Augsburgs André Hahn:Dynamik vom Deich

FC Augsburg - Eintracht Braunschweig André Hahn

Küsschen für die Familie: André Hahn jubelt über eines seiner neun Saisontore

(Foto: dpa)

12,52 Kilometer pro Spiel, 65 Flanken, 35,38 km/h Sprintgeschwindigkeit: André Hahn hat den FC Augsburg nicht nur mit seinen neun Toren an die Europa-League-Plätze heran geführt. Dabei wollte er vor drei Jahren seine Karriere beenden.

Von Kathrin Steinbichler

Zuhause, sagt André Hahn, "war das ganz einfach". Wenn er entspannen oder einfach mal rauskommen wollte aus dem Alltag, "bin ich immer auf den Deich". Auf dem Schutzwall zwischen Elbmündung und Nordsee hat Hahn sich die Ohrstöpsel eingesetzt, die Musik angemacht, "und dann bin ich gelaufen, einfach immer geradeaus. Rechts das Meer, links das Land - was Besseres gibt's nicht".

Heute läuft André Hahn noch immer gerne regelmäßig viele Kilometer, "das war nie ein Problem, da war ich schon immer gut". Nur macht der 23-Jährige das nicht mehr auf dem heimischen Deich in Otterndorf und auch nicht mehr zur Entspannung. Hahn läuft jetzt Wochenende für Wochenende in den Bundesligastadien der Republik. Wo sonst in Otterndorf die See ist, ist jetzt für den Flügelläufer des FC Augsburg die wogende Menge der Zuschauer; wo er früher ins Land reinschauen konnte, sieht er jetzt das Spielfeld vor sich.

In der Hinrunde war Hahn mit seinen im Schnitt 12,52 gelaufenen Kilometern pro Spiel der Ausdauerndste der Liga hinter dem Gladbacher Christoph Kramer, zudem war er mit einer Sprintgeschwindigkeit von 35,38 km/h hinter dem Braunschweiger Ken Reichel der Schnellste. Auch die 65 Flanken, die er vor der Winterpause geschlagen hat, sind ein Höchstwert in der Liga. Das Laufen war, wie gesagt, noch nie sein Problem. Seine anderen Fähigkeiten bringt er allerdings erst seit gut einem Jahr zur Geltung. Seit ihm der FC Augsburg die Möglichkeit dazu gibt.

Für den gelernten Autolackierer aus der Kleinstadt am Deich hat sich in Augsburg erfüllt, was er nicht mehr für möglich gehalten hatte: Er ist jetzt Bundesligaprofi, mehr noch, mit neun Saisontoren ist er vor dem bayerischen Derby gegen den 1. FC Nürnberg am Sonntag (15.30 Uhr) der erfolgreichste Augsburger. Längst sind prominentere Klubs auf ihn aufmerksam geworden. Dabei wollte er 2010 eigentlich schon aufhören mit dem Fußball.

"Technisch und taktisch war da nicht viel"

Mit 18 hatte Hahn sich für zwei Jahre beim Hamburger SV versucht. Doch während er zur Sicherheit nebenbei eine Lehre als Autolackierer absolvierte, kam er in der zweiten Mannschaft des HSV kaum zum Einsatz. Er musste zusehen, dass er wenigstens bei den A-Junioren Spielpraxis bekam. Der Wille war Hahn nicht abzusprechen, aber "technisch und taktisch", sagt Hahn selbst, "war da nicht viel. Bei uns auf dem Land gab es nur hoch und weit", und er schaffte es beim HSV nicht, die Defizite abzubauen.

Mit 20 nahm er beim FC Oberneuland in der Regionalliga einen neuen Anlauf. Dort "sind wir manchmal zu siebt in einem Auto ins Training gefahren", erzählt Hahn, weil der Klub wegen finanzieller Probleme kaum das Benzingeld zahlte. Hahn fasste den Entschluss, aufzuhören und im Versicherungsbüro seines Vaters anzufangen. Er hatte in Oberneuland bereits die Kündigung eingereicht, da erzielte er im ersten Spiel danach zwei Tore, im zweiten Spiel noch eins, "plötzlich hat sich TuS Koblenz gemeldet". Von dort warb ihn Drittligakonkurrent Kickers Offenbach ab, wo Hahn den Augsburgern auffiel.

Im Winter 2012/13 folgte der Wechsel, am 23. Spieltag ließ FCA-Trainer Markus Weinzierl ihn beim 2:1 gegen Hoffenheim erstmals in der Startelf auflaufen. So viel Vertrauen zu spüren, "das beflügelt", sagt Hahn, "ich war glücklich. Ich bin's immer noch. Ich meine: Ich kam aus der dritten Liga!" In Weinzierl aber hat er jetzt einen Trainer, "der mich versteht", sagt Hahn, denn: "Der kam ja selbst aus der dritten Liga." Seitdem hat Hahn in der Bundesliga nicht mehr aufgehört zu laufen, nur ein Saisonspiel hat er verpasst, wegen einer Gelbsperre. Und das mit der Technik und der Taktik hat er inzwischen auch im Griff.

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