Süddeutsche Zeitung

Augsburgs Pokalaus:"Dortmund wird sicherlich niemand unterschätzen"

  • Regionalligist Verl setzt sich im DFB-Pokal gegen Bundesligist Augsburg durch.
  • Nach dem 1:2 sagt FCA-Trainer Martin Schmidt: "Es war ein typisches Pokalspiel. Für die Allgemeinheit ist das süß, für uns ist es sauer. Und ich bin es auch."
  • Verl verteidigte leidenschaftlich und spielte nach Ballgewinnen schnell nach vorne.

Von Valentin Fackler

"Gemeinsam nach Europa" stand auf einem Spruchband im Fanblock des SC Verl beim Pokalspiel gegen den FC Augsburg. Damit setzten die Fans ihrem Verein ein hohes, wenn auch eher humorischtisch gemeintes Ziel für die kommenden Monate im DFB-Pokal. Schließlich muss ein Klub seit 2015 schon den Pokal gewinnen, um in der folgenden Saison in der Europa League antreten zu dürfen. Diesem recht romantischen und rein theoretischen Ziel ist der SC Verl am Samstag jedoch einen Schritt nähergekommen: Mit 2:1 siegte der Regionalligist gegen den Bundesligisten Augsburg und zog damit in die zweite Runde des DFB-Pokals ein. Es war die erste große Überraschung in diesem Pokaljahr.

Augsburgs Trainer Martin Schmidt wollte danach nur noch weg: "Der Flieger geht gleich", sagte er. "Es war ein typisches Pokalspiel. Für die Allgemeinheit ist das süß, für uns ist es sauer. Und ich bin es auch." In der kleinen Sportclub Arena hatte Schmidt mit ansehen müssen, dass seine Mannschaft seine Warnungen vor der Partie offensichtlich nicht ernst genommen hatte und daher verdient ausschied. "Wir sind reingefallen gegen einen Underdog. Wir haben in den nächsten Wochen noch sehr, sehr viel Arbeit vor uns", sagte Schmidt noch und fügte mit einem Anflug von Sarkasmus an: "Dortmund wird sicherlich niemand unterschätzen." Er spielte auf den ersten Bundesliga-Gegner in einer Woche an.

Dabei kann der SC Verl von Glück reden, in diesem Jahr zum sechsten Mal in der Vereinsgeschichte überhaupt am Pokal teilnehmen zu dürfen. In der Regionalliga West erreichte man in der vergangenen Saison nur den siebten Platz und im Westfalenpokal schied man im Halbfinale aus. Trotzdem konnte sich die Mannschaft für das Entscheidungsspiel um ein Pokalticket zwischen dem Meister der Oberliga Westfalen und der besten westfälischen Mannschaft der Regionalliga West qualifizieren: Die besser platzierten Klubs stammten entweder nicht aus Westfalen, waren schon qualifiziert oder sind als zweite Mannschaften im Pokal gar nicht spielberechtigt. Das Entscheidungsspiel gewann Verl gegen den Oberligisten TuS Haltern schließlich mit 3:1.

Schon nach acht Minuten führt Verl

Am Samstag musste also der FC Augsburg nach Verl in Westfalen, etwa 20 Kilometer entfernt von Bielefeld. Verls Vorstandsvorsitzender Raimund Bertels hatte nach der Auslosung der ersten Pokalrunde gemeckert, es gebe bestimmt "attraktivere Gegner" als Augsburg. Um gegen diese zu spielen, müsse man eben versuchen, den Bundesligisten zu schlagen. So trat der Viertligist auch auf: Verl verteidigte leidenschaftlich und spielte nach Ballgewinnen schnell nach vorne. Augsburg, das auf einige verletzte Stammspieler verzichten musste, kam mit fünf Zugängen in der Startelf dagegen gar nicht ins Spiel. So lag der Ball schon nach drei Minuten im Netz des neuen Augsburger Torwarts Tomas Koubek: Yannick Langesberg hatte eine Freistoßflanke per Kopf verwertet.

Doch das Tor zählte nicht, da Stöckner aus deutlicher Abseitsposition ebenfalls zum Ball gelaufen war. Aber nur fünf Minuten später traf Verl erneut, und diesmal zählte der Treffer: Ron Schallenberg hebelte mit einem sehenswerten Schnittstellenpass auf Matthias Haeder die komplette Hintermannschaft des FCA aus und Haeder setzte zum Lupfer an. Zwar kam Koubek noch mit der Hand an den Ball, doch dieser prallte von FCA-Verteidiger Suchy ins eigene Tor. Auch danach ließ der SC nicht nach und erzielte in der 23. Minute das 2:0: Nach einem Doppelpass zwischen Haeder und Yildirim legte Haeder fünf Meter vor dem Tor quer auf Schallenberg, der aus kurzer Distanz nur noch einschieben musste. Allerdings hatte der Linienrichter dabei eine Abseitsposition von Yildirim übersehen.

Nach einer schwachen ersten halben Stunde kam der FCA etwas besser ins Spiel, blieb offensiv allerdings harmlos. Kamen sie doch gefährlich vor das Tor, dann war der Verler Torwart Robin Brüseke zur Stelle: Kurz vor der Pause rettete der Keeper innerhalb von fünf Minuten per Fußabwehr gegen die frei vor dem Tor stehenden André Hahn und Florian Niederlechner. Erst in der Schlussviertelstunde gab der Bundesligist richtig Gas, es reichte jedoch nur noch zum Anschlusstor: Hahn drang in den Strafraum ein und wurde dort von Ritzka leicht berührt, den anschließenden Elfmeter verwandelte der Gefoulte sicher. In der Nachspielzeit rettete Ritzka noch auf der Torlinie, doch dann war die Sensation komplett.

Der FCA schied damit schon zum dritten Mal in den letzten sechs Jahren in der ersten Runde des DFB-Pokals aus. Die Westfalen schalteten dagegen zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte einen Erstligisten aus. "Das war nicht unverdient. Verl hat in den ersten 20 Minuten sehr gut gespielt", sagte FCA-Kapitän Daniel Baier. Verl zog zum ersten Mal nach 20 Jahren wieder in die zweite Pokalrunde ein und kann sich zudem über eine Zusatz-Einnahme von rund 350 000 Euro freuen. "Heute ist etwas ganz Besonderes passiert", schwärmte SC-Coach Rino Capretti. "Wir wussten, dass wir das Spiel unseres Lebens machen müssen. Und das war schon ganz nah dran." Sein Team kann nun in der zweiten Runde auf "attraktivere Gegner" hoffen. Und die Fans dürfen auch weiterhin von Europa träumen.

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SZ vom 11.08.2019/chge
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