Augusta:58-jähriger Langer kämpft um den Sieg beim Golf-Masters

The Masters - Round One

Macht seit 31 Jahren die Golfwelt verrückt, einfach so: Bernhard Langer in Augusta.

(Foto: Harry How/AFP)

Platz drei, nur zwei Schläge hinter dem Führenden: Bernhard Langer spielt in Augusta sensationell und sagt: "Ich glaube, dass ich gewinnen kann."

Von Gerald Kleffmann

Man stelle sich vor, Rudi Völler würde im Champions-League-Finale eingewechselt werden. Er grätscht gleich mal in der ersten Szene Lionel Messi um. Dann dribbelt er Neymar aus und lässt Marc-André ter Stegen im Tor des FC Barcelona, der besten Mannschaft der Welt, keine Chance. Das Erstaunlichste: Die Zuschauer klatschen begeistert und anerkennend - aber niemand wundert sich über diesen Mann in den Fünfzigern. Unvorstellbar?

Im Golf gibt es eine solche Geschichte. Seit Jahren. Der Protagonist dort heißt Bernhard Langer, ist 58 Jahre alt und kommt aus Anhausen, auch wenn er schon lange in Florida lebt. Gerade hat er wieder Messi umgegrätscht, Neymar ausgedribbelt und ter Stegen überlistet, die im Golf natürlich anders heißen.

In Augusta, beim Masters, beim berühmtesten, betuchtesten, überkandideltesten Turnier der Golfwelt, hat er mindestens schon wieder mal eine Halbzeit lang geglänzt. Aber deshalb werden die Beobachter und Fans - die sogenannten Patrons - nicht gleich in Freudenstürme ausbrechen. Man ist sowas gewohnt von Mr. Langer. Der Respekt ist ihm aber allemal sicher, zumal hier in Georgia wirklich jeder seinen minutenlangen Applaus erhält, sobald er nur ein bisschen die Menschen berührt.

Langer tut genau das seit Ewigkeiten, und gerade hat er wieder den Halbzeit-Schnitt im Teilnehmerfeld überstanden, den sogenannten Cut. Langer darf bei seinem sage und schreibe 33. Masters-Start auch die Runden drei und vier spielen. Mit den Runden-Ergebnissen von 72 (Par), 73 und 70 Schlägen auf dem höllisch schweren, permanent wellig-hügeligen, eisglatten Platz bei böigen Winden lag er vor der Schlussrunde auf Platz drei - auf Schlagdistanz zum Führenden Jordan Spieth (USA).

Und während Größen wie Phil Mickelson, Zach Johnson, Rickie Fowler, Graeme McDowell den Cut verpasst hatten, ging Langer zusammen mit Jason Day auf die dritte Runde. Das ist der Australier, der gerade die Nummer eins der Welt ist und zuletzt alles gewann. Am Ende des turbulenten Samstags lag Langer einen Schlag besser als Day. Der Rückstand des Deutschen auf den Führenden - Titelverteidiger Spieth - betrug kurzzeitig nur einen Schlag. Dann unterlief Langer auf der letzten Bahn ein Bogey, und Spieth vergrößerte seinen Vorsprung.

Zur Schlussrunde sagte er: Es komme natürlich auf die äußeren Bedingungen an, wenn er jedoch sein bestes Spiel zeige, könne er vier oder fünf Schläge unter Par bleiben und fügte an: "Ich glaube, dass ich gewinnen kann."

Langer hat ausgesorgt, ist ein reicher Mann. Warum macht er das noch?

Die Patrons applaudierten dennoch frenetisch, als Langer zum 18. Grün hinaufschritt. Sie wissen die Leistung des immer noch blonden German einzuordnen. Das ist ja auch das Verblüffende: Falten sind schon in seinem Gesicht hinzugekommen, ja. Aber irgendwie wird er nicht älter. Er ist der Dorian Gray des Golfs - nur mit Happy End.

Als er das erste Mal die Golfwelt so richtig verrückt machte, war es 1985. Es gab noch die Mauer und noch kein Facebook, selbst Internet war ja nur den Allerwenigsten ein Begriff. Völler war noch nicht von Frank Rijkaard bespuckt worden, war noch nicht Weltmeister. 1985 also, drei Monate vor Boris Beckers erstem Wimbledon-Erfolg, siegte Langer in Augusta. 1993 gelang dem gelernten Golflehrer noch einmal dieses Kunststück. Langer hat längst ausgesorgt, ist ein reicher Mann, hat mehr als 100 Turniere weltweit gewonnen, den Ryder Cup prägte er über Jahrzehnte als Spieler und später als Kapitän. Inzwischen spielt er auf der Champions Tour.

