasteten Spielern sah nur einer eine weitere gelbe Karte: Thiago Motta. Clever sind sie also auch noch, diese Italiener.

© SZ vom 28.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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