Stephan Lichtsteiner:Pirlos Partner für den FC Augsburg

Stephan Lichtsteiner

Stephan Lichtsteiner bei der WM 2018.

(Foto: dpa)
  • Bundesligist FC Augsburg verpflichtet mit Tin Jedvaj und Stephan Lichtsteiner zwei weitere Spieler für die Defensive.
  • Wohl noch nie in der Klubgeschichte wechselte ein derart namhafter Spieler nach Augsburg wie Lichtsteiner.
  • Er habe vor der Entscheidung gestanden, bei einem großen Verein die "zweite Geige" zu spielen - oder die erste bei einem kleineren, sagte Lichtsteiner. "So etwas", sagte er und meinte den Transfer nach Augsburg, "habe ich noch nie gemacht".

Von Sebastian Fischer

Stephan Lichtsteiner hat nur ein Jahr beim FC Arsenal gespielt, doch er hat sich in der vergangenen Saison in England einen Ruf erarbeitet. Shithousery, so nennt man auf der Insel die Kunst, Spiele auf die gerade noch so erlaubte, dreckige Art und Weise gewinnen zu wollen. Dem Rechtsverteidiger wurden darin herausragende Qualitäten nachgesagt. Aber es ist nicht nur deshalb eine hoffnungsvolle Geschichte für den FC Augsburg, dass Lichtsteiner, 35, 105-maliger Schweizer Nationalspieler und siebenmaliger italienischer Meister mit Juventus Turin, am Dienstag zum ersten Mal in Augsburg trainierte. Und er war ja nicht mal der einzige Zugang, den der Klub präsentierte.

Der FC Augsburg war nach einem 1:5 bei Borussia Dortmund am Samstag der erste Tabellenletzte dieser Bundesligasaison, und es war recht offensichtlich, dass eine poröse Defensive dafür verantwortlich war. Da war zum Beispiel der neue Torwart Tomas Koubek, Tschechiens Nationalkeeper, der hinterher einem tschechischen Reporter zufolge von einem "Mischmasch im Kopf" sprach, weil er Verständigungsprobleme mit den Abwehrspielern hatte. Auf der rechten Seite verteidigte außerdem Georg Teigl, ein mit 28 weitestgehend Bundesliga-unerfahrener Fußballer.

Am Montagabend gab der FCA dann zunächst die ablösefreie Verpflichtung von Lichtsteiner bekannt. Am Dienstagmorgen folgte die Verkündung einer einjährigen Ausleihe des kroatischen Nationalspielers Tin Jedvaj, 23, von Bayer Leverkusen. Beide trainierten sofort mit der Mannschaft, Trainer Martin Schmidt ließ sie in der Viererkette mit Linksverteidiger Mads Pedersen und Rani Khedira üben, der gegen Dortmund neben Zugang Marek Suchy als Innenverteidiger aufgelaufen war. Lichtsteiner sagte danach: "Ich denke, das Leben ist so gemacht, dass immer spezielle Herausforderungen auf einen warten."

Jedvaj war in Leverkusen zuletzt nur Ergänzungsspieler, die Konkurrenz war groß, und er war häufig verletzt. 101 Spiele bestritt er seit Sommer 2014 für Bayer 04, oft als Außenverteidiger, was auch im kroatischen Nationalteam zuletzt meistens seine Position war. In Augsburg ist er aber eher als Stammspieler in der Innenverteidigung eingeplant, wo der Klub seit dem Weggang von Martin Hinteregger zu Eintracht Frankfurt - erstmals zur Leihe im Winter und inzwischen endgültig - Kontinuität vermisst. Jeffrey Gouweleeuw, Hintereggers Nebenmann in einer während der vergangenen Hinrunde noch souveränen Innenverteidigung, fehlt derzeit noch verletzt.

Jedvaj dürfte das Niveau in der Abwehr heben. Es ist aber vielleicht noch etwas mehr die Verpflichtung Lichtsteiners, die außergewöhnliche Bedeutung für Augsburg haben könnte. Wohl noch nie in der Klubgeschichte wechselte ein derart namhafter Spieler nach Augsburg. Zwar war er zuletzt ohne Verein, nachdem sein Vertrag in London im Sommer nach einem Jahr ausgelaufen war. Doch er betonte, dass er fit sei. Er habe vor der Entscheidung gestanden, entweder bei einem großen Verein die "zweite Geige" zu spielen - oder die erste bei einem kleineren. "So etwas", sagte er und meinte den Transfer nach Augsburg, "habe ich noch nie gemacht".

"Ich weiß, dass ich ein Mensch bin, der polarisiert", sagte Stephan Lichtsteiner einmal

Von den Grasshoppers Zürich wechselte Lichtsteiner, geboren in Adligenswil bei Luzern, als 21-Jähriger nach Frankreich zu OSC Lille, drei Jahre später zu Lazio Rom und nochmals drei Jahre später zu Juve, wo er insgesamt 259 Spiele machte. Zeitweise war sein Zusammenspiel mit dem legendären Andrea Pirlo berühmt, und immer berühmt war seine Verbissenheit auf dem Platz. In Spielen fürs Nationalteam schimpfte Lichtsteiner oft so vehement mit Flügelspieler Xherdan Shaqiri über dessen Defensivverhalten auf der rechten Seite, dass man ihn bis auf die Tribüne hörte. Und schon als junger Spieler in Zürich forderte er seinen weitaus erfahreneren Nebenmann auf, die Pässe anders zu spielen. "Wenn ich Dinge sehe, die offensichtlich und immer wieder falsch laufen, dann verliere ich irgendwann die Geduld und werde auch hässig", erklärte er dazu Jahre später in einem Interview mit dem Zürcher Tages-Anzeiger.

Lichtsteiner sprach vor Jahren auch mal von "richtigen und anderen Schweizern", er fühlte sich danach verkürzt zitiert, aber es war ein großer Aufreger, er stieß eine Debatte über Integration im Schweizer Fußball an. Und bei der WM 2018 jubelte er als Kapitän gemeinsam mit den albanischstämmigen Schweizern Shaqiri und Granit Xhaka mit der provokanten Doppeladlergeste und erklärte es danach mit Solidarität mit seinen Mitspielern, die zuvor beleidigt worden waren. Er sagte: "Ich weiß, dass ich ein Mensch bin, der polarisiert."

Er lobe sich oft selbst, was arrogant wirken könne, doch von den eigenen Qualitäten überzeugt zu sein, zeichne ihn aus und habe ihm zu seinen Erfolgen verholfen, schrieb die Luzerner Zeitung in einem Porträt. Seine Karriere gilt im Schweizer Fußball als Bilderbuchlaufbahn.

Es sind auch seine Erfahrung und seine Mentalität, die ihn für Augsburg interessant gemacht haben dürften. Kapitän Daniel Baier sagte jüngst, er hätte in der für Augsburger Verhältnisse chaotischen, von Undiszipliniertheiten geprägten vergangenen Saison früher das Wort in der Kabine ergreifen müssen. Man sollte davon ausgehen, dass ihm Lichtsteiner demnächst dabei helfen kann.

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