Augsburg:"Bis zum Spiel war's super"

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Typische Szene: Leipzig Augustin packt Augsburgs Baier obendrauf. Beide Parteien beschäftigten sich in dem ruppigen Duell intensiv miteinander. (Foto: Stefan Puchner/dpa)

Am Jubiläumstag des FC Augsburg hält die torlose Begegnung mit RB Leipzig nicht mit dem aufwendigen Rahmenprogramm mit.

Von Maik Rosner, Augsburg

Wäre das Rahmenprogramm in die Wertung eingeflossen, hätte der FC Augsburg Anspruch auf einen Bonuspunkt erheben können. Mit viel Liebe zum Detail hatten sie beim FCA ihren "Retrospieltag" zelebriert, vielleicht gar mit zusätzlichem Eifer wegen des sehr zeitgenössischen und erst 2009 gegründeten Gegners. Zu RB Leipzig, dank Red Bull rasant zu einem der erfolgreichsten deutschen Kickerkonstrukte aufgestiegen, pflegen sie beim FCA ein eher verächtliches Verhältnis. Umso mehr könnte es sie angespornt haben, ihre Tradition zu betonen, auf den Tag 111 Jahre nach dem ersten dokumentierten Spiel ihres Vorgängerklubs FC Alemannia am 20. Oktober 1907.

In einem Oldtimer-Mannschaftsbus fuhren sie vor. Der Stadionsprecher verlas ihre Aufstellung in stilechten Knickerbocker-Hosen und verwendete die früher üblichen Bezeichnungen wie "Mittelläufer". In schwarz-weißen Retrotrikots spielten sie, später sprachen die Trainer Manuel Baum und Ralf Rangnick auf dem Podium in betagte, knisternde Mikrofone.

Das Problem an der kreativ arrangierten Veranstaltung war nur: Der Höhepunkt konnte mit dem liebevoll gestalteten Rahmen nicht mithalten. Auch nicht mit den Erwartungen an den Vergleich der spielstarken Teams, die sich vor der Länderspielpause spektakulär präsentiert hatten. Augsburg hatte dem Tabellenführer bei der 3:4-Niederlage in Dortmund einen sehr unterhaltsamen Schlagabtausch geliefert, Leipzig war beim 6:0 über Nürnberg ähnlich offensivfreudig hinweggefegt.

Als umso höher erwies sich die Fallhöhe dieses destruktiven 0:0, bei dem 44 Fouls gezählt wurden und damit die meisten in der bisherigen Saison. "Bis zum Spiel war's wirklich super", sagte Augsburgs Offensivakteur Michael Gregoritsch später maximal missbilligend. Der im Stadion und in der Stadt auf Nostalgie getrimmte Tag sei etwas gewesen, "das man erleben muss. Aber dann kam das Spiel".

Beide Teams erklären das Zentrum zum Sperrbezirk

Und dieses sei wegen der Vorarbeiten zum Jubiläum und des eigentlichen Leistungsvermögens beider Mannschaften "fast ein Skandal" gewesen. Gregoritsch, schon von Amts wegen dem Toreschießen deutlich mehr zugeneigt als dem Toreverhindern, vermutete gar, dass alle Beteiligten "Nackenschmerzen" davongetragen haben könnten, weil viele hohe Bälle hin und her geflogen waren. Unterstützung erhielt er von Leipzigs Diego Demme, der nur darüber Freude empfand, dass die Anstrengung ein Ende gefunden hatte. "Fußballerisch war das gar nichts von beiden Mannschaften", so der Mittelfeldspieler.

Tatsächlich war das Spiel dahergekommen, als hätten sich die sehr ähnlichen Stile von Augsburg und Leipzig abgestoßen wie zwei gleiche Pole. Das lag vor allem daran, dass beide Mannschaften das Zentrum zum Sperrbezirk erklärten. Oder wie es Gregoritsch ausdrückte: "Wir wissen, dass die uns auffressen, wenn wir in die Mitte spielen. Und die wissen, dass wir sie auffressen, wenn sie in die Mitte spielen." Heraus kam dennoch ein großes Fressen und ein Offensivspiel, das auf Retrotempo gedimmt war und kaum Chancen hervorbrachte.

Für die größte Aufregung sorgte als Pointe das moderne Hilfsmittel Videobeweis mit einer fast fünfminütigen Unterbrechung. So lange dauerte es, bis Schiedsrichter Tobias Welz seinen umstrittenen Foulelfmeter auf einem Monitor überprüfte, überraschend bestätigte und erst auf Geheiß der Videoassistenten in Köln wegen einer vorangegangenen Abseitsstellung richtigerweise zurücknahm.

Nationalstürmer Timo Werner war zehn Sekunden nach der Abseitsstellung eines Kollegen im Strafraum von Augsburgs Innenverteidiger Jeffrey Gouweleeuw leicht gerempelt worden und gefallen (10.). "Dass uns am Retrospieltag der Videobeweis hilft, einen Punkt zu behalten, ist interessant", befand Baum und erfreute sich wie Rangnick an der stabilen Defensive. Das erste Saisonspiel des FCA ohne Gegentor konnte Gregoritsch mit dem zähen Ringen aber nicht versöhnen. "Super, Weltklasse", sagte er ironisch.

© SZ vom 22.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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