Böse formuliert könnte man sagen: Auf dieser Tour zeigen nochmal die Oldies ihre Fertigkeiten, die nicht mehr mit den Jungen mithalten können. Und sie machen sich auch dort noch die Taschen voll. Milch und Honig fließen ja im Golf nach wie vor. Aber das mit dem nachlassenden Können stimmt nur begrenzt. Sie halten mit, siehe Langer. Denn diese Oldies über 50 im Golf sind eben nicht mit anderen älteren Herren aus anderen Sportarten zu vergleichen. Das Alter ist nur begrenzt ein Ausschlusskriterium für Leistung.

Vor allem dann nicht, wenn man immer noch arbeitet wie ein 25-Jähriger, wenn man tüftelt wie ein Mechaniker, wenn man ehrgeizig ist, als müsste man noch etwas verdienen, um die nächste Autoreparatur bezahlen zu können.

Das besonders Beeindruckende an Langer sind ja nicht seine Schläge. Seine Bälle fliegen nicht mehr ganz so weit, das taten sie noch nie. Er hat auch keinen Wunderschlag in der Golftasche, den er nach Bedarf auspacken könnte, um noch schnell ein Birdie zu schaffen oder das Bogey zu verhindern. Aber er hat trotzdem eine Art Geheimwaffe zur Verfügung: seinen Kopf. Langers Erfolge sind phänomenal, aber erklärbar. Seine Einstellung ist museumsreif.

Deutsche Spieler suchen Langers Rat wie den eines Weisen

Zum einen ist er natürlich ein hervorragender Golfspieler. Seine spielerischen Möglichkeiten sind seine Basis, um überhaupt auf höchstem Niveau wie jetzt beim Masters mithalten und auf der Champions Tour dominieren zu können. Zum anderen aber ist seine Einstellung einzigartig. Es hat schon seine Gründe, warum einer wie Martin Kaymer seit Jahren Langer konsultiert.

Dabei ist Kaymer doch viel jünger mit seinen 31 Jahren, also athletischer, schnellkräftiger, muskulöser, ausdauernder, reaktionsfixer. Aber Kaymer, der zweimalige Majorsieger, der mit Mühe wieder mal den Cut in Augusta geschafft hat (75+74/149) als 47., weiß eben: Langer weiß, wie man einen Platz liest. Wie man Bahnen strategisch angehen muss. Wie man mit Druck umgeht. Wie man bei sich bleibt und beim Putt die Tausenden von Augenpaare vergisst, die einen anstarren.

Auch andere deutsche Spieler zapfen das Wissen des Stammesältesten an, Marcel Siem etwa. Als Kaymer 2012 mit dem entscheidenden Putt Europa den Ryder-Cup-Triumph bescherte, war er eine Art Held. Dabei hatte er eigentlich kein gutes Wochenende gespielt. Erst Langer war es, der ihn wieder in letzten Gesprächen vorab das nötige Selbstvertrauen mit auf den Weg ins Sonntagseinzel mitgab. Langer ist ein Golf-Weise, ein Gandalf. Aber er ist auch ein Malocher. Selbst bei kleineren Turnieren sah man ihn oft genug auf der Driving Range Überstunden machen, während so manches gepriesene Talent längst schon Feierabend machte. Langers Erfolge sind definitiv kein Rätsel.

"Ich habe wirklich hervorragend gespielt und den Ball sehr oft genau dahin platziert, wo ich ihn hinspielen muss", sagte Langer sowohl nach der zweiten als auch nach der dritten Runde. Er analysierte sich, wie er das immer tat. Er spielt nicht nur mit, er will gut sein. Mit einem Caipirinha-Glas an der Strandbar wird man ihn kaum sehen. Eher mit einem Birdiebook in der Hand, wenn er mal wieder jeden Grashalm studiert, der ihn auf dem Weg zum Loch stören oder helfen könnte.

Legendär ist eine jahrzehntealte Anekdote. Damals teilte ihm sein langjähriger Caddie Pete Coleman mit, die Entfernung beim nächsten Schlag sei 176 Yards von einem Sprinkler-Deckel bis zum Grün. Langer fragte: "Ist das vom vorderen Sprinklerrand oder vom hinteren?"

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: