Augsburg:Die Entdeckung der Flexibilität

FC Augsburg - Eintracht Frankfurt

Die Doppelpacker: Florian Niederlechner (links) und Marco Richter erlösten den FC Augsburg.

(Foto: Matthias Balk/dpa)

Gegen Frankfurt experimentiert der FCA mit einer ungewohnten Versuchsanordnung und wird belohnt: Richter und Niederlechner erzielen die Tore beim ersten Saisonsieg.

Von Thomas Hürner, Augsburg

Am Ende eines äußerst erfolgreichen Nachmittags war Martin Schmidt ein sehr gefragter Mann, aber dieses Wiedersehen wollte der Augsburger Trainer ein bisschen auskosten. Mit einem breiten Grinsen streckte Schmidt seinem Gegenüber die Hand entgegen, er zog ihn mit einem kräftigen Ruck zu sich heran, auf eine innige Umarmung folgte ein minutenlanges Gespräch. Bei dem Geherzten in den Katakomben der Augsburger Arena handelte es sich um den Frankfurter Verteidiger Erik Durm, Schmidt war einst sein Trainer in der zweiten Mannschaft des FSV Mainz. Leicht empört berichtete der Schweizer hinterher, dass es sich beim jungen Durm um einen formidablen Stürmer gehandelt habe, aber dann hätten sie ihn in Dortmund einfach zum Verteidiger umfunktioniert. Und das ohne vorher um Erlaubnis zu bitten! Natürlich erzählte Schmidt das mit einem Augenzwinkern, er war voll des Lobes und auch ein bisschen stolz auf die Wandlungsfähigkeit und Flexibilität seines ehemaligen Schützlings.

Nun ist die Karriere des siebenmaligen Nationalspielers Durm zuletzt nicht so gelaufen, wie er selbst und viele andere sich das vorgestellt hätten, die 1:2-Niederlage der Eintracht in Augsburg verfolgte er ausschließlich von der Bank. In Schmidts Erzählungen über die Vergangenheit Durms und seinen Zukunftsvorstellungen für den FCA fanden sich dennoch Parallelen: Auch die Augsburger Mannschaft soll sich variabel an veränderte Begebenheiten anpassen können und schon bald viele verschiedene Lösungen im Repertoire haben. Denn: "Ansonsten ist man auf Dauer zu leicht auszurechnen", sagte Schmidt.

Der einstige Augsburger Hinteregger lässt sich durch Pfiffe zu vielen Fehlern verleiten

An dieser Stelle sei erwähnt, dass sich der Schweizer bereits in vielerlei Hinsicht einen Namen in der Bundesliga gemacht hat, er gilt als Meister der Motivationskünste, er ist zweifelsohne ein Mann mit einer sehr positiven Aura, er lässt auch einen aufregenden und für den Gegner aufreibenden Fußball spielen. Skeptische Beobachter warfen ihm aber schon mal vor, dass Wandlungsfähigkeit und Flexibilität bei ihm eine eher untergeordnete Rolle einnehmen würden, weshalb alternative Pläne und notwendige Experimente häufig auf der Strecke blieben. Bislang stellte Schmidt meist eine Formation mit einem Stürmer und einer hängenden Spitze auf, flankiert von zwei schnellen Spielern auf der Außenbahn.

Gegen Frankfurt experimentierte der Schweizer mit einer für ihn eher ungewohnten Versuchsanordnung: In Alfred Finnbogason und Florian Niederlechner spielten zwei klassische Mittelstürmer in einem 4-4-2 System, der Spielmacher Michael Gregoritsch blieb 90 Minuten auf der Bank. Die beiden kantigen Angreifer, erklärte Schmidt, sollten die Dreierkette der Eintracht "im Zentrum binden, damit die Außenspieler durchstoßen können" - genau das funktionierte in der ersten Hälfte immer wieder vorzüglich. Die Frankfurter Defensive wackelte enorm, wenn die Heimelf ihre temporeichen Attacken vortrug. Besonders der ehemalige Augsburger Martin Hinteregger, dessen Ballkontakte stets von lauten Pfiffen aus dem Publikum begleitet wurden, schien mit einer anderen Spielweise gerechnet zu haben und ließ sich daher zu ungewohnt vielen Fehlern verleiten.

Folgerichtig stand es zur Halbzeit 2:0 für den FCA, die Treffer erzielten Marco Richter (36. Minute) und Mittelstürmer Niederlechner mit einem sehenswerten Schlenzer aus der Distanz (43.). Für Trainer Schmidt war das ein "Fußball, wie wir ihn uns hier vorstellen", und das entsprach zugleich dem allgemeinen Tenor, der nach der Partie von seinen Spielern zu entnehmen war. Es sei aber klar gewesen, so Schmidt, dass es gegen eine Mannschaft von der Qualität der Eintracht "nicht immer nur schön sein kann".

Tatsächlich konnte die Gästemannschaft in der zweiten Hälfte durch viel Ballbesitz Druck entfalten, abgesehen vom Anschlusstreffer durch Goncalo Paciencia (73.) sprangen dabei aber kaum gefährlichen Situationen heraus, weil der FCA aufmerksam im Verbund verteidigte. Auch das sei ein Teil des Matchplans gewesen, sagte Schmidt, "denn wenn die Kräfte schwinden, dann muss man halt kompakt stehen". Das nächste Ziel sei, dass man in zwei Halbzeiten dominant auftrete. Unabhängig vom Spielsystem übrigens: Die Doppelspitze sei eine taktische Variante von vielen gewesen, so Schmidt, "es wird aber Spiele geben, wo das nicht klappt". Für ihn stand nach den ersten Saisonsieg sowieso etwas anderes im Vordergrund: "Der Funke ist gesprungen, das Feuer ist entfacht."

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